Peter Gabriel – Die exklusive Biografie
Peter Gabriel ist ohne Frage eine der faszinierenden Persönlichkeiten unserer Zeit. Vom Miterfinder des Progressive Rock als Frontmann von Genesis über die Phase als MTV-Star der Mittachtziger und seinem Einsatz für Menschenrechte bis hin zum Technik-Guru, der immer wieder neue Wege sucht (und findet!), Musik und ihre Randbezirke weiterzuentwickeln, Gabriels Leben war mit Sicherheit nie langweilig. Eine Biografie des Ausnahmekünstlers ist deshalb in jedem Fall ein willkommenes Werk.
Der Biograf Daryl Easlea hat sich also dem Leben und Wirken Gabriels angenommen, und das Ergebnis dieser Arbeit ist im österreichischen Hannibal-Verlag erschienen. Nun hat Easlea bereits ein ganze Menge Künstlerbiografien verfasst, unter anderem über R&B-Acts und Mainstream-Künstler wie Beyoncé , Black Eyed Peas, Michael Jackson, Chic und Madonna, aber auch über abseitigere Acts wie die Art-Pop-Genies Sparks hat Easlea bereits Bücher geschrieben. Im Falle Gabriel unterteilt er das Ganze in drei Teile: einmal die Genesis-Ära, danach die Solojahre bis „So“ und abschließend die Phase von 1987 bis (fast) heute. Viele Zitate – unter Anderem von den ehemaligen Genesis-Kollegen – machen die Sache durchaus unterhaltsam und interessant. Andererseits wird das Privatleben Gabriels, das ja bekanntlich starken Einfluss auf sein musikalisches Schaffen hat, gerade einmal gestreift. Klar, ein „Kiss & Tell“-Buch will man natürlich auch nicht, doch wie viele unauthorisierte Biographien leidet auch „Without Frontiers“ (so der schönere Originaltitel) darunter, kaum etwas wirklich Neues über den Künstler zutage zu fördern. Im letzten Drittel wird auch seine Vorreiterrolle in Sachen Menschenrechte und Technik kurz angerissen, allerdings geht Easlea auch hier nur wenig ins Detail. Dafür enthält das Buch ausführliche und subjektive Rezensionen der einzelnen Genesis– und Gabriel-Alben. Hier könnte man sich allerdings streiten, ob diese für eine Biografie nicht etwas zuviel Raum einnehmen – schließlich wird man sich als Fan (und an die ist ja so ein Buch für gewöhnlich gerichtet) bereits ein eigenes Bild über die Musik des Künstlers gemacht haben.
Das wäre aber alles durchaus verschmerzbar, doch was das Buch wirklich ein gutes Stück abwertet, ist die unverhältnismäßig große Menge an sachlichen Fehlern, die sich hier eingeschlichen haben. So wird bespielsweise der ehemalige XTC- und jetzige Big Big Train-Gitarrist Dave Gregory ein paar Mal seiner richtigen Band zugeordnet, an einer anderen Stelle aber fälschlicherweise als „späterer Genesis-Gitarrist“ bezeichnet. Auch Jahreszahlen werden öfter durcheinandergebracht, Namen und Songtitel falsch geschrieben und sogar eine offenbar bislang unentdeckte King Crimson-Besetzung von 1985 mit Jerry Marotta an den Drums erfunden. Die Menge an Fehlern nimmt tatsächlich zum Ende des Buches hin zu, als habe den Autor die Lust verlassen – und im letzten Fünftel des Buches entdeckt man selbst als Nicht-Gabriel-Profi alle drei, vier Seiten einen offensichtlichen Fehler. Auch ansonsten nimmt es Easlea mit der Sachlichkeit nicht so genau. So wird auch ausgiebig und ohne Nennung von unterstützenden Fakten spekuliert. Beispielsweise stellt Easlea die höchst wacklige Theorie auf, Phil Collins habe seine Solokarriere musikalisch direkt nach dem Vorbild seines Ex-Sängers konzipiert (wenn es doch nur so wäre, hüstel), auch der Rest der Genesis-Kollegen kommt meist nicht gut weg. Die Behauptung, Genesis hätten den Rest ihrer Karriere im Schatten des Ex-Sängers verbracht, ist auch sehr waghalsig – ist doch generell die häufigste Kritik unter Fans, daß Genesis eben ab 1978 nicht mehr viel mit der Gabriel-Ära zu tun hatten. Auch bleiben viele interessante Fragen zu Gabriels Leben und Arbeit unbeantwortet oder werden, wie beispielsweise der mysteriöse „Mozo“-Songzyklus, nur mit Allgemeinem kurz angerissen.
Trotz des deutschen Titels ist „Peter Gabriel – Die exklusive Biografie“ also eher eine Bewertung Gabriels musikalischen Outputs mit einer durchaus beachtlichen Fülle an Anekdoten als eine echte Biografie, die auf die prägenden Stationen seines Lebens eingeht. Da es ansonsten so gut wie keinen Lesestoff zum Thema gibt, kann man als Interessierter hier durchaus zugreifen, sollte sich aber bewusst sein, dass es hier fast ausschließlich um die Musik geht – der Mensch Peter Gabriel und sein Leben werden hier nicht wirklich greifbarer gemacht.