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Wired For Madness

„Widerstand ist Zwecklos!“ war der Leitspruch der alles assimilierenden Spezies „Borg“ aus dem Star Trek Universum. Irgendwie erinnert das Cover des neuen Solo-Albums „Wired For Madness“ des Dream Theater Tastenvirtuosos Jordan Rudess an das Outfit dieser Borg. Assimiliert der 62-jährige Amerikaner jetzt alles und jeden im Namen des Prog-Metals? Wir waren mutig und haben es gewagt, Jordan Rudess dahin zu folgen, wo noch kein Keyboarder zuvor gewesen ist.

Teilweise stimmt dieser Spruch sogar, denn neben den fast zu erwartenden musikalischen Gästen wie James LaBrie und DT-Gitarrist John Petrucci oder Prog-Kollegen wie Drummer Marco Minnemann (The Aristocrats, The Sea Within) ist beispielweise auch Blues-Spezialist Joe Bonamassa mit an Bord.

Rudess ist ein musikalischer Allrounder, der nicht nur bei Dream Theater spielt, sondern in den letzten 20 Jahren auch einige Solo-Projekte am Start hatte. Entsprechend ist streift das neue Album erwartungsgemäß eine Vielzahl musikalischer Genres: Progressive Rock und Metal treffen auf Blues, Jazz und beinahe avantgardistische Parts. Große Teile des Albums sind rein instrumental gehalten, so gibt es beim zweiteiligen, epischen Titeltrack nur ein wenig Vocals zwischendurch. Dieser Opener bildet mit insgesamt über 30 Minuten Länge das zentrale Herzstück des Albums und schwimmt mutig von Genre zu Genre. Jazzige Parts treffen auf knarzige Gitarrenriffs, fast schon Big-Band-artige Parts, epische symphonische Melodien und natürlich immer wieder auf die typischen verspielten Rudess’schen Keyboard-Attacken. Man hört, dass der Musiker hier keinerlei Kompromisse, wie sonst in einer Band üblich, eingehen musste, sondern eben völlig entfesselt loslegt.

Manchmal wirkt dieser unglaubliche Stilmix schon fast etwas zu viel des Guten, da folgen so viele sich abwechselnde Genres in kürzester Zeit aufeinander, dass man fast den Überblick verliert. Aber eben auch nur fast. Es gehört eine Menge musikalischer Offenheit dazu, um „Wired For Madness“ wirklich komplett genießen zu können. Aber wer auf verquere Prog-Jazz-Fusion-Big-Band-Blues-Metal-Pop-Eskapaden abfährt oder einfach nur einem Tastenvirtuosen lauschen mag, kommt bei den beiden Titeltracks Part 1 und 2 voll und ganz auf seine Kosten.

Die sechs weiteren, wesentlich kürzen Songs des Albums sind da griffiger, weitaus kompakter, aber ebenso von hoher Qualität. Sperrig wird es dennoch oft genug, abwechslungsreich ist das sowieso, und die Qualität der Performance ist über jeden Zweifel erhaben. Rudess wirkt komplett entfesselt. Wird er bei Dream Theater durch das Gesamtkonzept der Songs noch immer wieder gezügelt, kennt er hier keine Gnade mehr. Widerstand ist in der Tat vollkommen zwecklos.

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