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How To Die In The North

Immer wieder wird lakonisch behauptet, beim dritten Album handele es sich um das entscheidende. Wie weit es mit der Wahrheit gehen kann, zeigt das Beispiel von BC Camplight. Brian Christinzio war nämlich im Grunde schon durch mit dem Leben. Von Philly zog er nach Manchester, um noch schnell sein letztes Album abzufassen und sich dann zu Tode zu trinken. Allein das Vorhandensein dieser Rezension deutet darauf hin, dass es anders gekommen sein musste.

Und ja, das Schicksal hatte was dagegen. Überhaupt singt BC nicht gerade so, als würde demnächst viel Tod auf dem Programm stehen. Und Einsamkeit auch nicht. Wobei: So ganz sicher sein kann man sich nicht, dass der Background-Chor, mit dem Christinzios Kopfstimme da in ‚You Should Have Gone To School‘ verschmilzt, nicht doch aus eigener Kehle gespeist wurde. Sei’s drum: Die Vitalität im Sound dieser Platte, deren Titel ihren Schöpfer Lügen straft, ist gleich in mehrfacher Hinsicht eine mühevoll erarbeitete.

Manchester sei Dank. Und allem, was er dort fand: Freunde, Liveshows, Würdigung, Martin King – seinem Produzenten. Philadelphia, so Christinzio, hätte ihn getötet oder im Knast enden lassen. So aber reichte es für den entscheidenden Schritt weg vom Abgrund hinein in die Arme des Bella Union-Labels, das ‚How To Die In The North‘ mit offenen Armen und rotem Teppich empfing, weil es begriff, was es an ihm haben sollte: Kopfstimmige Schätzchen aus dem Pop-Antiquariat (‚Love Isn’t Anybody’s Fault‘), Selbstfindungsoden im Mariachi-Stil (‚Thieves In Antigua‘), sanftes Ringen mit dem Kater (‚Good Morning Headache‘) und launigen Sgt.-Pepper-Vibe (‚Atom Bomb‘). Hinzu kommen schlaumeiernde lyrische Zirkelschlüsse. Fuchsigstes Beispiel:

Just because I love you / Doesn’t mean I really do love you‘

. Na, was denn nun? Da stiehlt sie sich davon, die Orientierung, und hinterlässt einen Anhaltspunkt dessen, was da noch folgen soll. Im großen akustischen Herdenauftrieb ‚Lay Me On The Floor‘ lebt der doch sonst so liebevoll und transparent arrangierende Musiker aus New Jersey offen die psychedelischen Gelüste aus, die sich schon in ‚Grim Cinema‘ abzeichneten und mit skurrilen Klang-Grimassen vorerst testweise dazwischenfunkten. Es ist angerichtet!

Der größte Trumpf dieses Albums ist seine Unberechenbarkeit auch innerhalb der Grenzen eines einzelnen Tracks. Dank zahlreicher rhythmischer wie atmosphärischer Kehrtwenden ist hier gar nichts erschlossen, solange nicht der Song seine letzte Sekunde ausgespuckt und alle Facetten in die Sonne gehalten hat.

Zu guter Letzt setzt Christinzio sich auch mal mit geradem Rücken ans Klavier. ‚Why Doesn’t Anybody Fall In Love‘. Ja, warum denn eigentlich nicht? Er könnte auch ‚We Are The Champions‘ singen, es würde stellenweise keinem auffallen; der Pathos sowie tatsächlich auch einige ganz konkrete Klangfolgen spielen mit. Und die sind immerhin nicht völlig falsch verbunden. Denn Zeit für den Loser in sich selbst dürfte BC Camplight mittlerweile ja auch nicht mehr haben. Herzlichen Glückwunsch zum verlängerten Leben – und zu durch und durch vorzeigbarer Popmusik.

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