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The Third

R’n’B trifft Ska. Country schüttelt Blues die Hand. Kontrabass steht neben Klavier, Mundharmonika wechselt sich mit Gesang ab. ‚Darling‘ und ‚Baby‘ fallen dem Liebsten um die Arme und verlassen ihn kurz danach wieder, Herzschmerz inklusive. Mit feinem Zwirn und adretten Anzügen posiert man stets für die Kamera. Eine so nahezu perfekte Zeitreise bietet heut fast nur der Plattenspieler oder der Fernsehbericht über die 50er Jahre. Und dann noch Kitty, Daisy & Lewis. Die drei Durham-Geschwister, denen ihr Hang zum Rockabilly schon in die Wiege gelegt wurde. Mit Album eins und zwei schlugen sie bombenartig ein und sensibilisierten junge Ohren für den Ursprung aller Musikrichtungen. Böse Nachrufe, hierbei handele es sich um schlechtes Imitat einer eingestaubten Periode, können getrost ausbleiben.

Für ‚The Third‘ ließen sich die Geschwister auf Hilfe eines Produzenten ein und machten gemeinsame Sache im eigenen Analog-Studio in Camden Town. Vermutet man zunächst eine komplette Fehlbesetzung in The Clash-Urgestein Mick Jones, der eher durch Zusammenarbeit mit Indie-Rüpeln wie The Libertines bekannt ist, soll dieser Entscheidung hier mit Blumen gedankt sein. Auch wenn die multi-instrumentalen Durham-Geschwister schon viel von der Ohrwurm-Produktion verstehen, zog Papa Jones als adoptiertes viertes Bandmitglied wahrscheinlich ein, zwei Melodien noch einmal durch den ‚Macht-mehr-knackige-Songs‘-Checkup. Stilsicher bleibt der Leitfaden zwar auch hier Rockabilly, der sich aber zu einem neuen Abenteuer mit Ska, Funk und Reggae begibt.

Insgesamt sind die Songs auf ‚The Third‘ kürzer, ausschweifende Soli wie auf ‚Smoking In Heaven‘ oder dem selbstbetitelten Debüt sind seltener geworden. Und gerade diese Entwicklung tut diesem Album unsagbar gut. Trotzdem wären auch Kitty, Daisy & Lewis nicht sie selbst ,wenn sie dabei nicht zur Genüge tief in die Trickkiste greifen dürften. Es gibt genug Raum zwischen den bündigen Liebesbekundungen oder Trennungsschmerz-Szenarien für ihr unglaubliches Talent und klassische Gitarrenriffs sowie virtuoses Klaviergeklimper. Eine Stufe höher steigen sie mit neuen orchestralen Einschüben, die auch gern inbrünstige ‚Ohs‘ und ‚Ahs‘ wie auf ‚Never Get Back‘ untermalen.

Jeder der drei Geschwister hat auf ‚The Third‘ Raum zur Entfaltung: Der eher klassisch veranlagte Lewis säuselt auf ‚Baby Bye Bye‘ verschmitzt seinen lieben Verflossenen eine Trennungsbotschaft oder verfällt der Schönheit einer Frau (‚Good Looking Woman‘). Alles im altbewährten Blues-Stil mit prägnanten Gitarrenriffs und jazzigen Trompeten. Rebellin Daisy regelt die Dinge eher direkt und frech:

‚She’s raising up her hand / And She’s about to swing / So move it!‘

heißt es auf dem mit Aggression geladenen ‚Bitchin in the Kitchen‘, das genau wie das unverblümte ‚No Action‘ funky und poppiger daherkommt. Klein-Kitty macht ihrem Nesthäkchen-Status alle Ehre, rockt mit Mick Jones auf ‚Feeling of Wonder‘ oder wiegt sich im harmonischen Orchester-Reggae-Mix in einer Blüte aus Schwärmerei und Liebestaumel:

‚My Sweetheart give me a smile / Stay for a while / You make me feel so fine / Yes Baby all the time‘

(‚Turkish Delight‘).

Weiter, größer, schneller, poppiger – so könnte das Motto des Entstehungsprozesses eines großartigen Albums gelautet haben. Man möchte daher noch ein ‚besser‘ hinzufügen. Kitty, Daisy & Lewis haben längst verstanden welche Magie ihr über die Jahre erlerntes Handwerk in sich trägt. Mit ‚The Third‘ gehen sie nun einen Schritt weiter: es ist die perfekte Konzeption eines Weltklassealbums, welches sagenhaft abwechslungsreich ist und trotzdem so prägnant im eigenen Dunstkreis bleibt. Mit zwölf Songs, bei denen keiner eine Niete ist. Wo das wohl noch hinführen mag?

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