Descendents – Comeback Kids
WS: Hypercaffium Spazzinate’ wurde am 29 Juli veröffentlicht. Fast zwölf Jahre nachdem euer letztes Album ‘Cool To Be You’ erschien. Was brachte euch auf den Gedanken ‚hey, wir sollten neue Lieder schreiben und diese aufnehmen‘? Warum gerade jetzt? Ist irgendetwas passiert, dass ihr unbedingt loswerden wolltet oder war es einfach nur der richtige Zeitpunkt, um ein weiteres Album zu herauszubringen.
Descendents: Wir haben immer etwas auf dem Herzen, dass wir loswerden wollen. Aber in diesem Fall gab es tatsächlich ein spezifisches Ereignis, das die Sache losgetreten hat und das war Bills Genesung nach seiner Hirnoperation 2010. Sie haben einen Tumor von der Größe einer Grapefruit aus seinem Gehirn entfernt und danach wurde aus Bill Super-Bill! Wir trafen uns alle als Band wieder, um das freudige Ereignis zu feiern. Milo schrieb gerade an ‚Comeback Kid‘ (über Bills Genesung) und dass brachte uns auf die Idee, letztendlich ein neues Album aufzunehmen…es hat eine Weile gedauert aber am Ende haben wir es geschafft.
WS: Da ihr ja alle in unterschiedlichen Bundesstaaten der USA lebt; wie schwierig war es, die ganzen Songs zusammenzuschustern? Ich habe darüber gelesen wie einige Bands über Skype proben…habt ihr das auch so gemacht?
Descendents: Wir haben viel File Sharing betrieben…aber Bill und Karl haben auch viel zusammen im Proberaum gemacht, da sie in derselben Stadt in Colorado wohnen. Einige Lieder wurden nur von einer Person geschrieben und diese konnten wir dann auch einfach als komplette Demos herum schicken.
WS: ‘Hypercaffium Spazzinate’ ist definitiv ein ungewöhnlicher Name für ein Punk-Album…oder überhaupt ein Album und ich wette, viele Leute werden Schwierigkeiten damit haben, sich richtig daran zu erinnern. Wer kam denn auf die Idee? War es Milo, der in seinem Büro saß und nach einer Formel suchte, wie man übermäßig lange Geschäftstreffen überstehen kann? Wie steht er in Beziehung zu / verknüpft er die einzelnen Titel auf dem Album?
Descendents: Milo versuchte eine stärkere Version von Koffein zu synthetisieren und das Endresultat war Hypercaffium Spazzinate. Die Randbemerkungen auf dem Album beschreiben einige dieser Experimente. Wir schrieben zwar keinen Song über genau diese Sache aber einige Titel beschreiben die Effekte von chemischen Substanzen auf Menschen (‘Feel This‘,‘No Fat Burger‘,‘Testosterone‘,‘Limiter‘), also scheint es zu passen.
WS: Während ich ‘Victim Of Me‘ anhörte, bemerkte ich, dass Milo hier sehr nach Greg Graffin von Bad Religion klang. Beide Bands wurden ungefähr zur gleichen Zeit gegründet, teilen einen ähnlichen Musikstil, beide Sänger haben Karriere in der Biologie gemacht und sie sind auch noch gleich alt. Ist das alles purer Zufall? Waren die Mit-Sechziger eine gute Zeit um internationale Punk-Rock-Legenden, die zu Biologen wurden zu zeugen oder ist das alles genetische Prädisposition…?
Descendents: Ich glaube, dass hat mehr mit Punk an sich zu tun. Punk hat den schlechten Ruf ordinär zu sein, obwohl er tatsächlich kreativer ist, als viele andere Formen des Rock – und offener. Beides bedeutet, dass eine Handvoll Nerds, denen bei Wissenschaft UND Punk einer abgeht, eine Heimat mit anderen Außenseitern finden und beide Seiten ihrer Persönlichkeit entwickeln konnten. Ich glaube, Greg würde mir da wahrscheinlich zustimmen.
WS: Wo wir gerade bei Bad Religion sind: Brian Baker, der Gitarrist der Band, hat sich jüngst mit Bring Me The Horizon – eine weitere Epitaph-Band – angelegt, weil sie auf dem Ressurrection Fest in Spanien besondere Privilegien für sich in Anspruch nahmen. Beispielsweise nicht von der Security belästigt zu werden oder jeden mit in den Backstage-Bereich mitzunehmen. Im Gegenzug nannten sie ihn einen ‘alten, faltigen Bastard‘, der sich lieber um andere Dinge kümmern sollte, ‘wie deine Rente oder das Wetter‘. Um es kurz zu machen: ist es das, was aus der Punk-Rock-Szene geworden ist? Kein gegenseitiger Respekt? Die alten gegen die jungen? Oder gab es in Wahrheit niemals eine einheitliche Szene? Wahrscheinlich eine Frage so alt wie der Punk an sich…
Descendents: Die Lektion lautet: leg dich nicht mit Brian Baker an…dieser Typ ist krass, er wird dich unter den Tisch denken. Ja, wir alle kommen ein bisschen in die Jahre aber ich würde behaupten, beim Punk ging es schon immer mehr um die Einstellung als um das Alter. Wie ich bereits oben erwähnte, ist Punk offen für die alten und die jungen. Außer du bist ein Rockstar…dann bist du draußen.
WS: Wurde es für euch über die Jahre schwieriger, eine Band zu sein, aufgrund von Jobs, Familie und anderen Verantwortungen? Denkt ihr manchmal daran, das Handtuch zu werfen oder sind die Descendents, beziehungsweise das Musik machen im allgemeinen schon solche integralen Bestandteile eurer Leben, dass ihr euch nicht vorstellen könnt, auf sie zu verzichten?
Descendents: Wir waren schon so oft dabei und dann wieder weg, dass wir eine Sichtweise entwickeln konnten, warum wir Musik machen. Wir machen es nur, wenn wir Spaß daran haben und momentan macht es einen riesen Spaß, weshalb wir auch dabei bleiben. Es stimmt, wir haben so viele andere Dinge in unseren Leben (zum Beispiel Familie) und statt diese aufgrund unserer Passion leiden zu lassen, haben wir uns dazu entschieden, ‘vernünftig‘ auf Tour zu gehen. Das bedeutet, ein paar Dutzend Termine im Jahr abzureißen, statt 100+. Es bedeutet aber auch, dass wir das über viele Jahre machen können, denn wir hoffen, dadurch den typischen Burnout zu vermeiden, der einsetzt, wenn man es übertreibt.
WS: Oft beschreiben Kritiker Musik als ‘erwachsen‘, wenn eine Band ihren Stil ändert oder schlicht und einfach ihre Aggressivität zurückfährt. ‘Hypercaffium‘ klingt sicher anders als ‘Milo Goes To College‘ aber es ist keinesfalls ein Stilbruch. Was denkt ihr über eure eigene Entwicklung als Band? Meint ihr, ihr habt euch verändert? Gibt es irgendwelche alten Descendents-Songs, von denen ihr glaubt, ihr hätten sie anders schreiben sollen, aus heutiger Perspektive?
Descendents: Wir haben uns verändert aber das spiegelt sich vor allem in den Texten wieder, die wiederum unser heutiges Alter wiederspiegeln. Die Musik an sich ist sehr ähnlich wie die, die wir damals in den Achtzigern gemacht haben und ich glaube, dass liegt daran, dass wir nach wie vor große Fans des Punk der frühen Achtziger sind. Klar, wir hören auch viele andere Dinge, wie Jazz und klassische Musik oder Pop aber Punk gibt uns jedes Mal dieses urtümliche ‘Bedürfnis zu rocken‘. Wenn wir also Musik schreiben, dann ist dieser Einfluss nach wie vor sehr stark. Ich glaube nicht, dass ich irgendwelche Songs von damals aus der heutigen Perspektive neu schreiben würde. Einige von ihnen hätten sowieso niemals geschrieben werden dürfen und hätten auch durch eine moderne Herangehensweise nicht gerettet werden können.
WS: Da ihr ja gestandene Punkrocker seid, glaube ich, es ist okay, euch eine politische Frage zu stellen. Wann werdet ihr nach Kanada auswandern? Okay, ich mache nur Spaß aber mal ernsthaft, die US-Präsidentenwahl führt weltweit die Nachrichten an und manchmal frage ich mich wie in einem Land mit so vielen hochkarätigen Universitäten und Instituten, so vielen brillanten Köpfen und modernen Philosophen, das Destillat der potentiellen politischen Führungskader aus Trump und Clinton bestehen kann, die von einer öffentlichen Debatte begleitet werden, die sich auf dem Niveau einer Superstar-Casting-Show befindet. Warum denkt ihr ist das so und glaubt ihr, dass es nach der Wahl signifikante Änderungen geben wird oder einfach alles die nächsten vier Jahre lang so weitergeht wie bisher?
Descendents: Ich empfinde die Peinlichkeit ein US-Amerikaner zu sein fast schon täglich. ‘Das geringere von zwei Übeln‘ war selten ein passenderer Spruch. Die Medien und das Internet sind auch keine Hilfe; es scheint, als würden die Menschen einfach ihre eigene Wahrheit erschaffen und diese dann tweeten/posten bis die anderen sie glauben. Seiten, die Fakten und Hintergründe beleuchten haben mich während dieser ganzen Tortur zumindest halbwegs geistesgegenwärtig bleiben lassen. Im Moment fühle ich ein wenig Bunkermentalität in dieser Wahl: wenn wir das Land jetzt davon abhalten können, direkt in den Faschismus abzugleiten, dann können wir vielleicht mit Ach und Krach darauf hoffen, nächstes Mal einen etwas progressiveren Präsidenten zu bekommen. Falls nicht…‘hey ihr Schmarotzer dort oben, könnt ihr einen halbwegs guten Torwart gebrauchen?‘
WS: Zurück zur Musik: Ihr seid schon fast dreißig Jahre im Punkrock-Geschäft (wenn ich es mal so nennen darf). Gibt es irgendwelche neuen Bands, die euch positiv überraschen oder euch vielleicht sogar bei der Art und Weise wie ihr Musik macht inspirieren?
Descendents: Ich mag unter anderem The Lawrence Arms, The Menzingers, The Sidekicks, Pears, A Wilhelm Scream und Polar Bear Club.
WS: Jetzt, da ihr mit eurem neuen Album quasi zurück im Rampenlicht seid, habt ihr vor, euch zukünftig mehr auf die Musik zu konzentrieren? Habt ihr irgendwelche großen Pläne wie zum Beispiel Touren, Festivals, mehr Alben, etc.? Was steht bei euch als nächstes an?
Descendents: Wir kommen gerade zurück aus Europa und wir spielen demnächst auf ein paar Festivals und in Clubs hier in den Staaten. Im Dezember gehen wir erstmals nach Südamerika. Was das Aufnehmen angeht, glaube ich, die Leute können definitiv mit einem weiteren Album rechnen, irgendwann in den nächsten Jahren. Schluss mit dem dekadenlangen Warten auf neuen Stoff von den Descendents!
WS: ‘Hypercaffium Spazzinate’ was just released on July 29th. Almost twelve years after your previous album ‘Cool to be you’ came out. What made you think ‘hey, we should write new songs and record them’? Why now? Did anything happen that you wanted to get off your chests or was it just the right time to release another record?
Descendents: We always have things we want to get off our chests! But in this case, there was a specific event that jump-started everything, and that was Bill’s recovery from brain surgery in 2010. They removed a grapefruit-sized tumor from his brain, and Bill was transformed into super-Bill! We came together as a band again, due to the joy and celebration of that event. Milo wrote “Comeback Kid” around that time (about Bill’s recovery), and that started us thinking we should eventually record…it took a while, but we finally got it done.
WS: Since you guys all live in different states in the US how difficult was it for you to put all the songs together. I’ve read about band rehearsals via Skype…did you do that, too?
Descendents: We did a lot by file sharing…but also Bill and Karl worked out a lot of stuff together in the practice room, because they do live in the same town in Colorado. Some of the songs were written just by one person, so those ones we could just pass around as complete song demos.
WS: ‘Hypercaffium Spazzinate’ surely is an unusual name for a punk album…or any album and I bet some people will have difficulties to remember that name correctly. Who came up with that idea? Was it Milo who sat in his office searching for a formula to endure overly long business meetings? How does it relate to / connect the individual songs on the record?
Descendents: Milo was looking to synthesize a more potent version of caffeine, and the end result was Hypercaffium spazzinate. The album liner notes describe some of the experiments. We didn’t write any songs about it specifically, but some of the songs on the record describe the effect of chemicals on people (“Feel This,” “No Fat Burger,” “Testosterone,” “Limiter”), so it seems to fit.
WS: While listening to ‘Victim of me’ I noticed that Milo sounded a lot like Greg Graffin from Bad Religion in this song. Both bands were founded around the same time, both bands share a similar style of music, both singers made a career in biology and they’re even the same age. Is that all pure coincidence, was the mid-sixties a good time to breed international punk-rock-legends-turning-biologist or is it genetic predisposition…?
Descendents: I think it has more to do with punk itself. Punk gets a bad rap for being low-brow, but in fact it is more creative than many other forms of rock – and more inclusive. Both of these mean that a couple nerds who get off on science AND punk could find a home with other types of misfits, and then nurture both sides of their personalities. I think Greg would probably agree with me.
WS: Speaking of Bad Religion, Brian Baker, the band’s guitarist, recently called out Bring Me The Horizon – another Epitaph band – for claiming privileges at the Resurrection Festival in Spain, such as not to be bothered by security or taking whoever they want back stage. In turn they called him an ‘old wrinkly bastard’ who should worry about other things ‘like ya pension, or cold weather’. To cut a long story short: is this what the punk rock scene has become? No respect for one another? The old versus the young? Or was there never one scene to begin with? Probably a question as old as punk itself…
Descendents: The lesson is, don’t mess with Brian Baker…that dude’s badass, he will think you under the table. Yeah, we’re all getting a little long in the tooth, but I would submit that punk’s always been about attitude more than age. And as I mentioned above, punk’s inclusive, for the old as well as the young. Except if you’re a rock star…then you’re out.
WS: Has it become harder for you over the years to continue being a band for instance by having day jobs, a family and maybe other responsibilities? Do you sometimes think of calling the quits for good or is The Descendents / making music in general such an integral part of your lives that you cannot imagine giving it up for something else?
Descendents: We’ve been on-again, off-again for so long that it’s allowed us to have some perspective on why we make music. We only do it when it’s fun, and right now it’s a lot of fun so we’ll keep doing it. Granted, we have many other things going on in our lives (i.e. family), and rather than have those suffer because of our passion, we’ve decided to tour “reasonably.” That means doing a few dozen dates a year rather than 100+. But it also means we can do this for many more years, because we hope to avoid the typical burnout that happens when bands “overdo it.”
WS: Oftentimes critics describe music as ‘matured’ when a band changes its style or simply turns down its aggressiveness. ‘Hypercaffium’ sure sounds different than ‘Milo goes to college’ but it’s in no way a change of style. What do you think about your own development as a band? Do you think you’ve changed? Are there any old Descendents’ songs that you feel should have been written in another way seen from today’s perspective?
Descendents: We have changed, but that’s mostly reflected in the lyrics, which reflect our current age. The music itself is very similar to what we did back in the 80’s, and I think that’s because we are still huge fans of early 80’s punk. Sure, we listen to a lot of other things, like jazz and classical, or straight up pop, but punk always brings us back to that primal “need to rock.” So when we are writing music, that influence is still very strong. I don’t think I’d rewrite any of our old songs with perspective from today. Some of them shouldn’t have been written in the first place, and couldn’t even be saved with a more modern treatment!
WS: Being the punk rockers you are I assume it’s legit to ask you a political question. So, when will you be emigrating to Canada? Okay, I was just joking but seriously, the US presidential campaigns are all over the news worldwide and sometimes I wonder how in a country with so many reputable universities and institutes, so many brilliant minds and modern philosophers, the distillate of the potential political leaders comes down to Trump and Clinton and a public debate on the level of a superstar casting show. Why do you think this is and do you expect significant changes after the election or just the same-old for another f our years?
Descendents: I feel the embarrassment of being American on almost a daily basis. Lesser of two evils was never a more appropriate phrase. The media and internet isn’t helping; it seems like people just make up their own truth, and then tweet/post it until it becomes believable to others. Snopes and fact-checking sites have kept me at least partly sane through this whole ordeal. Right now, I feel a bit of a bunker mentality in this election: If we can just keep the country from sliding into outright fascism, we’ll take our lumps and keep plugging for a more progressive president next time. Otherwise…hey you hosers up there, need a halfway decent goalie?
WS: Back to the music: You’re in the punk rock ‘business’ (if I may call it that) for almost thirty years now. Are there any new bands out there that surprise you in a positive way or even inspire your way of making music?
Descendents: I’ve been liking the Lawrence Arms, the Menzingers, the Sidekicks, Pears, A Wilhelm Scream, Polar Bear Club, among others.
WS: Now that you’re kinda back in the limelight with that new album of yours do you plan on focusing more on the music in the near future? Do you have any major plans such as tours, festivals, more albums, etc.? What’s next on your band schedule?
Descendents: We just got back from Europe, and now we’re playing a mixture of festivals and club dates here in the states. We are going to South America for the first time in December. As for recording, I think people can definitely expect another record some time in the next few years; no more waiting a decade for new Descendents!