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ADAM ANGST – „Wir könnten viel, viel besser sein!“

Adam Angst haben vor wenigen Wochen ihre bockstarke Platte „Twist“ veröffentlicht, die wir direkt zum Album des Monats auserkoren haben. Das Quintett hat die abwechslungsreichste Scheibe ihrer mittlerweile fast zehnjährigen Karriere vorgelegt, und ist in diesen Tagen mit den befreundeten Donots auf großer Deutschland-Tour durch die großen Hallen der Republik, bevor es im kommenden Frühjahr auf eigene Reise geht. Wir treffen Frontmann Felix Schönfuss vor der Show in der ausverkauften Westfalenhalle in Dortmund zum Gespräch.

Hallo Felix! Ursprünglich ist Adam Angst als Solo-Projekt gestartet, nun seid Ihr seit fast zehn Jahren in fester Besetzung zusammen. Kannst du uns das einmal Konzept Eurer Band erklären?

Das Konzept hat sich tatsächlich ein bisschen geändert. Es fing an als Soloprojekt, da habe ich die ganzen Songs geschrieben, und zur Band sind wir letztendlich über die Alben zusammengewachsen – man muss es ja auf die Bühne bringen. Es war einfach schön für mich, ein bisschen Verantwortung, ob jetzt in kreativer Hinsicht oder auch in Sachen Aufgabenverteilung, abgeben zu können, so ist dann diese Band gewachsen.  Das ursprüngliche Konzept war mit der fiktiven Figur Adam Angst Gegensätze darzustellen, was sich auch im Namen  widerspiegelt: Adam, der biblische Urvater, plus Angst ein Ur-Gefühl, das uns alle irgendwie betrifft, um einfach diese Ambivalenz zwischen Gut und Böse darzustellen. Heute ist es nur noch ein Name.

Du bist nach außen auf jeden Fall der „Verkäufer“, bist du auch der Chef?

(schmunzelt) Ich werde immer noch scherzhaft König genannt, aber wenn man sich das in der Praxis ansieht, ist das jetzt überhaupt nicht mehr so. Ich habe schon immer noch ein bisschen den Daumen auf  das Musikalische, dadurch, dass ich schon maßgeblich beteiligt an den Songs bin, aber David zum Beispiel schreibt mittlerweile mit mir zusammen. Und all das, was sonst am Ende erledigt werden muss, da habe ich meistens gar nichts mehr zu tun, auch bei der bei der Entscheidungsfindung haben alle ihre Aufgaben, und jeder entscheidet mit.

Ihr seid nicht in einer Stadt gemeinsam ansässig, die anderen Mitglieder spielen teilweise in weiteren erfolgreichen Bands (u.a. FJØRT), außerdem ist AA vermutlich bei keinem der Haupt-Brotjob. Ist das der Grund, warum fünf Jahre seit „Neintology“ ins Land gezogen sind, und kannst Du beschreiben, wie man sich für ein Vorhaben mit Album und Tour organisiert?

Das ist sicherlich schon ein starker Grund, dass wir alle unser Leben haben, und wir alle Vollzeit berufstätig sind. Wir haben einfach gar nicht die Zeit, mal eben schnell ein Album zu schreiben. Es gibt viele Bands, die schreiben mal eben 30 Songs, und dann gehen sie ins Studio, und dann wird ausgesiebt. Wir brauchen tatsächlich für elf Songs ein paar Jahre, sobald wir sie voll haben und davon überzeugt sind, dann kommen sie raus.

Wieviel Ausschuss habt ihr jetzt gehabt, oder waren es wirklich nur die elf Lieder, die es auf die Platte geschafft haben?

Einen Song haben wir nicht aufs Album gepackt, allerdings ist der auf der Amnesty-International- Split-Scheibe mit drauf. Wir haben aber noch viele Snippets rumliegen. Wir machen das immer so, dass wir schon vorher die Sachen rauswerfen, wenn wir merken, der geht schon jetzt in die falsche Richtung. Dann kommt der auf die Müllhalde. Wie wir es schaffen, das alles zu organisieren? Wir müssen da natürlich auch mit vielen Partnern zusammenarbeiten, unserem Label, unserem Booking, unserem Management, die nehmen uns das ab. Die bekommen dafür natürlich Geld, aber anders würden wir das niemals selbst gestemmt bekommen. Ein eigenes Label gründen, so wie die Donots, und alles in der eigenen Hand haben, das könnten wir wirklich nur machen, wenn wir  mit der Band genügend Geld verdienen würden.

Und konkret organisatorisch – trifft man sich zu einem Probenwochenende, und fährt zusammen weg?

Wir sind die Band, die nie probt! (lacht)

…ich dachte, das wären Itchy

Die auch? Proben sind bei uns tatsächlich super selten. Wir haben nicht mal einen eigenen Proberaum!  Es lohnt sich für uns nicht, denn Proberäume sind teuer. Wir brauchen nur einen Ort, wo wir unser Equipment unterstellen können, und wenn es auf Tour geht, dann gibt es meistens ein Proben-Wochenende. Da gehen wir dann von Proberaum zu Proberaum und zecken uns immer bei anderen Bands ein. Zum Glück sind wir immer noch relativ fit  an unseren Instrumenten, dass wir das hinkriegen, aber wir könnten viel, viel besser sein! (lacht)

Kommen wir zur neuen Platte: Erst einmal herzlichen Glückwunsch zum mehr als gelungenen „Twist“ – unserem Album des Monats November!

Ja, geil! Habe ich  gelesen!

Ich habe eigentlich fast durchgehend positive Kritiken gelesen, wie sehr freut man sich, wenn man nach fünf Jahren Pause doch relativ freudig begrüßt wird?

Sehr! Zum einen, weil wir gar nicht richtig Zeit hatten, uns auf den Release-Tag vorzubereiten, es war so unglaublich viel zu tun. Wir haben überhaupt nicht drüber nachgedacht, dass um 00:00 Uhr die Platte erscheint, es gab auch keine Release-Show oder ähnliches. Wir sind mit den ganzen Reaktionen aber dahingehend sehr zufrieden, weil „Twist“ genau das hervorgerufen hat, was wir gehofft haben, nämlich dass es ein bisschen polarisiert – da passiert ja unglaublich viel auf diesem Album. Man hat schon wirklich gemerkt, dass die Reviews immer überschwänglich waren. Gut, es gab hier und da auch mal einen Verriss…

…die waren aber sehr homöopathisch dosiert…

…das fand ich auch, und es hat uns total gefreut, dass manche geschrieben haben, das ist unser bestes Album,  weil unser erstes Album, weil es das erfolgreichste ist,  hängt  immer noch ein bisschen nach. Ich habe mir „Twist“ letztens sogar noch selbst angehört, das hab ich noch nie gemacht!

Kommen wir zu den Texten: Wie oft hattest Du schon Lust auf Mord, bist Misanthrop, der unter seinem Fenster liegt und wie oft warst du schon klischeemäßig „zusammen“ – oder anders gefragt: Wie persönlich sind Deine Lyrics oder sind die allesamt fiktiv?

Mhm, ich habe schon eine stark ausgeprägte misanthropische Ader in mir, das muss ich leider sagen, sonst kämen solche Texte natürlich nicht zustande. Ich kämpfte da aber gegen an. Ich sehe das nicht als erstrebenswertes Lebensgefühl an. Die Musik ist da ein Ventil, das hilft mir natürlich. Da ist schon sehr viel von mir mit drin, und viele meiner Beobachtungen, die ich im alltäglichen Leben sammle. „Unter meinem Fenster“ ist mir in der Form tatsächlich genauso passiert.

Ihr lauft musikalisch immer noch unter dem Label „Punkrock“, davon gibt es auf Twist nur ein paar wenige klare Nummern, tatsächlich ist ein großer Teil auch weit entfernt davon. Wie würdest Du Euren aktuellen musikalischen Kompass beschreiben?

Ich sage mittlerweile immer deutschsprachige Gitarrenmusik. Für uns als Band ist es einfach wichtig, dass wir keinen besonderen Stempel aufgedrückt bekommen, und ich glaube, das schaffen wir mit diesem Album ganz gut. Alle müssen für sich selbst entscheiden, was ist für mich Punkrock? Wenn wir für die noch Punkrock sind: So what? Wir selbst sehen uns als Gitarrenband.

Wenn man die ersten zwei Platten im Vergleich hört, ist „Twist“ nicht nur musikalisch deutlich anders unterwegs, auch Dein Gesang ist wesentlich anders gestaltet, gerade bei den rockigen Nummern. Ich muss gestehen, dass ich sie bei den alten Liedern manchmal ein wenig anstrengend fand. Wie kam es zum anderen Stimmeinsatz?

Zum einen war es wirklich so, dass es wahnsinnig anstrengend ist, und auch nicht so geil für die Stimme ist, wenn man die ganze Zeit nur schreit. Es gibt die älteren Songs,  da feuere ich die ganze Zeit nur raus. Mittlerweile ist es schon so, dass ich auf die Setlist gucke und denke: Puh, jetzt kommt der schon wieder! Da habe ich nicht mehr richtig Bock drauf, und ich selbst höre  gar nicht so eine Musik. Da war einfach ein logischer Schritt, und ich finde, wenn man es einigermaßen hinbekommt, auch einen Ton zu treffen, dann bringt es ja auch einfach mehr Spaß.

Wie in meiner Plattenkritik beschrieben, braucht es a) ein gutes Zuhören und b) ein wenig Hintergrundwissen, um all die Ironie in Deinen Texten zu verstehen – in meinen Augen am besten gelungen bei „Schmerz“. Hast Du beim Schreiben keine Angst, dass dieser Wortwitz und die Doppeldeutigkeit bei vielen Hörenden untergeht und/oder nicht verstanden wird, oder -was viel schlimmer wäre- es gar Applaus von der falschen Seite gäbe?

Bei Applaus von der falschen Seite sehe ich, wenn ich die Songs durchgehe, die Gefahr nicht, dass ein Song vereinnahmt werden kann, wie zum Beispiel bei Madsen, wo die NPD auf irgendwelchen Veranstaltungen „Du schreibst Geschichte“ gespielt hat. Madsen sind ja nun alles andere als rechts! Da passen wir immer schon drauf auf. Zur Doppeldeutigkeit: Ich find es wichtig, die Hörer*innen  ein bisschen herauszufordern. Man kann natürlich ganz klar sagen, worum es geht, oder man kann auch nur „Wischi-Waschi“ -Texte schreiben, wo man gar nicht weiß, worum es geht, das gibt es auch auf dem Album. „Die Lösung für deine Probleme“ ist relativ deutlich und klar. Auch wenn wir das Wort AFD nicht aussprechen, weiß nun wirklich jeder, worum es geht. Bei „Und dass Du bleibst“, ein komplett persönlicher Song, versteht kaum ein Mensch, worum es eigentlich geht. Insgesamt glaube ich, dass wir mit der Doppeldeutigkeit zwar herausfordern, aber die Menschen wissen, wofür wir stehen – beim ersten Album wäre es vielleicht  anders gewesen.

Kommen wir zu einem weiteren Song mit Doppeldeutigkeit: „Unangenehm“ ist beim Hören genau das: unangenehm. Ich gebe zu, dass ich auch mehrere Anläufe gebraucht habe, um den zu verstehen. Gab es schön böse Kommentare von Freiwild- oder Onkelz-Fans, die ja stets dazu tendieren, ihre Bands massiv zu verteidigen?

Tatsächlich nicht direkt auf den Song. Wir werden generell sehr viel auf diesen Song angesprochen, und Du bist auch nicht der einzige, der sich das nochmal ganz genau anhören musste. Es gab  vor kurzem eine Morecore-Podcast-Folge mit mir, und die haben die Headline gewählt, als ich gesagt habe,  Onkelz-Dokus sind so, wie  einen Unfall anzusehen. Ich rede in dem Podcast jetzt nicht besonders gut über die Onkelz, es ist trotzdem ein bisschen aus dem Kontext gerissen, und diese Headline hatte nach zwei Tagen schon 830 Kommentare und, dann kam der Onkelz-Mob auf unsere Facebook-Page rübergeschwappt und die kamen schon wütend rüber. Von den Onkelz kommt der Gesang am ehesten durch, aber es sind noch ein paar andere Bands mit reingeflossen.

Ihr zeigt u.a. mit „Die Lösung für deine Probleme“ oder „Professoren“ klare politische Kante gegen rechts. Könntest Du Dir vorstellen, auch zu anderen politischen Themen wie Ukraine- oder Israel-Krieg Songs zu schreiben, oder eignen sich bestimmte Themen für Eure Art der Unterhaltung nicht?

Ich denke, es gibt wirklich Grenzen, gerade so etwas wie der Nahost-Konflikt. Da bin der der Meinung, dass es Dinge gibt, die kann man nicht gut in einen Song pressen. Natürlich könnte man versuchen, sich die Arbeit zu machen, aber warum sollte man das? Wir wollen für eine klare Meinung stehen, dass wir gegen jede Form von Krieg und Gewalt sind, aber so komplexe Themen kriegst du in einem Drei-Minuten-Song trotzdem einfach nicht abgehandelt. Deswegen haben wir uns gewisse Grenzen gesetzt, und bestimmte Themen nicht anzufassen. In Interviews kann man mit uns darüber sprechen, oder wenn man irgendwie die Möglichkeit hat, sich breit zu äußern, dann gerne, aber nicht in der Musik!

Jetzt seid Ihr mit den Donots auf Tour, die ebenfalls auf eine große und sehr loyale Fanbasis blicken. Wie wurdet Ihr auf den ersten Shows aufgenommen?

Vom Donots-Publikum  wurden wir sehr, sehr gut aufgenommen, das hatten wir aber auch erwartet, weil das matcht einfach unglaublich gut, weil es musikalisch schon immer gepasst hat. Mit den Donots verbindet uns auch eine längere Geschichte, wir haben eine schöne Split zusammen rausgebracht, es sind gute Freunde von uns…

…Ihr wart ja auch beim Münster-Slam vor ein paar Jahren zu Gast…

…genau, das könnte 2016 gewesen sein! Daher haben wir das schon erwartet,  dass wir jetzt nicht mit Eiern beschmissen werden,  oder dass die da einfach nur so rumstehen. Die Konzerte laufen total fantastisch. Ingo [Donot] kam auf uns zu und meinte, so etwas sei bisher noch nicht auf dieser Tour passiert, dass die Vorband das Publikum schon so auf die eigene Seite ziehen kann!

 Wie unterscheidet sich Euer Set (abgesehen von der Länge) bei diesen Support-Shows von denen auf der Frühjahrs-Headliner-Tour?

Man merkt jetzt schon in diesem kurzen Programm, dass „Twist“ voll eine Kerbe reinsteckt. Wir spielen noch nicht viele neue Songs, tatsächlich sind es nur drei, aber man merkt total -auch durch den Einsatz des Klaviers, dass es auf einmal viel mehr Höhen und Tiefen gibt, und das finden wir total schön, dass man nicht immer nur die ganze Zeit durchballert. Dass auch das Publikum eine gewisse Verschnaufpause kriegt, und man mehr Emotionen, als nur ´ne dieses Gewaltvolle bekommt. Das wurde uns auch schon gespiegelt, nach den letzten Konzerten, dass das als sehr angenehm empfunden wird.

Und im Frühjahr gibt es die Platte dann komplett?

Nicht ganz komplett, glaube ich. Wir wissen jetzt schon, dass wir viele Songs von der neuen Platte spielen werden, die sind teilweise so geschrieben sind, dass die sich live gut eignen!

Zum Schluss noch eine Frage zu deiner Ex-Band Frau Potz: Ihr habt eine Sache mit „Wir sind Helden“ gemeinsam – seit mehr als zehn Jahren verschollen, aber nie wirklich aufgelöst. Was sagt Dein Gefühl: Gibt es irgendwann die offizielle Scheidung, oder wird es noch einmal eine Zusammenarbeit geben?

Ich frage mich immer: Warum muss es eine offizielle Scheidung geben? Ich weiß gar nicht, ob das  etwas ist, was man jetzt zu erwarten hat. Wir wissen es nicht! Ich glaube ehrlich gesagt nicht an eine Reunion, was ich aber nie ausschließen werde ist, dass wir mal für eine ganz bestimmte Geschichte auf einmal kurz auftauchen. Für ein Konzert zum Beispiel, weil wir verstehen uns ja weiterhin gut. Wir haben jetzt alle unsere eigenen Leben, und wohnen in ganz unterschiedlichen Orten. Es gab hin und wieder Situationen, wo uns das entweder angeboten worden ist, und wir zumindest mal darüber gesprochen haben und überlegt haben. Oder dass ich in mir drin dachte: Das wäre jetzt auch ganz geil, einfach mit Frau Potz aufzutauchen, einen Tag vorher zu anouncen, dann spielen, und dann einfach nichts mehr dazu sagen. Aber eine Reunion mit Tour und Album wird es nicht geben, das kann ich hier schon sagen!

Dann  danke ich auch erstmal für das Gespräch und wir sehen uns gleich bei der Show!

Gerne und bis gleich!

 

Hier könnt Ihr übrigens lesen, wie das anschließende Konzert lief.

TWIST Tour 2024

21.02. Bremen, Schlachthof
22.02. Hannover, Musikzentrum
23.02. Jena, Kassablanca
24.02. Karlsruhe, Substage
27.02. München, Muffathalle
28.02. Berlin, SO 36
29.02. Hamburg, Große Freiheit 36
01.03. Köln, E-Werk
02.03. Wiesbaden, Schlachthof
20.04. Osnabrück, Popsalon Festival

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Fotocredit: Wollo@Whiskey-Soda

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