| | |

Tiny Missing Fragments

Diorama waren immer schon verkopft, bereits ZSA war sehr sperrig, hatte aber durch die häufig doch sehr eingängigen Gesangslinien eine gewisse Zugänglichkeit. Mit „Tiny Missing Fragments“ schaffen sie aber es locker, die Grenzen der Avantgarde im Bereich elektronischer Musik noch weiter zu pushen. Im Metal würde man so etwas dann wohl Progressive nennen.

Straighte Songs wie noch zum Anfang der Karriere („Advance“ „Her Liquid Arms“, später auch „Prozac Junkies“) sind endgültig Geschichte. Dafür bemüht die Band dann vermutlich öfter mal den einen oder anderen Kollegen zum Remixen, das Album selbst hat dagegen – vielleicht einmal abgesehen von „Gasoline“ – jegliche Tanzflächentauglichkeit eingebüßt.

Dies ist klar und ausschließlich ziemlich fordernde Kopfhörermusik.

Die unfassbare Detailverliebtheit, all die kleinen Effekte, die hinter den eher sperrigen Songumrissen versteckt sind, funktionieren nur über konzentriertes Genießen per Kopfhörer. Diese Musik ist für den Genuss nebenher ungeeignet.

Wenn man sich auf diesen eher fortgeschrittenen Genuss einlässt, eröffnen sich Welten von an Komplexität unerreichten Loops, abgehobenen Gitarreneffekten, zerrissenen Beats und seltsamen Klängen, die sich nur langsam zu einem Gesamtbild formen. Die Klänge beschreiben zu wollen ist nahezu unmöglich, man entdeckt bei jedem Hören neues, anderes und rätselt doch immer wieder, wie die Dinge denn nun genau zueinander passen. Lediglich in Chor und Refrain holen Diorama die für sie so typische Melancholie heraus, die Melodien werden eingängig und fügen mit dem qualitativ wie immer herausragenden Gesang die vielen kleinen Fragmente zu einem Ganzen – nur um dies in den nächsten Ebenen der Tracks wieder einzureißen. Fehlen – („Tiny Missing Fragments“ ist schließlich der Titel) tun hier definitiv keine Fragmente, auch keine noch so kleinen.

Diorama haben über die Jahre – und ganz besonders aktuell –  normalere Arrangements zugunsten eines avantgardistischen, progressiven Kolosses eliminiert. Das ist für den genussvollen Konsum genauso anstrengend wie spannend.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar