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SUMMER BREEZE 2018 (1) – Von Chartstürmern, Schamanen und Wolfspriestern

Mittwoch am frühen Abend ging’s mit den Isländern Auðn (ausgesprochen: Öüthün) los. Ganz in edlem schwarzem Zwirn aber mit jeder Menge Power brachten die Skandinavier mit ihrem intensiven Black-Metal mit einer gewissen Nähe zu Solstafir (wenn auch um einiges härter) die Camel-Stage (dieses Jahr deutlich vergrößert und überdacht) zum vibrieren. Vor allem Sänger Hjalti Sveinsson beeindruckte durch seine krassen Screams. Doch keine Zeit, nur einen Steinwurf entfernt stand die erste Todesmetall-Feldhaubitze bereit, um ordentlich die Dinkelsbühler Felder zu beharken.

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Die Kanadier Kataklysm, ehrfürchtig beliebt für ihre heftigen Blastbeats und seit rund zwanzig Jahren auf den Brettern der Welt unterwegs, waren quasi direkt aus dem Flieger müde auf die Bühne gestürmt, das ist echte Leidenschaft! Und auch wenn Sänger Mauricio Iacono noch extra betonte, daß sie einfach seit Beginn ihrer Musikerlaufbahn und trotz zahlreicher Rückschläge Fans und Metalheads geblieben seien, das war ohnehin jede Sekunde des Auftritts zu spüren. Der Sound, beim Summerbreeze traditionell immer sehr gut, beeindruckte tatsächlich auch dieses Jahr wieder mit voller Wucht und großer Klarheit. Das Publikum ließ es sich nicht nehmen, die Herausforderung des Frontmanns anzunehmen, den Rekord-Circlepit der Band von den diesjährigen Metaldays in Slowenien in den Schatten zu stellen. Es wurde zwar nicht mehr geklärt, ob das deutsche Publikum den Turbo-Kreisel in den Schatten stellen konnte – beeindruckend war er allemal, wie auch die komplette Show, in dem die Kanadier 20.000 Mann sprichwörtlich wegballerten.

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Ram aus Schweden gehören definitiv zu den Bands der neueren Welle klassisch orientierter Metalbands, denen durchaus die Nachfolge einiger großer Namen zuzutrauen ist. Obwohl bereits 1999 gegründet, hat das Quintett besonders in den letzten Jahren nochmal im Rahmen einer „Rückbesinnungs-Welle“ (Striker, Night Demon, Visigoth und andere) in der Metalszene ordentlich Fahrt aufgenommen. Die spannende Frage, die momentan die Szene bewegt ist natürlich schon, was kommen wird, wenn in den nächsten 20 Jahren die ganz Großen wie Judas Priest, Iron Maiden und Konsorten altersbedingt abtreten werden. Die Fackelträger wie Ram empfehlen sich jedenfalls für diese Aufgabe, mit großer Spielfreude, jugendlicher Frische und der genau richtigen Mischung aus moderner Herangehensweise und traditioneller Orientierung.

Dann stand mit Sepultura der erste große Name an – und wie das bei großen Namen so ist, man denkt: Kenn ich schon, passt schon. Doch bei diesem Auftritt konnten die brasilianischen Metal-Legenden nicht nur überzeugen, sondern einen von Anfang bis Ende perfekten Auftritt abliefern. Hinter der T-Stage ging gerade die Sonne unter, als das Intro aus Bass und Orgel ertönte und kurz darauf die Südamerikaner die Bühne zum Beben brachten. Sänger Derek Green, der damals in die riesigen Fußspuren von Metal-Veteran Max Cavalera treten musste, feierte auf den Tag genau sein zwanzigsten Geburtstag als Frontmann der Groove-Thrasher. Zwei Jahre sind Sepultura bereits mit ihrem aktuellen Album „Machine Messiah“ auf Tour, dessen überdimensionales Artwork-Backdrop sich im Hintergrund der großen Festivalbühne und im bunten Bühnenlicht besonders plastisch, beinahe lebensecht machte. Der tatsächlich untadelige Sound und die rohe Energie der vier Thrasher, wobei Drummer Eloy Casagrandes Power eine besondere Erwähnung verdient, ließ den Strom von der Bühne nahtlos ins Publikum fließen. Zu ‚Ratamatatta‘ und ‚Roots‘ hüpften 20.000 Metaller zum Rhythmus auf und ab – manch einer machte wohl in Gedanken eine Reise zurück in die eigene Jugend.

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Ein kurzer Abstecher zurück zur Camel-Stage bescherte demjenigen, der nicht eine kleine Pause brauchte, einen rohen, dreckigen Auftritt der Jungs von Warbringer, die auch mit gemeinsam mit Sepultura auf Tour sind und noch einige kleinere Hallen und Clubs besuchen werden. Zum Nachwuchs in der Thrash-Szene zählen die Amerikaner schon lange nicht mehr, auch wenn sie in puncto Bekanntheit in der dritten Liga spielen. Nicht jedoch im Bezug auf die Power – Warbringer klingen rauh, punkig und rotzig – so wie der Thrash in seiner Kindertagen war. Perfekter Sound also zum Weiterknüppeln!

Um halb elf standen dann noch als Abschluss die britischen Paradise Lost an, da am Mittwoch die Mainstage noch nicht bespielt wurde. Die Engländer haben sich mit dem letzten Album „Medusa“ stilistisch wieder sehr stark zu ihren Wurzeln orientiert. Natürlich sind die Jungs nach wie vor für eine ordentliche Show gut und dementsprechend was das „Battlefield“ vor der T-Stage auch besucht. Nach dem explosiven Auftritt von Sepultura tat der doomig-gemächliche Auftritt zwar gut, um etwas zu entspannen. Dennoch: Wer wie der Autor dieser Zeilen die Klassiker der 90er erwartet hatte, bekam eine „andere Band“ zu sehen. Auch der Sound war je nach Standort etwas schwammig, was Nick Holmes natürlich nicht hinderte, sein Ding souverän durchzuziehen. Zum Abschluss des Festival-Mittwochs wurde der eine oder andere ältere Fan dann zwar doch noch mit „Shadowkings“ und „Say Just Words“ teilweise versöhnt, als legendär wird dieser Auftritt jedoch nicht in Erinnerung bleiben.

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Am Donnerstag gab es Punkrock zum Frühstück: Um 11 Uhr eröffneten die Backyard Babies die am Mittwoch noch nicht geöffnete Mainstage und beschallten nicht nur das Battlefield vor der Bühne, sondern auch den Campingplatz. So war der Auftritt für die einen ein perfekt-launiger Live-Musik-Wecker, für die anderen das morgendliche Fitnessprogramm, egal ob im Geiste oder in tatsächlicher Ausführung in perfekter akustischer Ausführungt. Ein launiger Start in den zweiten Festivaltag!

Obscura feierten mit der Metalgemeinde in Dinkelsbühl dann am frühen Nachmittag ihren ersten Charteinstieg der Bandgeschichte mit dem neuen, kürzlich veröffentlichten Album „Diluvium“. Beste Laune und exzellente musikalische Fähigkeiten der vierköpfigen Band aus dem nahen Landshut machten den Auftritt der Tech-Deather nicht nur für den Autor dieser Zeilen zu einem der Festival-Höhepunkte. Wenige andere Bands weltweit verstehen es dermaßen, den Verehrer progressiver Todesmetall-Klänge zu erfreuen: Komplexe Bass-Intros von Linus Klausenitzers Sechssaiter, abgefreakte Gitarrensoli von Musikhochschukl-Absolvent Rafael Trujillo und die spacigsten Drumm-Fills, gepaart mit jeder Menge Double-Bass-Druck von Schlagmann Sebastian Lanser. Dazu Frontmann Steffen Kummerers sympathische Interaktion mit dem Publikum und natürlich verzücktes Gemoshe und derbes Geknüppel. Tech for President!

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Am Abend sorgten die Saarländer Powerwolf auf der Mainstage für Scharen von anströmenden Metalfans. Seit Jahren hat sich der Wolf-Fünfer mit harter Arbeit und starker Live-Präsenz eine große Fangemeinde aufgebaut, die mit dem mal folkigen, mal symphonisch angehauchten Powermetal die Massen begeisterten. Die Band zelebrierte ihre ganz eigene Version der heilige Metal-Messe mit solch sakralem Pomp, dass bei vielen Wolfsjüngern das Gefühl entstanden sein dürfte, in den letzten zwölf Monaten nach Weihnachten ein zweites mal in der Kirche gewesen zu sein. Neben altbekannten Songs wurde auch das neue Album „The Sacrament of Sin“ vorgestellt, das es erst wenige Wochen vor dem Summerbreeze auf Platz 1 der deutschen Albumcharts geschafft hatte. Bei den harten Riffs und Orgelklängen der Wölfe dürfte manches Engelchen im Metaller-Himmel seine Harfe gegen eine Stromgitarre eingetauscht haben, um mit Lemmy das neueste deutsche Metall-Wunder zu feiern.

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Wer nach dem Tageshighlight Powerwolf noch nicht satt war, konnte natürlich weiter am schier endlosen Metal-Buffet schlemmen. Auf der T-Stage kamen am frühen Abend alle Oldschool-Deather auf ihre Kosten. Cannibal Corpse zählen nicht von ungefähr zu DEN Kultbands des Genres, und das nicht nur wegen der schockierenden Cover-Artworks und Texte, die regelmässig indiziert wurden, sondern schlicht wegen ihrer musikalischen Härte, mit der sie seit den späten 80ern den Death-Metal mitgeprägt haben. Frontmann „Corpsegrinder“ ist der wohl der am derbsten growlende Headbanger, der bei diesem Summerbreeze auf einer Bühne anzutreffen war und vor der Bühne wurde ebenfalls deftigst abgefeiert. Der hyperaktive oder besonders jugendliche Festivalbesucher konnte sich am Donnerstag natürlich noch jede Menge anderes hochkarätiges Hartgemüse für Augen und Ohren schmecken lassen. Headliner Behemoth feierten einmal mehr eine Messe für ihren dunklen Herrn, für die Freunde deutscher Texte gab’s Die Apokalyptischen Reiter, Eisbrecher und Schandmaul. Die Suicidal Tendencies feierten einen Gutteil ihres elektrisierenden Auftritts sogar mit den Fans AUF der Bühne. Wozu auch Abstand zum Publikum?

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Das mit Sicherheit ungewöhnlichste Happening des Tages, wenn nicht des ganzen Festivals, ereignete sich dann allerdings erst zwei Stunden nach Mitternacht auf der T-Stage mit dem dänisch-norwegisch-deutschen Trio Heilung. „Happening“ deshalb, weil Heilung zwar Musik machen, aber es sich dabei um weit mehr als ein schlichtes Konzert handelt. Kai-Uwe Faust, der deutschstämmige Tattookünstler, der das bestimmendste Drittel der Band ausmacht, bezeichnet sich selbst als Schamane und die „Zielsetzung“ der Musik, den Hörer „wieder in Einklang mit sich selbst zu bringen“. Daher auch der Name Heilung. Betrachtet man das Ganze möglichst nüchtern, dann handelt es sich bei dem Trio um eine perkussions- und gesangslastige, experimentelle Viking-Metal-Band, die mit präzise nachgebildeten Instrumenten, Kostümen und Requisiten Geschichten aus dem eisenzeitlichen Nordeuropa nacherzählt. Quellen sind Runensteine, historische Gedichte oder Artefakte, beschrieben in den Originalsprachen wie Gotisch und Urnordisch, aber auch Englisch, Latein und sogar Deutsch. Ihren Ursprung hat die Band in der Reenactment-Szene, also dem nachstellen und -spielen des Lebens nach historischen Quellen. (Mehr zu den Hintergründen der Band im sehr lesenswerten Interview bei unseren Kollegen von Metal1.)

Auf der Summerbreeze-Bühne wurde das Trio von einem Trupp von Tänzern, Perkussionisten und Kriegern tatkräftig bei ihrem rund 70-minütigen Ritual unterstützt. Natürlich waren aber Faust und die norwegische Sängerin und „Priesterin“ Maria Franz diejenigen, die im Vordergrund standen – mit ihrem Geweih-Kopschmuck nicht nur optisch. Faust beherrscht Kehlkopfgesang und ein so animalisches Keifen, das manchem Black-Metal-Sänger das Blut in den Adern gefrieren lassen dürfte, Franz hat eine engelhaft-liebliche Stimme, die manchmal an die sphärischen Gesänge ihrer Kolleginnen Björk oder Myrkur erinnert.

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Die Reaktionen auf das Spektakel fielen so zahlreich aus, wie es nur ein Auftritt dieser Art kann: Ehrfürchtiges Staunen, belustigtes Schmunzeln, ungläubiges Kopfschütteln, „mit-träumen“ mit geschlossenen Augen, lauter Jubel, schallendes Gelächter und lautstarke Aufforderungen „sich wieder in den Wald zu verkriechen“ – all das war dabei. Wie viel Bedeutung man dem wohl durchaus ernst gemeinten spirituellen Ansatz bei Heilung beimisst, wollen wir hier nicht beurteilen. Ein absolut sehenswertes und denkwürdiges Schauspiel waren Heilung aber auf jeden Fall.

Fortsetzung zu den Festivaltagen Freitag und Samstag folgt in den nächsten Tagen.

 

Text: Daniel Frick & Alex Schaff

Fotos: Christian Appl, Ralf Kowohl, Sonja Frick.

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