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Voivod – Drei Klassiker kommen zurück


Legen wir also los… here we go!

Nachdem das chaotische und legendär schwerverdauliche (aber dennoch schweinisch geile) Debüt „War And Pain“ bei Metal Blade erschienen war und diese Partnerschaft die Band trotz guter Verkaufszahlen in Schulden getrieben hatte, erschien dank Vermittlung von Celtic Frosts Thomas Fischer das zweite Album „RRRÖÖÖAAARRR“ beim Berliner Label Noise Records. Die Haupteinflüsse auf „RRRÖÖÖAAARRR“ hießen nach wie vor Venom, NWOBHM, Crust-Punk und US-Hardcore, ein ordentliches Mass an Chaos ist demnach immer noch garantiert. Unüberhörbar hatte aber auch die erste Welle an Thrashbands, speziell Slayer und die erwähnten Celtic Frost, ihren Eindruck hinterlassen. Nicht umsonst heißt ein Song gar ‚Thrashing Rage‘. So richtig passt allerdings selbst dieser Song nicht hundertprozentig in die Genrekonventionen. Die unorthodoxe, schräg-disharmonische Gitarrenarbeit von „Piggy“ war aber klar anders als alles Andere im Thrash-Bereich. Die jazzigen Akkordfolgen und Experimente mit offenen Stimmungen waren deutlich an King Crimson oder Can angelehnt und die unerwarteten Breaks, die sich auch durch den Rest des Albums zogen, machten das ungestörte Durchbangen schon damals fast unmöglich. Aber in ‚Korgüll The Exterminator‘, ‚Build Your Weapons‘ oder speziell ‚To The Death‘ gibt es tatsächlich sogar eingängige, mitgröhlbare „Refrains“, weshalb das Album damals in eine Reihe mit frühen Extrem-Knüppel-Klassikern „Morbid Tales“ (Celtic Frost) oder „Obsessed By Cruelty“ (Sodom) gestellt wurde und unter Thrash-Fans automatisch Kultstatus erreichte.

Das nächste Studiowerk hieß „Killing Technology“ und stellte einen deutlichen Bruch mit den Vorgängern dar. Dank der sauberen Produktion von Noise Records – Stammproduzent Harris Johns und der deutlich verbesserten musikalischen Fähigkeiten der Band kamen die schon immer latenten experimentellen und progressiven Einfälle von Voivod erstmals so richtig zur Geltung. Teilweise ist man damit recht nahe an der Techno Thrash-Bewegung, die zur gleichen Zeit an Bedeutung gewann. Auch Snakes Vocals verdienen erstmals die Bezeichnung Gesang. Statt nur an Cronos und Tom Araya orientierte er sich stimmlich nun auch zusehends am ätzenden Gemeckere von Jello Biafra oder John Lydon, inklusive deutlich melodischerer Gesangslinien. Harris Johns hatte die Band auch mit der Sampling-Technik vertraut gemacht, was diese auch bereits begann, nach Herzenslust auszunutzen. Deshalb tauschen auf „Killing Technology“ erstmals die prägenden verzerrten Vocals, Roboterstimmen und Industrial-Elemente auf. Dennoch ist „Killing Technology“ wahrscheinlich das purste Thrash-Album, das Voivod je abgeliefert haben und deshalb für Genre-Fans unumgänglich. Das Remaster enthält übrigens als Bonustracks (wie die originale CD-Version auch) die beiden Songs der „Cockroaches“-Maxi, die stilistisch wie qualitativ perfekt zum Rest passen. Die Vinyl-Ausgabe muss leider auf sämtliche Bonusstücke verzichten, hier wird akkurat das Originalalbum reproduziert.

Mit „Dimension Hatröss“ gerieten Voivod schon zum ersten Mal mit den Szenewächtern aneinander. Nicht nur hatte die Band klar das Tempo und die Heaviness gedrosselt, der komplette Sound präsentierte sich nun aufgeräumter und nutzte den Thrash Metal nur noch als Ausgangsbasis. Stattdessen wurden die progressiven Elemente in den Vordergrund gestellt, und die Begeisterung für Einstürzende Neubauten und P.I.L. war in jedem einzelnen Song des Konzeptalbums zu vernehmen. Psychedelische und abwechslungsreiche Gesangslinien, elektronische Elemente und seltsame Geräuschkulissen waren dieses mal genauso wichtig wie Double Bass-Drums und punkiges High-Speed-Riffing. Von beidem gab es aber immer noch genug, um Voivod den Zuspruch der Indie-Szene oder des Mainstream zu verwehren. Auf Songs wie ‚Tribal Convictions‘ und ‚Microsolutions To Megaproblems‘ ist definitiv bereits der Stil der nachfolgenden „Prog-Trilogie“ zu vernehmen. Doch das ist eine andere Geschichte, obwohl zumindest der Nachfolger „Nothingface“ in Deutschland ja immer noch über Noise aufgelegt wurde.

Kommen wir nun zum Bonusmaterial. Das ist, wie oben schon erwähnt, bei allen drei Alben außerordentlich üppig ausgefallen. Im Falle von „RRRÖÖÖAAARRR“ gibt’s auf der Bonus-CD das „No Speed Limit“-Tape, welches damals an Mitglieder des Iron Gang-Fanclubs verkauft wurde. Schwer kultig, aber Otto Normalkäufer sollte sich schon darüber im Klaren sein, daß es sich dabei um einen auf Kassette aufgenommenen Soundboard-Mitschnitt einer eher noch semiprofessionellen Kapelle aus dem Jahr 1986 handelt. Fans hingegen werden sich aufgrund der wüsten Energie und einer Frühversion von ‚Ravenous Medicine‘ schlicht einnässen – und haben mit Sicherheit auch schon schlechtere Mitschnitte goutiert. Die DVD ist qualitativ hingegen wohl nur für Experten geeignet – für die aber höchst interessant. Der Audiopart des Silberlings besteht neben dem Vorproduktionsdemo von „RRRÖÖÖAAARRR“, Proberaummitschnitten und einer von 1980 stammenden Geräuschcollage von Piggy vor allem aus dem, ebenfalls seinerzeit von der Band als das „Anachronism“-Tapedemo verkauften Mitschnitt des allerersten (!) Voivod-Gigs von 1983. Der bestand bis auf ‚Voivod‚, ‚Blower‘ und dem „Metal Massacre“-Beitrag ‚Condemned To The Gallows‘ ausschließlich aus Coversongs von Judas Priest, Motörhead, Tank, Sweet Savage, Raven, Budgie, Venom und A II Z (!). Leider ist hier der Sound – wie auch, offen gesagt, die Performance der jungen Burschen – wirklich außerordentlich dürftig ausgefallen. Im Videoteil finden sich dann vier weiter Bootleg-Mitschnitte, die zwischen „halbwegs vernünftig“ (Jonquiere High School) und „what the fuck“ (Long Beach) schweben und doch eher dokumentarischen Wert haben.

Auch „Killing Technology“ enthält eines der Iron Gang-Livetapes als Bonus-CD, diesmal „Spectrum“, welches im, ähem, Spectrum im Montreal mitgeschnitten wurde. Die Qualität ist auch hier wieder ziemlich ordentlich, wenn auch natürlich dem Alter und der Quelle der Aufnahmen entsprechend. Die ersten fünf Minuten des Openers ‚Killing Technology‘ fehlen, wie auch auf dem Originaltape, ansonsten ist der komplette Gig verewigt. Die DVD ist wieder eher für Spezialisten, wenn auch die Bild- und Tonqualität im Schnitt ein gutes Stück besser als auf „RRÖÖÖAAARRR“ daherkommt. Fünf Bootlegvideos, wobei der Mitschnitt aus Tuttlingen durchaus ansehnlich ausgefallen ist. Dazu die üblichen Slideshows mit Artwork und Fotos und ein weiteres, Audio-Only Iron Gang-Tape „Live At Bruxelles“, welches aber auch eher maue Qualität hat, ergeben zusammen über sechs (!) Stunden Extramaterial.

Als Bonus-CD zu „Dimension Hatröss“ gibt’s erneut ein Iron Gang-Tape, diesmal „A Flawless Structure“, welches soundtechnisch eindeutig am Besten ausgefallen ist und auch regulären Metalfans durchaus munden sollte. Mit dem Dead Kennedys-Cover ‚Holiday In Cambodia‘ ist sogar ein nicht als Studiofassung veröffentlichter Song enthalten. Die DVD enthält diesmal „nur“ knapp fünf Stunden an Material, wieder vier Bootlegvideos, zwei Slideshows und das Albumdemo, anhand dessen man erkennen kann, wie klar die Vision der Band für „Dimension Hatröss“ schon im Vorfeld definiert gewesen war.

Alle drei Re-Releases werden übrigens trotz Bonusmaterial für knapp 13-15 € (je nach Anbieter) verkauft, weshalb man die teils eher grenzwertige Qualität der Videos absolut verschmerzen kann. Immerhin muss man loben, daß Voivod absolut gnadenlos und wertfrei alles, was an Bootlegmaterial so in der Szene herumkreucht und -fleucht hier versammelt haben. Nimmt man die Metal Blade-Wiederveröffentlichung von „War And Pain“ und die Alternative Tentacles-Version des „To The Death“-Demos noch hinzu, hat man also lückenlos alles, was Voivod in der Frühphase je veröffentlicht haben. Lediglich die Videoclips hätte man ruhig noch mit draufpacken können, aber die gibt es ja schon auf der „D-V-O-D-1“-DVD. Fazit: so müssen Re-Issues aussehen. Metallica haben für die sound- und bildtechnisch auch nicht unbedingt wertigeren „Kill Em All“ und „Ride The Lightning“-Boxen immerhin den sechsfachen Preis aufgerufen…

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