Hair Of The Dog (UK) – ‚Als wir anfingen, war Retro vollkommen out‘
Adam Holt ist Sänger und Gitarrist des schottischen Trios Hair Of The Dog (UK), das nicht mit der gleichnamigen amerikanischen Hardrock-Band der 90er zu verwechseln ist. Das Trio wurde schon vor über 15 Jahren von den Brüdern Jonathan und Adam Holt und deren Freund Iain Thomson gegründet, die damals noch Teenager waren. Wir luden den Sänger und Gitarristen Adam Holt zum Gespräch, um über schottischen Bluesrock und den ersten richtigen Longplayer der Band zu plaudern. „The Siren’s Song“ erscheint bei uns am 14. Oktober.
„Holt erinnert sich an die Zeit der Bandgründung: „Mein Bruder Jonathan und ich stammen zum Glück aus sehr musikalischen Familien. Wir beide haben damals einfach angefangen, Musik zu machen und zu jammen, ganz einfach, weil es wirklich nichts sonst gab, das wir als Kids hätten machen können. Wir wohnten draußen auf dem Land, und neben dem Skateboarden konnten wir nur durch das Musizieren etwas Dampf ablassen.“ An der Highschool traf Adam schließlich Iain Thomson, der schnell sein bester Freund wurde. „Wir waren so etwas wie musikalische Brüder im Geiste.“
Nach der Schule gingen die Brüder zunächst getrennte Wege, fanden aber immer wieder die Zeit, gemeinsam ein wenig zu jammen. Ein paar ihrer Sessions wurden mit einem einfachen 4-Spur-Tonband aufgenommen, aber einzig und allein aus dem Grund, um sich später daran erinnern zu können. „Wir dachten, wir könnten dann später einmal sagen, dass wir mal Musik gemacht haben“. Jimi Hendrix, Deep Purple, Rage Against The Machine oder auch die Red Hot Chili Peppers waren schon damals musikalische Vorbilder für die Schotten und ihre Jam-Sessions.
„Zunächst nannte sich das Trio „Silverfish“, aber bald schon musste ein neuer Bandname her. „Wir waren damals alle Skateboarder“, verrät der Gitarrist. „Es gibt einen Film namens ‚Lords Of Dogtown‘ über das Skaten, und darin wird der Song ‚Hair Of The Dog‘ von Nazareth gespielt, die ja auch aus Schottland stammen.“ Im Britischen bedeutet die Redewendung ‚Hair Of The Dog‘ aber auch, den Hangover nach einer durchzechten Nacht mit einem weiteren Bier zu „kurieren“. „Jon und ich waren in Edinburgh ziemlich berüchtigt für unser Trinkvermögen, da war der Name für unsere Band nur passend.“
Jahre nach den ersten Musikaufnahmen war mehr Geld als nur für ein einfaches Tonband vorhanden. So beschlossen Adam, sein Bruder Jonathan am Schlagzeug und der Bassist Iain Thomson, in die Chamber Studios in Edinburgh zu ziehen und eine EP aufzunehmen. „Im Prinzip war es wie damals“, verrät Holt. „Wir haben einfach losgespielt und es live aufgenommen. Aber wir hatten jetzt bessere Mikrofone und cooles Equipment zur Verfügung. Roh und unschuldig, so hörten wir uns damals an.“
Der Sound des Nachfolgers „The Siren’s Song“ ist filigraner und fängt die volle Breite und Dynamik der Musik ein. Bevor die Aufnahmen begannen, war aber noch viel passiert. „Wir hatten die EP bei Bandcamp hochgeladen, und es trudelten sehr viele positive Reviews ein.“ Adam Holt erinnert sich noch gut daran, wie die Zahl der Fans immer weiter wuchs und plötzlich Anfragen nach der EP aus der ganzen Welt eintrafen. „Schließlich wurde das Label Kozmik Artifactz auf uns aufmerksam und wollte die EP unbedingt auf Vinyl veröffentlichen. Unsere Musik auf Vinyl – das war ein Traum für uns. Zu dem Zeitpunkt hatten wir den ersten Longplayer ‚The Siren’s Call‘ bereits geschrieben, und diese Platte enthält all die Emotionen, die wir uns vorstellen können: Liebe, Hass, Wut, Freude, Unschuld, Eifersucht, Lust und so weiter.“ Unter anderem haben sich Hair Of The Dog (UK) ihr Vertragslabel Kozmik Artifactz ausgesucht, weil dieses für die Veröffentlichung von hochqualitativen Vinyl-Schallplatten bekannt ist. „Das dortige Team hat uns vom ersten Tag der Zusammenarbeit an unglaublich gut unterstützt. Sie geben uns aber auch viele Freiheiten darin, wie wir unsere Musik schreiben und präsentieren oder wie das Cover gestaltet wird.“
„Das Cover zu „The Siren’s Song“ wurde von dem Künstler Dominic Sohor geschaffen und lässt bereits die psychedelischen Bluesrock-Sounds erahnen, die auf der dahinter versteckten Scheibe auf den Hörer warten. Sohor entwarf auch das neue Band-Logo. Mit dem aufgenommenen Longplayer im Gepäck trat das Trio dieses Jahr schließlich auf dem Roadburn Festival in den Niederlanden auf und konnte dort eine große Menge Musikfans von sich überzeugen. „Für eine längere Tour haben wir im Moment nicht wirklich die Zeit“, gesteht Adam Holt. „Wir haben Familien. Aber wir werden sicher im nächsten Jahr auf dem einen oder anderen Festival zu sehen sein.“
Das neue Album überzeugt durch packenden Retro-Bluesrock und ausgefeilte Riffs. Das Songwriting der drei Schotten beginnt meistens mit einer Idee, die Adam Holt auf seiner Gitarre entwickelt. „Dann treffen wir uns alle und jammen gemeinsam. Wenn wir einen spannenden Riff haben, entwickeln wir den ganz aufgeregt immer weiter, und ehe man sich versieht, haben wir einen neuen Song.“ So einfach ist das also. Und auch das Schreiben der Texte kann Spaß machen: „Wenn wir die Musik fertig haben, verziehe ich mich mit einem Stift und Papier in den nächsten Pub oder in den Biergarten und lege los. Das kann hin und wieder etwas länger dauern. Ich denke, man kann all meine Texte als ehrlich und vom Herzen kommend beschreiben.“
Mit ihrem Heavy-Bluesrock liegen die drei Schotten voll im Trend des aktuellen „70er-Revivals“, was Vintage-Sounds und Reminiszenzen an Bands wie Deep Purple oder Black Sabbath angeht. „Als wir vor über 15 Jahren mit dem Musikmachen anfingen, war das noch ganz anders“, sagt Adam Holt. „Damals war Retro vollkommen out. Aber ich mag das Wort ‚Trend‘ nicht. Das hört sich so an, als sei es eine kurzfristige Modeerscheinung, die wieder verschwindet, wenn der nächste ‚Trend‘ auftaucht. Ich glaube, dass die Leute heute sich wirklich rückbesinnen auf die Wurzeln des Hardrocks, so wie ein Reset-Knopf. Aber hey, ich bin ein Romantiker.“ Also die drei Musiker im Jahre 1999 ihren Heavy Bluesrock in Edinburgh vorstellten, „da waren die meisten Leute eher auf dem Limp Bizkit Trip“, stellt Holt fest. „Aber ich bin sehr dankbar dafür, was danach geschehen ist.“ Bluesrock und harte Riffs im Retro-Style sind wieder stark im Kommen, und dies verdanken wir nicht zuletzt energetischen jungen Bands wie Hair Of The Dog (UK).
Adam Holt und seine beiden Kollegen möchten sich bei all ihren deutschen Fans für die Unterstützung und den Kauf ihrer Alben bedanken. „Wir hoffen, dass euch ‚The Siren’s Song‘ gefällt. Wir werden bereits nächstes Jahr den Nachfolger präsentieren.“ Das sind gute Aussichten. Bis es soweit ist, genießt erst einmal das aktuelle Album und lasst euch von diesen schottischen Sirenengesängen gefangen nehmen.
Interview und Übersetzung: Michael Buch
Fotos: Label