|

PASCOW – „Das Wort Frieden war auf einmal so groß und so wichtig“

Ihr habt im Januar quasi DAS hochgelobte Album des Jahres abgeliefert, dabei aber keine Bundles o.ä. zusammengestellt. Also ganz ohne Extra-Push … Wie erklärt ihr euch, dass es auch ganz „ohne“ geht?

Alex: „Hintergrund war, dass wir bei physischen Tonträgern sehr viel Wert auf Vinyl legen. Als wir die Platte fertig hatten, war das genau der Zeitraum als es diese Vinylknappheit gab: ganz lange Wartezeiten und viele Presswerke am Limit. Wenn wir dann Sondereditionen machen, mit Doppelvinyl oder 180 Gramm fördern wir diese Krise ja nur. Da haben wir entschieden, nichts Besonderes zu machen – und auch so kommuniziert. Das ist auch gut angekommen, weil es auch viele Vinylsammler gibt, die auch ein bisschen, ja, angenervt sind, dass es immer so viele verschiedene Versionen gibt, teilweise exklusiv hier und exklusiv da. Das Feedback, was wir dazu bekommen haben, war viel positiver als wir gedacht hätten. Wir dachten, das würde vielleicht ein paar Leute abschrecken, aber das war überhaupt nicht der Fall, eher das Gegenteil.“

Weiß man als Band schon in der Entstehung, ob ein Album gut wird?

Ollo: „Das ist sehr unterschiedlich, auch innerhalb der Band. Bei „Jade“ war sich Alex relativ schnell sicher: Das ist genau die Platte, wie ich sie haben will. Aber ich hatte meine Zweifel. Jetzt war es genau umgekehrt. Ich habe keine Sekunde gezweifelt, aber Alex hat diesmal relativ lange gezweifelt. Aber das ist so ein persönliches Gefühl: Wie ist der Schaffensprozess gelaufen und wie ist das finale Produkt. Die Songs waren zum Teil reduzierter als auf „Jade“.“

Was ja experimenteller war.

„Genau. Ob das dann als Rückschritt oder als Fortschritt gesehen wird, das ist auch in den Reviews unterschiedlich dargestellt worden. Das ist ja auch das Schöne an der Musik: Jeder kann sich seine eigenen Gedanken machen.

Alex: Ich hätte nicht gedacht, dass es so gut funktionieren würde. Ich hatte schon gedacht, dass die Platte gut ist, aber dass sie im Vergleich zu „Jade“ noch weiter geht, das hat mich überrascht.“

Welcher der neuen Songs war derjenige mit dem höchsten Diskussionspotential? Hat sich das nach der Livetaufe verändert?

Alex: „Musikalisch waren wir uns ziemlich einig. Textlich hingegen gab es so viele Diskussionen wie noch nie zuvor. Während wir im Studio waren, um die Texte aufzunehmen, brach der Krieg aus. Dadurch nimmst du Text auch ganz anders wahr. Wörter wie Krieg, Kampf, Waffen – all das, was auch als Metapher in unseren Texten war. Im Song „Himmelhunde“ gibt es die Stelle: „Keine Ruhe dieser Welt ist das jetzt wert“, das hieß vorher „Kein Frieden dieser Welt ist das jetzt wert.“ In diesem Kontext nimmt man das dann ganz anders wahr. Dieses Wort Frieden – das können wir jetzt nicht verwenden, um eine persönliche Befindlichkeit auszudrücken, weil das Wort Frieden war auf einmal so groß und so wichtig.
So gab es einige Stellen: Der Song „Die Unsichtbaren“, ein sehr politischer Song, sehr konkret über unsere Regierung – den haben wir aufgrund des Krieges komplett umgeschrieben. Die eigenen Probleme waren auf einmal so viel kleiner im Angesicht des Ukrainekrieges.“

Inwiefern kann die Reaktion des Publikums einen Song verändern?

Ollo: „Meistens geht es dann darum, ob der Song live funktioniert oder nicht. Weniger darum, ob das Publikum uns einen Song abgenommen hat. Manchmal experimentiert man ein bisschen mit der Setlist. „Tom Blankenship“ haben wir anfangs gar nicht live gespielt, ihn aber irgendwann mal ausprobiert. Der wurde auch gut angenommen, was aber immer publikumsabhängig ist. Spielst du deine eigene Clubshow, wo die Leute textsicher sind, oder spielst du auf einem Festival, wo dich die meisten noch nie gesehen haben. Aber das Feedback ist schon wichtig für die Songauswahl.“

Ihr beendet mit dem Noisehausen die Open-Air-Saison. War es denn eine gute, wie habt ihr das empfunden?

Ollo: „Es war keine schlechte, wir hatten wettermäßig etwas Pech, es hat fast immer geregnet. Es ist schwierig, wenn man mit einer so guten und erfolgreichen Clubtour im Rücken in die Open-Air-Saison geht, wo bis auf ein oder zwei Shows wirklich alles ausverkauft war. Die Erwartung, dass es genauso funktioniert, wird selten bestätigt. Das ist jetzt kein Dämpfer, aber wenn du mich fragst, was würdet ihr wiederholen wollen – die Entscheidung innerhalb der Band wäre sehr schnell und sehr einstimmig zugunsten der Clubshows. Aber bei Festivals hast du ein Gesamtpaket, so wie heute: Du kannst dir noch Bands angucken oder flanierst umher.“

Alex: „Man muss vielleicht noch ergänzend sagen, dass wir nur ein Punkfestival gespielt haben, das Back To Future. Das hat auch direkt funktioniert, so wie wir das kennen. Alles andere waren eher breit aufgestellte Festivals mit unterschiedlichen Bands, Musikrichtungen und Stilen und eben auch ganz unterschiedlichem Publikum. Die Festivalsaison war auf jeden Fall experimenteller als in den letzten Jahren.“

Habt ihr euch das dann vorher überlegt, dass ihr euch jetzt gerne breiter streuen würdet bei den Festivals?

Ollo: „Das hängt natürlich davon ab, welche Anfragen kommen. Wir müssen auch schauen, da wir alle berufstätig sind, an welchen Wochenenden wir spielen können. Gerade in der Open-Air-Saison sagen wir fast mehr ab, als wir spielen können.“

Eine Weile hatte es um den Fortbestand eurer Band ja nicht ganz so rosig ausgesehen. Wie habt ihr es geschafft, für euch einen guten Weg zu finden?

Alex: „Seit „Diene der Party“ ist einfach so viel passiert mit der Band. Wenn ich jetzt so zurückdenke … Wenn wir das alles nicht gehabt hätten – und damit meine ich nicht den Erfolg – einfach die Songs, die Zeit, das Team. Alles, was wir in den letzten Jahren mit aufgebaut haben, das würde ich schlicht vermissen. Aber wir waren damals so ausgebrannt, dass wir uns nicht mehr vorstellen konnten, das noch länger zu machen.“

Ollo: „In der Coronaphase war es wirklich so, dass die Band wie ein Fels in der Brandung gestanden hat: Wir haben uns weiterhin einmal in der Woche getroffen und geprobt. Ein fixer Termin, ein Highlight in der Woche. Man hat gemerkt, wie viel einem die Band bedeutet und dass man das nicht missen möchte. Das ist stellenweise schon Parallel-Familie und ein großer Teil unserer Persönlichkeit. Solange wir das irgendwie mit uns vereinbaren können und das in Familie und Beruf integriert kriegen. Also aufhören wollen wir noch nicht.„

Alex: „Ich glaube, bei uns würde es – wenn es zu einer Auflösung käme – keine Reunion geben. Da wären alle in der Band sehr konsequent. Wir haben das zu oft erlebt: Beim ersten Mal freut man sich und beim zweiten Mal ist das Gefühl schon anders. Bei uns ist auch keiner so retro oder nostalgisch.“

Ollo: „Das merkst du auch an den Setlisten. Natürlich kommt die Frage, ob wir nicht Songs von Richard Nixon Discopistole spielen können. Aber wir haben diese Songs sehr lange gespielt. Das heißt ja nicht, dass wir die Songs jetzt doof finden, aber wir werden nicht 25 Jahre lang mit alten Songs touren, wir wollen nicht in dieser Vergangenheit kleben bleiben. Wenn wir es nicht schaffen, mit den Ergebnissen aus dem jetzt weiterzumachen, dann ist der Zeitpunkt gekommen, das zu beenden. Wir wollen nicht in 10 Jahren auf der Bühne stehen und die Songs von vor 15 oder 20 Jahren spielen.„

Alex: „Oder nicht nur“

Ollo: „Das ist natürlich der eigene Druck, aber auch der Anspruch, den wir in der Band haben.“

Die Pandemie-Nachwirkungen sind ja noch lange nicht ausgestanden, gerade bei kleinen und mittleren Produktionen. Nicht wenige Bands haben ja auch schon kapituliert. Wie sehr macht euch das betroffen?

Ollo: „Das ist schon hart, weil am Ende des Tages werden die Big Player noch größer und die breite, bunte Masse wird einfach kleiner. Das ist für die kulturelle Entwicklung nicht gesund. Ich habe am Wochenende einen Post gelesen – das Rock am Berg-Festival in Thüringen ist in finanzielle Schieflage geraten. Das ist ja auch gelebte DIY-Struktur – genauso wie hier beim Noisehausen. Dort sind an vielen Stellen ganz viele freiwillige, tolle Helfer am Start. Wenn die sich in dieser Kulturlandschaft nicht durchsetzen können, dann läuft etwas schief. Die zwei großen Player am Markt, Live Nation und Eventim, haben eine ganz schöne Marktmacht. Aber am Ende hat der Kunde ja auch eine Entscheidungsfreiheit: Gehe ich einmal im Jahr oder Leben für 650 Euro zu Taylor Swift oder gehe ich für über 200 Euro zu einer anderen großen Stadionshow. Ich kann das Geld aber auch in mehrere kleinere Festivals oder Shows investieren.“

Ist aber eben nicht so geil für die Insta-Welt.

Ollo: „Bei Taylor Swift ist man dabei, eine Clubshow erlebt man.“

Alex: „Ich glaube, es müssen sich beide Seiten ein bisschen bewegen. Die Inflation, die Krise – vor Corona gab es nur eine Richtung: Es lief immer besser, besser, besser. Dann kam Corona und seitdem ist es nicht mehr so und ich finde auch Agenturen, Künstler*innen und Bands müssen da vielleicht an der ein oder anderen Stelle kleinere Brötchen backen. Da muss eine neue Balance her.“

Im September habt ihr wieder das „Angst macht keinen Lärm“-Festival. Wie sehr ist das eigene Leidenschaft?

Ollo: „Das erste Mal haben wir 2001 mit Turbostaat gespielt. Da waren 37 zahlende Gäste. Danach haben wir uns relativ lange aus den Augen verloren, obwohl es immer so eine Parallelentwicklung gab: Die waren zwar meistens erfolgreicher, aber wir waren trotzdem in der gleichen Szene unterwegs und haben uns das Publikum geteilt. Sie haben uns dann noch ein paar mal eingeladen. Dann ist diese Idee entstanden, in Trier ein Festival zu organisieren. Wir spielen da zusammen und laden einfach Bands ein, auf die wir Bock haben. Das hat dann so gut funktioniert und Spaß gemacht, unser kleiner Gegenpol zu den anderen Veranstaltungen. Das ist unser kleines Wunschfestival, mit dem wir irgendwie ein bisschen durch die Lande ziehen.“

Dabei gibt es ja auch das Aftershow-Konzert, in kleinerer Location, woran nicht alle mit Ticket teilnehmen können. Führte das schon zu Unmut?

Ollo: „Ja, das gab es schon. Im Nachgang war es vielleicht nicht die cleverste Idee Düsenjäger dort spielen zu lassen …
Wir haben es jetzt direkt zum Start kommuniziert. Aber natürlich wird es einfach der Fall sein, dass nicht alle, die auf dem Festival sind, diese letzten beiden Bands erleben können.“

Pascow Homepage
Pascow bei Facebook

Pascow bei Instagram

Fotocredit: Andre Schnittker

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar