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Hiergeist Pt. 1

Als Gott die Kreativität an die Menschen verteilte, stellte sich MyKungFu gleich dreimal in der Schlange an. Dies hat zumindest den Anschein, wenn man sein neuste Albumhülle bestaunt. Während man letztens bei ‚Repeat Spacer‘ noch durch Schiebebilder aus vier verschiedenen Motiven selbst sein liebstes Cover wählen durfte, überrascht der Schweizer auf ‚Hiergeist Pt. 1‘ diesmal mit Stickern. Dabei ist auf einer grauen Papphülle nicht nur jeder einzelne Buchstabe des Singer-Songwriters selbstständig per Hand draufgeklebt – was es bereits jetzt schon zu kleinen Unikaten macht – sondern auch die restliche Vorder- und Rückseite absichtlich leer gelassen. Hier kommen nämlich entweder die Songtitel-Sticker, diverse Smileys oder aber eine eigenes ‚Diese CD gehört: … ‚-Feld hin. Persönlicher kann ein Albumcover kaum ausfallen.

Diesmal fällt die Musik allerdings weniger auffällig aus als noch bei ‚Repeat Spacer‘. MyKungFu verzichtet überwiegend auf experimentelle Soundeffekte und setzt stattdessen auf die akustische Gitarre, die hier zum elementaren Träger des Albums wird. Aus ihr kitzelt der Singer-Songwriter einiges an eingängigen Riffs und Motiven heraus. In ihnen präsentiert er seine Vorliebe für Dissonanzen, die das gesamte Album über auftauchen. Diese schiefen und schrägen Klänge machen ‚Hiergeist Pt.1‘ so zu einem teils psychedelischen, teils düsteren, teils auch fast schon deprimierenden Trip.

Dabei sticht aus der trüben Masse der unterhaltsame Track ‚Piiteraq‘ besonders heraus. Was wie ein Artefakt aus einem Superheldenfilm klingt, ist in Wahrheit ein eiskalter Föhnwind, der in Grönland weht. Und genauso sphärisch und wechselhaft wie der Wind fegt auch der Song zwischen elektrischem Orgelrauschen und akustischem Gute-Laune-Pop über den Hörer hinweg. Darauf folgt mit ‚Gospel‘ der einzige Track mit einer durchweg positiven Ausstrahlung und einer noch schöneren, sich immer stärker weitenden Entwicklung, die an Of Monsters And Men erinnern. Danach erwartet – beziehungsweise erhofft – man einen möglichen Stimmungswechsel.

Doch bis auf ‚Hesitate‘, das mit seinem tänzerischen Bossa wie ein flotter Jack Johnson daherkommt und fast schon amüsant wirkt, bleibt es bei der vorangegangenen bedeckten Stimmung. Der scheinbar harmlose Singer-Songwriter Sound wird durch dissonante Töne geprägt. ‚The Silence Of Love‘ klingt wie eine moderne Variante des berühmten ‚Sound Of Silence‘ von Simon & Garfunkel, und ‚Loops In A Jar‘ sorgt mit der ungewöhnlichen Kombi aus Akustikrock à la Ben Howard, dem nervigen Wiehern eines Theremin und entspannenden Trompeteneinwürfen, die in der Bridge plötzlich zu einem einzigen Gequietsche eskalieren, für ein interessantes Ende eines interessanten Albums.

‚Hiergeist Pt.1‘ kommt an seinen Vorgänger nicht heran. Es bleibt weniger im Ohr hängen, die Songs sind nicht catchy genug. Stellenweise klingt es beinahe schon nach Chanson – wie viele aneinander gereihte Geschichtserzählungen. Aber einen gewissen Reiz strahlt die Platte dennoch aus. Neben dem fröhlichen und dem Herzschmerz-Singer-Songwriter, die es auf der Welt zu Hauf gibt, präsentiert uns MyKungFu nämlich das seltene, psychedelisch-trübe Exemplar. Und immerhin bleibt er sich insofern treu, immer wieder einen neuen Sound für sich und für den Zuhörer zu entdecken. Deshalb kann man jetzt schon auf den zweiten Part gespannt sein, der Ende des Jahres erscheinen soll.

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