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Wild Nights

‚Too Little Too Late‘ heißt ein Song auf ‚Wild Tales‘, dem zweiten Album von PINS. Die Band aus Manchester führt ihn exemplarisch an, wenn man sie nach dem Kerngefühl der Platte fragt; schließlich habe das Texten ein kathartisches Schlüsselerlebnis in Gang gesetzt. Wie heiße Lava aus einem Vulkan habe es die Lyrics aus ihnen emporgeschleudert. Als Mittelfinger an die Welt sei es gedacht, und, und, und. Man sei schließlich wütend gewesen. Wütend? Ach ja? Allerhand.

Soll bedeuten: Gut, dass sie es erwähnen. Anderenfalls hätte man es wohl überhört. ‚Too Little Too Late‘ haftet nämlich kaum Wildes an – genau wie den ‚Wild Tales‘ im Übrigen auch.

‚I forgot to say happy birthday / I hope I didn’t spoil your party‘

, sagt Sängerin Faith Vern jene Verse auf, die sich da unter anderen so kraftvoll Bahn gebrochen haben sollen. In einem Tonfall, der an den kleiner Kinder erinnert, die von einem Erwachsenen aufgetragen bekommen, einer Zankerei per Entschuldigung Einhalt zu gebieten. Das Kind weiß aber noch gar nicht so recht, was es mit so einer „Entschuldigung“ genau auf sich hat und deutet die bestenfalls von Einsicht gekrönte Geste des Entschuldigens als rein verbal vermittelte, hilfreiche Zauberformel, dicke Luft im Nu zu verdünnen. Hex, hex!

PINS sehen ihre Zauberformel, wie es scheint, im bloßen Einspielen von gefuzzten Gitarren und Aufläufen in Saint-Laurent-Zwirn. Den Freibrief, halbstarke Seitenhiebe als rassige Statements zu verkaufen und ihre Musik so zu bezeichnen, wie es ihnen gerade beliebt. Man ist immerhin eine Band. Dark Pop, Post-Punk, irgendwie so in die Richtung. Haut schon irgendwie hin? Nein, haut es nicht: Schon beim uninspiriert-verspielten ‚Young Girls‘ haben PINS gänzlich andere Saiten aufgezogen. Alles weitere an Songmaterial widerlegt sich mit belanglosen lyrischen Kleckereien und bedrohlich zunehmender musikalischer Beliebigkeit selbst. Man muss schon beide Augen zukneifen, mit gutem Willen vollgepumpt sein und ein Alleinstellungsmerkmal herbeihalluzinieren, um PINS in ihrer jugendlich verzerrten Selbstwahrnehmung zu bestätigen.

‚Wild Nights‘ verkörpert schlechterdings die Schlagseite von Unaufgeregtheit. Die hat dann mehr mit Starre zu tun als mit Coolness. Mehr mit Fassade als mit Attitüde. Mehr mit Wollen denn mit Können. Und so klampfen sich die vier Mädels ohne nennenswerte künstlerische Wertschöpfung geradewegs auf den Ablagestapel mit der Beschriftung „Alben, die man 2015 nicht gehört haben muss“. Schämen müssen sie sich dafür freilich nicht. Sie sind ja dort nicht allein. Alles andere als das.

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