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FHEELS – „Man muss Leute irgendwie von der Vision und der Sache, die man machen will, überzeugen!“

FHEELS sind eine aufstrebende Band aus Hamburg. Mit „Lotus“ legt das Quartett in diesen Tagen ein ambitioniertes und rockiges Debüt-Album vor. Wie es Whiskey-Soda gefallen hat, könnt Ihr übrigens hier lesen. FHEELS sind dabei keine Truppe wie jede andere: Frontmann Felix Brückner sitzt nach einem Snowboard-Unfall 2005 im Rollstuhl. Das hindert ihn aber nicht, die Bühnen dieser Republik zu rocken und sich selbstbewusst für Sex-Szenen im Promo-Video inszenieren zu lassen.

Wir treffen Felix und Keyboarder Tobias Nitzbon zwei Tage vorm Platten-Release zum Video-Interview.

 

Glückwunsch zum gelungenen Debüt-Album und dem Release! Stellt Euch doch unseren Leserinnen und Lesern vor.

Felix: Hallo und danke! Wir sind FHEELS, das ist eine Wort-Neuschöpfung aus den englischen Begriffen wheels und feelings. Justus, unser Schlagzeuger, und ich haben 2015 angefangen, Mucke zu machen, Ende 2017 kam Tobias dazu…

Tobias: Ab da wurde es dann ernst!

Felix: Zu dem Zeitpunkt hatten wir schon eine EP aufgenommen – damals noch ohne Tobias – dann haben wir immer weiter Musik gemacht. Unser Line-Up hat sich ein bisschen verändert und wir haben alles, was aus uns rauskam, in dieses Debüt-Album gepresst, was einfach ein geiles Album geworden ist! Tatsächlich haben wird es schon im Dezember 2019 aufgenommen und haben gewartet, dass sich das [mit Corona] wieder legt, aber irgendwann haben wir gesagt: Jetzt geht das Ding raus!

 

Wie würdet Ihr Eure Musik beschreiben?

Felix: Ich würde auf jeden Fall sagen, dass es Rockmusik ist. Das Schöne ist, dass es noch so erfrischend pur ist. Es ist einfach so ein „Jungs gehen in den Proberaum, schreiben Mucke, die ihnen gefällt und nehmen sie auf“- Album. Ich finde, das macht den Reiz der Platte aus.

Tobias: Ich würde dazu sagen, es ist schon auch ein bisschen nerdig. Die Visions hat geschrieben, es geht Richtung Muse. Was wir selber immer gesagt haben: Es ist von Radiohead beeinflusst, obwohl wir die gar nicht hören.

Felix:  Wir kommen alle von der Musikschule, haben unser Instrument studiert und das hört man an der einen oder anderen Stelle vielleicht auch.

 

Du hast gerade schon gesagt, Ihr hattet ein paar Line-Up-Änderungen. Wie habt ihr als Band zusammengefunden und wie war der Weg von der Gründung bis zur Veröffentlichung jetzt?

Felix: Das war ganz spannend, weil man muss ja Leute irgendwie von der Vision und von der Sache, die man machen will, überzeugen. Dann war es gerade am Anfang wirklich so, dass es ein bisschen hin und her gab. Teilweise hatten wir einen zweiten Gitarristen mit an Bord, aber ab Ende 2017 hatten wir dann ein das Line-Up, mit dem wir jetzt in den letzten Jahren unterwegs waren. Das hat sich nur noch im letzten Jahr verändert, indem wir an der Bass-Position den Bruder von unserem Drummer Justus dazu geholt haben.

Eine Band ist auch wie eine Beziehung, da gibt es immer  Aufs und Abs und persönliche Differenzen. Es war mir aber von Beginn an wichtig, dass es in erster Linie zwischenmenschlich harmoniert. Ich glaube, das ist auch der Grund, warum wir im Gegensatz zu vielen anderen Bands, die sich während unseres Studiums parallel gegründet haben, noch am Start sind.

 

 

Aber die musikalische Professionalität stand schon im Vordergrund, und nicht, wie bei den Toten Hosen damals, erst die Freundschaft und hinterher das Instrumente lernen?

Felix: (lacht) Wir wussten schon, dass wir alle so ein bisschen was am Instrument können. Aber ich habe jetzt nicht geguckt, wer besonders krass ist. Es war wirklich so, mit dem verstehe ich mich und gehe gerne mal ein Bier trinken, außerdem kann er sein Instrument bedienen.

 

Mit der zweiten Single „Sharp Dressed Animal“ habt ihr bewusst und explizit das Thema Sexualität und Behinderung aufgegriffen. Wie waren die Reaktionen darauf?

Felix: Ich würde sagen: durchweg gut! Sexualität, da müssen wir uns nichts vormachen, ist in der Musik grundsätzlich ein sehr verbreitetes Thema. Wir wollten das aber schon mal mit Blick auf Menschen mit Behinderungen und ihre Sichtbarkeit umsetzen. Vor allen Dingen wollten wir es nicht in so einen Fetisch-Bereich ziehen, der einfach bei Menschen mit Behinderung schnell aufgemacht werden kann.

Wir haben wirklich durchweg gutes Feedback dafür bekommen – zum einen, dass es mutig ist, sowas zu machen, zum anderen aber auch, dass es wichtig ist, sowas zu zeigen.

Das haben wir auch mit dem Album bewusst angestoßen, dass wir ein bisschen für das Thema [Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft] sensibilisieren wollen, weil wir da Nachholbedarf sehen.

 

In Zeiten von Internet-Pornos sind Sexszenen kein großer Aufreger mehr, bei Sex im Rollstuhl wird aber schon ein Tabu-Thema aufgemacht. Gab es auch negative Rückmeldungen?

Felix: Das Witzige ist ja, dass wir dieses Video schon abgedreht hatten – ohne diese ganzen Szenen – und irgendwann habe ich gesagt, da ist eigentlich viel mehr drin. Dann haben wir nochmal einen Extra-Dreh gemacht, und haben diese neuen Szenen aufgenommen, die jetzt im Fokus der Öffentlichkeit stehen.

 

Du sitzt im Rollstuhl, da ist die Behinderung offensichtlich, andere Behinderungen sind vielleicht nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen.  Wie reagieren die Menschen darauf, wenn du sagst: Hey, ich bin Sänger in einer Rockband!

Felix: Ich überlege gerade, ob ich das jemals irgendwem gesagt habe, der mich nicht kennt… aber negativ reagiert niemand – das traut sich ja keiner, auch wenn er das vielleicht innerlich denkt. Ich meine, man muss sich ja nichts vormachen, es ist auch für Menschen ohne Behinderung schwierig, sich auf die Bühne zu stellen und einen rauszugrölen.  Von Menschen mit Behinderungen erwartet das ohnehin keiner – das liegt einfach an dem gesellschaftlichen Bild – deswegen ist dann meist zu hören: Cool, das habe ich so noch nicht gesehen! Es soll einfach nicht mehr so außergewöhnlich werden, dass Menschen mit Behinderung grundsätzlich in der Kultur gesehen werden.

 

Ihr habt die Produktion über ein Crowdfunding finanziert – als absolute Newcomer. Wie seid Ihr auf diese doch recht selbstbewusste Idee gekommen?

Tobias: Es haben einige aus unserem Umfeld auch so gemacht, so kamen wir überhaupt auf die Idee. Es war sehr stressig, das läuft dann in einer gewissen Zeit ab, du musst Content kreieren – das war schon anstrengend.

Felix: Ich glaube, es war meine Idee, weil wir wussten, wir haben da eine Produktion vor uns, die uns sehr viel Geld kosten wird, die wir aus der Bandkasse nicht stemmen können. Deswegen haben wir das versucht, und es lief auch echt super! Es hat uns aber auch nicht die ganze Produktion finanziert. Wir sind froh, dass wir noch eine Förderung von der „Initiative Musik“ bekommen haben.  

 

 

In den nächsten Tagen  sind ein paar Konzerte angesetzt – gibt es Tournee-Pläne?

Felix: Ja, es geht langsam wieder los, aber man muss auch sagen, dass viele Menschen kulturell entwöhnt sind.  Es werden viele Tourneen von größeren Bands abgesagt, weil die Vorverkaufszahlen zu schlecht sind. Wir haben jetzt erst einmal drei Konzerte zum Release. Der Plan ist natürlich, dass wir dieses Jahr noch viel mehr spielen und wir hoffen, da im Herbst noch einmal ansetzen zu können!

Tobias: Ich höre auch von Clubs, die haben teilweise 40 Shows pro Monat, sind also komplett ausgebucht und am Wochenende doppelt belegt! Da ist natürlich eine Sättigung. Dieses Jahr wird extrem schwierig, irgendwie reinzukommen.

 

Wenn ein Veranstalter hier mitliest, oder eine Band, die Euch mitnehmen will – worauf ist bei Euch zu achten?

Felix: Es ist ganz einfach so, dass wir uns irgendwelche Besonderheiten wirklich versagen. Alles, was dazu kommen würde, würde es für uns einfach noch schwerer machen. Wir sind da sehr pflegeleicht und finden immer Mittel und Wege, auch wenn etwas beispielsweise nicht barrierefrei ist. Es ist ein bisschen mehr Organisationsaufwand, aber der liegt in unseren Händen.

Also: Nehmt uns mit – wir finden eine Lösung!

 

Was steht rund um den Release noch in den nächsten Wochen an – gibt es Online-Konzerte oder kann man Euch sonst irgendwie erleben?

Felix: Wir haben im letzten Jahr ein Streaming-Konzert gespielt, das war ganz cool, aber wir wollen schon versuchen, richtig live zu spielen. Wenn da jetzt ein Angebot reinkommen sollte, sagen wir bestimmt nicht nein. Wir wollen natürlich die Platte promoten. Dann wird auf jeden Fall der nächste Fokus sein, einfach neue Sachen zu schreiben. Jetzt ist das Ding endlich draußen, alle können es hören, und wir müssen dann schauen, dass die nächsten Veröffentlichungen hinterherkommen, damit wir präsent bleiben.

 

Ihr veröffentlicht das Album auch auf CD und Vinyl, nicht nur auf den Streaming-Portalen. Habt Ihr die nur im Eigenvertrieb?

Felix: Ja, auch auf CD und Vinyl, und die gibt es in jedem Plattenladen! Das war uns auch wichtig, die Scheibe auf Vinyl zu haben, weil das ist auch ein Artwork! Aber leider ist es ja so, dass es heute keine richtige Künstler-Hörer-Bindung mehr gibt. Heute hat man vielleicht einen Song in seiner Playlist, den man abfeiert, und das war´s. Wenn ich an meinen Vater denke, der ist damals um halb vier aufgestanden, um die erste Platte von Neil Young morgens im Plattenladen zu kaufen. Das gibt es leider nicht mehr.

 

Ich wünsche viel Erfolg mit dem Release und gute Konzerte in der kommenden Woche!

Felix und Tobias: Danke für das Gespräch!

 

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Fotocredit: Sophie Schwarzenberger

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