Shedding Skin
Ciao Computer, hallo echte Musiker. So richtig echte, aus Fleisch und Blut. Obaro Ejimiwes alias Ghostpoet macht es andersherum: Hat auf seinen ersten zwei Alben noch ein sphärisch-elektronischer Sound aus dem technischen Wunderbaukasten PC seinem schlingernden, abgehackten Sprechgesang das samtene Bett beschert, so ist es auf ‚Shedding Skin‘, der Nummer drei, zum ersten Mal eine Band. Also quasi back to the future-roots. Und was ein Glück: Der dritte Streich entpuppt sich als ein Vertreter der Gattung „Aller Guten Dinge“.
Ob sich der Londoner Künstler von der alten Haut befreien wollte? ‚Shedding Skin‘ klingt nach einer Schlange, die die alte, abgetragene Haut abstreift und sich neu und unverbraucht gewandet. Das geht zwar im Tierreich stets gut, da von Mutter Natur so vorgesehen. In der Musikbranche aber kann es schauderhaft enden (Beispiel A: Madonna. Beispiel B: ‚Rebel Heart‘). Aber das muss es nicht. Nur vier Monate hat Ejimiwes zwischen der Produktion des Demos und dem fertigen Machwerk verstreichen lassen. Die Eile hat ihm gutgetan.
Schon der Opener ‚Off Peak Dreams‘ wartet mit ungewohnt flotten Drums auf.
‚Look mate, I’m ready to roll!‘
. Es scheint fast so, als würde Ghostpoet Ernst machen. Immer noch reibt er sein Organ brüchig über die Epidermis des Zuhörers, verschluckt Silben und sehnsüchtelt in jeder Silbe. Und wie schön das klingen kann. Das hat er bei ‚Survive It‘ oder ‚Meltdown‘ schon einmal bewiesen. Auf ‚Shedding Skin‘ macht er das aber leichter, unbeschwerter – doch nicht weniger gehaltvoll.
‚Sorry My Love, It’s Not Me‘ erwartet man eher auf einem Father John Misty-Album. Trotz des humoristischen Twists. Aber nix da, altbekannte Schmalzgranate. Auch wenn Ghostpoet das altbewährte Konzept der weiblich-zarten Begleitung anwendet: Das ist bekannt, auf jeder Live-Show herrscht bei ihm ein fröhliches Bäumchen-wechsel-dich der hübschen Begleiterinnen. Bei ihm webt die Dame aber stets den sphärischen Klangteppich mit und geht dabei ebenso besonnen vor wie der Geistreichste. Und doch, dieses Mal ist es mit hallenden Gitarren und zackigen Hi-Hats nicht der gewohnte Sound. Es ist neu. Ghostpoet bleibt textlich zwar nachdenklich, düster und kritisch, musikalisch herrscht aber Aufbruchstimmung.
‚Nothing In The Way‘ trifft zu. Die alte Haut hat Ghostpoet zwar abgestreift, darunter verbirgt sich aber eine Epidermis, die in ähnlichen und doch ungleich schillernderen Farben schimmert. Wer sich früher eher schwer tat, den musikalischen Mehrwert der behäbigen und schummrigen elektronischen Poesieergüssen zu ergründen, hat es auf ‚Shedding Skin‘ leichter. Weniger verkopft, weniger Minimalismus. Wer Angst vor zu leichter und poppiger Kost hat, dem kann getrost Entwarnung gegeben werden. Die Drei steht ihm gut, dem Ejimiwe. Eine richtig echte Band auch.