MONSTERS OF LIEDERMACHING – „Wir sind wahnsinnig gut und edel, aber auch zu bescheiden, das zu sagen!“
Die Monsters of Liedermaching feiern in diesem Jahr ihren 20. Geburtstag. Das machen sie natürlich standesgemäß mit einer großen Tour quer durch die Republik. Trotz des Jubiläums gibt es aber kein reines Best-Of-Programm, die sechs Herren setzen stattdessen ihre liebgewonnene Tradition fort, die kommende Platte live auf der Konzertreise aufzunehmen, und so finden zahlreiche neue Lieder im aktuellen Programm Platz. Wir treffen die Geburtstagskinder Labörnski (Jan Labinski) und Totte (Torsten Kühn) vor der Show in Coesfeld zum Interview.
Hallo Labörnski, hallo Totte!
Beide: Hallo, erstmal Prost auf eine gute Zusammenarbeit!
Danke! Auch wenn unser Magazin Whiskey-Soda heißt, habe ich in Anlehnung an Euren Song und meine emsländische Heimat etwas mitgebracht – Berentzen Korn und Cola, für die gute Zusammenarbeit!
Totte: Danke…und das ist da auch so ein Kultgetränk? Wir werden es auf jeden Fall nachher Fred überreichen, der hat den Song ja geschrieben! Ob er uns guttun wird, weiß ich nicht, aber es freut uns sehr!
20 Jahre habt ihr jetzt voll – erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum! 20 Jahre eine Band, die nur aus Frontmännern besteht. Wie halten es sechs gleichberechtigte Egos miteinander aus, die meisten Bands scheitern schon an zwei?
Totte: Wir schimpfen auf den Schlagzeuger, und der hält das alles aus!
Labörnski: Das hält die Band langlebiger!
Wie wichtig ist bei der Langlebigkeit, dass die Monsters nur ein Projekt von Euch sind, und Ihr euch nebenbei auch anderweitig austobt, bzw. in bürgerlichen Berufen seid? Ist das der Grund, warum es so lange klappt?
Totte: Wahrscheinlich. Es hilft schon, dass die Band genug Freiraum bietet, damit wir was Eigenes machen können. Es ist nicht so, dass wir 365 Tage im Jahr aufeinanderhängen. Wir lassen genug Luft an die Sache, und deswegen kann die Band atmen!
Abgesehen von den Egos, gilt es ja auch, sechs Terminkalender zu koordinieren. Wie muss man sich eine solche Orga vorstellen? Haben die Monsters immer Vorrang vor eigenen Anfragen? Ich weiß, Ihr habt immer zwei große Tour-Blöcke im Frühjahr und Herbst, aber gerade im Sommer sind ja etliche Festivals.
Totte: Das ist auf jeden Fall die Idee. In der Theorie klappt das super, und in der Praxis klappt es genauso, wie in jedem mittelständischen Betrieb.
Wer muss dann im Zweifel absagen bzw. zurückstecken?
Labörnski: Das gibt es so nicht, da muss man immer von Fall zu Fall schauen. Es gibt familiäre Angelegenheiten, die manchmal so ´ne Heftigkeit haben, eine Konfirmation oder Hochzeit vom Bruder zum Beispiel. Das Gleiche gilt auch, wenn man mit seiner anderen Band auftritt, und bei Wacken eine tolle Bühne bekommt, und dann derjenige sagt: „Sorry, aber da muss ich jetzt das andere Projekt einmal vorziehen, denn das ist eine einzigartige Möglichkeit!“ Da sind wir dann auch recht locker. Aber wir haben schon das harte Bestreben, immer zu sechst auf der Bühne zu sitzen.
Totte: Es ist schon wichtig, dass wir komplett spielen. Ab und zu aber lassen wir das Korsett auch ein bisschen auf, und dann spielen wir notfalls zu fünft, wenn es nicht anders geht, wenn der Anlass wichtig genug ist. Wichtig heißt nicht unbedingt groß, sondern uns wichtig genug. Das funktioniert, wir können das kompensieren. Es gab im letzten Jahr den Fall, dass Rüdi einen Schlaganfall hatte, und wir trotzdem die Tour spielen wollten – und mussten. Mit Rüdis Segen natürlich! Das geht dann, das fühlt sich nicht genauso an, wie zu sechst, aber es funktioniert. Da hilft der Sache auch, dass es eben sechs Frontleute sind. Man kann das auffüllen, wir haben jeder sehr viele Lieder.
Im letzten Jahr habt Ihr außer durch Rüdigers Erkrankung auch durch einige coronabedingte Ausfälle Shows zeitweise nur zu fünft gespielt, dabei aber -zumindest in Osnabrück– die Songs vom fehlenden Pensen trotzdem gespielt…
Totte: …die leichteren zumindest!
Wie stark ist das Gang-Ding bei Euch ausgeprägt, und wo überwiegt das Motto „The Show must go on“?
Totte: Das widerspricht sich ja nicht. Die Show kann ja auch als Gang ongoen. Ich verweise da auf Clockwork Orange!
Vor 20 Jahren seid Ihr als relativ spontane Idee entstanden. Wären damals andere oder noch mehr Gleichgesinnte dabei gewesen, wäre es denkbar gewesen, dass heute z.B. Bernd Begemann oder Olli Schulz Mitglied bei Euch wären, ihr zu siebt oder acht auf der Bühne sitzen würdet, oder konnten die Monsters nur in dieser Formation funktionieren?
Labörnski: Es war schon vorgefiltert. Wir haben uns in dieser Liedermacher-Szene bewegt, also in diesem Sinne gab es z.B. Joint Venture, die haben dann Festivals und Liedermacher-Treffen veranstaltet. Da hat man sich schon gesehen, und da gab es ja schon einen großen Strauß an Einzelkünstlern. Da hatten wir im Grunde schon so vorgefühlt, wer kann da menschlich besonders gut miteinander, wer hat eine bestimmte Art von Humor, so dass wir uns irgendwie auch schon von vornherein besonders liebhatten. Nicht dass es mit anderen nicht gepasst hätte, natürlich wären wir auch bestimmt alle austauschbar, wie in anderen Firmen auch, aber wir haben uns gleich von Anfang an so besonders gemocht, und auch die Stücke passten zusammen.
Totte: Das hat sich so natürlich irgendwie entwickelt, da waren auch immer andere Kollegen dabei, der Weiherer aus Bayern oder Vicki Vomit. Es hat sich dann aber herauskristallisiert, dass wir sechs immer dabei waren, und dass das so eine wichtige Sache vom Gefühl war. Dann hatten wir auch ein Festival mit zwei anderen, wo wir die Idee schon mal ausgelebt haben, wir bleiben alle auf der Bühne. Das war in Salzgitter. Das fanden wir sechs total super, und die beiden anderen fanden das ganz furchtbar. Das ist schon organisch entstanden, und war jetzt nicht eine Reißbrett-Idee. Es ist ja auch eine Solo- oder Duo-Kultur, das sind alles profilneurotischen Geschichten, das will auch nicht jeder machen. Ich könnte mir vorstellen, dass es mit Bernd Begemann recht schwierig wäre, obwohl der ein großartiger Musiker ist! Ich habe ihn schon einmal als Gast bei Der Liga der gewöhnlichen Gentlemen gesehen. Das war großartig, aber ich hatte den Eindruck, dass er der Band eigentlich den Rang abgespielt hat durch sein Geltungsbedürfnis.
Was war in den 20 Jahren die a) schönste, b) schlimmste und c) lustigste Geschichte?
Totte: Alles gleichzeitig? Also mal von der schlimmsten Sorte war natürlich der Schlaganfall von Rüdi und für Rudi. Konzertmäßig eines der schlimmsten Erlebnisse war das Betriebsfest, auf dem wir gespielt haben…
Labörnski: …ja, da habe ich heute erst von erzählt!
Totte: Das war das erste und einzige Mal, wo wir uns haben kaufen lassen, für einen damals unglaublich hohen Betrag. Da haben wir gesagt: „Das müssen wir machen, das gibt richtig Kohle und ein super Hotel!“ Und dann spielen wir auf dem Betriebsfest, und das war eine furchtbare Entscheidung…
Labörnski: …man macht das wirklich dann nicht für die Musik, und auch nicht für sich selber, auch nicht für das Fest, sondern nur für das Geld. Ich war noch unerfahren damals, und hätte von meinem Gefühl gesagt: dann gucken die halt nicht so interessiert. Ich finde es aber toll, wie in dieser Band grundsätzlich immer schon eine Rock-Seele war, und die ein gewisses Standing hatte oder ein Gefühl dafür, was eigentlich cool ist. Das habe ich da auch schon gleich durch die Jungs gespürt. Es ging gar nicht um das, was wir auf der Bühne präsentiert haben – da hätte auch ein Jongleur oder ein Party-Clown stehen können. Und danach war klar: Das machen wir nie wieder!
Totte: Wir kamen uns instrumentalisiert von einem Chef, der, warum auch immer, uns eingekauft hat, und es fühlte sich falsch an.
Ok, und was Schönes?
Labörnski: Einer der schönsten Momente -und da gibt es sehr viele, da ist es sehr schwer auszumisten- war beim Open Flair in Eschwege. Da haben wir mal in einem Zelt gespielt. Das ist ein sehr schönes Festival, sehr familiär, aber trotzdem treten da auch sehr große und namhafte Bands auf. Wir spielten das Konzert, und dann war kompletter Stromausfall, gar nichts ging mehr! Wir sind dann auf Unplugged umgestiegen, und haben uns Mühe gegeben, dieses Riesenzelt zu bespielen und zu besingen. Das hat irgendwie funktioniert, und die Leute sind ausgeflippt! Da kam das auch auf, dass die dann „Klatsch, Klatsch, Klatsch – Headliner, Headliner!“ schrien, und zwar mit so einer Inbrunst und einem Feuer! Ich saß hinter der Monitorbox, und hatte richtig Tränen in den Augen!
Totte: Das klingt immer so pathetisch, aber das sind tatsächlich diese Momente, wo auf einmal der Bühnengraben verschwindet und die Bühnengrenze verschwimmt. Man hat das Gefühl, dass man gerade so von der Realität losgelöst in der Oase sitzt, und das war auf jeden Fall so. Alle füreinander, und man kriegt so eine Ahnung davon, wie es wäre, wenn die Menschen etwas füreinander machen.
Das kann ich mir vorstellen!
Labörnski: Ein großer Moment war auch, als wir nach Deichkind gespielt haben, also auf der gleichen Bühne.
Totte: Klar, die schleppen ihre Gummiboote an uns vorbei und sonst was von der Bühne, und wir kommen mit drei Bierbänken, und das vor einer Szenerie von 20.000 Leuten.
Labörnski: Die haben im Backstage hinterher noch gesessen, und konnten selber nicht fassen, wie sehr wir die Massen begeistert haben!
Totte: Die haben uns gratuliert, weil sie nicht gedacht haben, dass irgendwer nach denen spielen kann. Da fühlt man sich dann eine ganze Weile schon mal ganz gut!
Ich stelle mir vor, dass das auch extrem bitter ausgehen kann nach Deichkind.
Totte: Ja, total! Aber auch schön, dass man dann als Sechser-Kombi auftritt, jeder im Grunde als Frontmann diese Verantwortung trägt, und dass man sich nicht wegducken kann. Es war dieser Unterschied zwischen den großen Rockern von Deichkind, wenn auf einmal sechs abgespackte Typen mit einer Kiste Bier kommen. Das Publikum feiert, und das ist ein Moment des Miteinanders, wo die den Spaß einfach mitmachen und so tun, als wären wir jetzt eben auch Stars. Und eins ist klar: Wir sind keine Stars, das ist ein Fakt! Was fehlt jetzt noch?
Lustig!
Totte: Ja, das kann man ja nicht erzählen (lacht)
Labörnski: Wir haben schon Tränen gelacht! Es gab Stühle, die von der Bühne gekippt sind samt Sänger, oder man in der Umarmung verschwunden ist im Nichts …ich glaube, die lustigsten Momente sind dann oft die, die man jetzt gar nicht spektakulär nacherzählen kann, sondern es gibt so Momente, wo wir auf der Bühne zusammenbrechen, wegen irgendeiner Ansage oder so, da brechen dann schon einmal die Dämme.
Totte: Wir schreiben über jedes Konzert einen Bericht in unserem Tagebuch, und es ist gar nicht möglich, dass für die Nachwelt schriftlich festzuhalten. Letztendlich sind es aber die kleinen Puzzleteile von lustigen Momenten, die uns immer wieder zusammenführen und das machen lassen. Es gibt jeden Abend bei uns die Möglichkeit, einen der lustigsten Momente zu erleben -was nicht immer passiert, aber die Möglichkeit ist theoretisch da!
Du hast gerade gesagt, Ihr seid keine Stars…
Totte: Nur das Finanzamt behauptet das!
Zumindest der Name Monsters of Liedermaching ist doch relativ bekannt. Du, Jan, bist wie auch Burger in einem „richtigen“ Beruf unterwegs. Wie reagieren die Leute, Kollegen oder Kunden, wenn die irgendwann mal rausfinden: „Hey, der hat ja noch ein ganz anderes Leben“?
Labörnski: Die können es teilweise nicht glauben, und stehen vor einem und wollen ein Autogramm, bis dahin, dass sie sagen: „Ey, das muss spannend sein, erzähl mal!“ Manchmal ist das schade, dass derjenige das weiß, weil ich möchte gar nicht in meinem anderen Leben unbedingt damit zu tun haben.
Wenn du sagst, wir sind berühmt, weiß ich das gar nicht, berüchtigt von mir aus…
Zumindest bekannt!
Labörnski: Ok, aber es ist vielleicht ganz gut, dass es nicht dieses Über-Level hat, so dass du auch tatsächlich als normaler Mensch im normalen Leben funktionieren kannst.
Ich weiß jetzt nicht, wie es den echten Stars geht. Aber wenn dann jede Bewegung kommentiert wird, ist das, glaube ich, unangenehm. Da mag ich unseren Status unsagbar gerne, ich nenne es berüchtigt!
Totte: Zumal die Bubble, die uns kennt, das sind nicht die Leute, die da einen großen Mythos empfinden. Wir halten es auch nicht geheim, wenn irgendwer bei uns irgendwo arbeitet oder sonst was. Wir stehen nach der Show immer noch rum. Das ist jetzt nicht die Cro-Geschichte, wo man hinter einer Maske rumläuft, und die Leute auf einmal ganz erstaunt sind, dass man auch atmet. Ich finde es aber auch nachvollziehbar, dass es auch ganz cool sein kann, wenn Bands einen Mythos um sich herumbauen, aber das wären wir nicht. Wer von uns nicht ganz so gerne auf Nähe geht, der macht das eben nicht.
Labörnski: Das ist ja auch tagesformabhängig. Wenn mal ein Konzert nicht so war, dann bin ich auch nicht so geil darauf, hinterher alles zu unterschreiben.
Totte: Es sind auch schon Leute weinend weggelaufen, die als Fans gekommen sind, weil ich nicht aufgehört, und sie so in Beschlag genommen habe! (lacht)
Weil sie nicht zu Wort gekommen sind?
Totte: Ja, auch das. Es ist eine große Gabe von uns, wir haben immer so ein bis zwei, und manchmal auch alle, die abends noch tatsächlich mit dem Partyvolk durch die Kneipen ziehen. Nicht immer, aber es kommt immer mal wieder vor.
Ihr seid jetzt mit neuen Programmen auf Tour. Wie muss man sich das Zusammenstellen einer Setlist bei Euch vorstellen? Hat jeder drei Wünsche frei, gibt es Veto-Rechte, wenn einer einen seiner Songs spielen will, den jemand doof findet und/oder gibt es absolute Pflichtsachen, die auf jeden Fall im Programm sein müssen? Ich denke da an „Marzipan“, mit der Ihr immer angefangen habt, wenn ich Euch gesehen habe.
Totte: Ja, das könnte auch sein, dass wir wieder damit anfangen. Tatsächlich springen wir da manchmal. Es gibt so ein paar Sachen, die eigentlich bei jedem oder fast jedem Konzert kommen. Ich nenne das „Dienst am Kunden“, aber es ist schon auch zu einem Selbstzweck, weil ich kenne das auch, wenn ich zu einem Ärzte-Konzert gehe, will ich „Zu spät“ hören, und umgekehrt macht das dann ja auch Spaß. Klar, gibt es auch mal Abende, da macht es keinen Spaß, einen Song runterzuspielen, dann ist ein bisschen automatisiert, aber eigentlich ist es ja schön, dass wir Songs geschrieben haben, die Leute immer wieder hören wollen, obwohl sie die jetzt schon langsam kennen müssten.
Labörnski: Es ist ja so, dass wir zweieinhalb Stunden Programm bieten, und da kann man sich das auch erlauben. Da stört es uns auch nicht, da möchte man das eher selber unbedingt machen.
Totte: Genau! Bei so einer Tour wie jetzt, ist es zum Beispiel auch ein richtig befreiendes Gefühl, nochmal alte Lieder auszupacken, weil wir wahnsinnig viel Neues spielen. Und das ist ja nicht nur für uns, sondern auch für das Publikum anstrengend, weil sie schon eine andere Konzentration brauchen. Zusätzlich wird das alles aufgenommen, und man versucht, eine aufnahmewerte Version davon zu spielen. Dann lässt der Druck bei diesen Hits, so nenne ich sie jetzt mal, dann nach, und das hilft der Setliste natürlich – insbesondere bei solchen Touren wie jetzt.
Aber ein Veto, oder andersherum, wenn jemand zwingend einen Song durchdrücken will?
Labörnski: Also, jeder kann letztendlich machen, was er will! Wenn ich dran bin, kann ich sagen, ich möchte jetzt das spielen – wer soll da was tun? Wir hauen uns dann nicht von der Bühne. Wir sprechen da aber drüber, und es werden auch Befindlichkeiten ausgetauscht: „Den würde ich gerne spielen“, oder „Den würde ich gerne aufgenommen haben“. Das darf man alles machen, und da sind wir auch immer basisdemokratisch im Großen, aber so letztendlich darf jeder für sich entscheiden.
Totte: Gibt auch schon mal Stunk deswegen klar, aber Stunk gibt es auch manchmal so.
Labörnski: Wie du schon sagtest, ich komme auch aus einem normalen Job. Da kenne ich Gespräche aus Firmen, wo auch Abläufe diskutiert werden, oder Verhalten besprochen wird und dergleichen. Wenn ich unsere „Firmen“-Gespräche mitkriege, ist das im Vergleich wunderschön.
Was das angeht, leben wir in dieser Band einen Traum!
Eure Songs sind ja eher im komödiantischen verhaftet, ernste Themen tauchen nur sehr begrenzt auf. Sind solche Songs grundsätzlich tabu oder ist denkbar, dass es auch mal wirkliche Liebeslieder und/oder politische Songs gibt? Zumindest auf Rüdigers Solo-Alben geht es ja ganz anders zur Sache.
Totte: Aber da ist er (Rüdiger) groß instrumentiert unterwegs. Das Konzept ist ein anderes als bei einer Monsters-Live-Show. Wir haben weder Berührungsängste noch irgendwas gegen Ernsthaftigkeit, im Gegenteil: Wir haben schon von Anfang an immer einen Balladen-Teil gehabt. Es ist natürlich immer einfach, mit etwas Lustigem zu starten, um erste Bande zu knüpfen. Um Max Goldt zu zitieren: Gelächter ist ein ausgesprochen häufiges Geräusch. Man kriegt die Reaktion viel direkter, und den Applaus viel schneller mit durch humorvolle Songs, deswegen schreibt man wahrscheinlich auch verhältnismäßig viele. Aber wir haben immer auch ernste Songs im Programm. Auf der Tour finden wir das auch befreiend! Wir sind keine Comedy-Kapelle, im Gegenteil. Wir sind humoristisch, aber nicht zwangsläufig und ausschließlich.
Wir waren gerade schon beim Thema Festivals. Wie unterscheidet sich die Programmauswahl bei den verschiedenen Veranstaltungen, und wie nehmt Ihr das Publikum wahr, das bei Open Airs nicht nur und ausschließlich wegen Euch da ist, und eher in die Kategorie „Laufkundschaft“ fällt?
Labörnski: Da ist doch klar: Hits, Hits, Hits!
Totte: Auf jeden Fall lauter, ein bisschen griffiger, ein bisschen catchy. Da sind wir wieder bei Humor-Sachen, weil die schneller greifen, und die Leute sich nicht so emotional drauf einlassen müssen, selten Balladen.
Labörnski: Wir versuchen natürlich immer, auch mal eine Ballade mit einfließen zu lassen, damit sie auch wissen, es gibt noch eine andere Seite von den Monsters…
Totte: …aber die sind dann auch eher so catchy, das ist eher der Blues als irgendein fünf Minuten Stück, das nur in die Tiefe geht. Wir müssen in weniger Zeit, mehr Konzentration erzwingen, weil die Leute ja nicht zielgerichtet für uns kommen, und auch dann nicht so gemütlich sitzen. Heute und hier können wir ein bisschen die Stimmung diktieren, weil die Leute sich schon auf uns eingelassen haben. Sie haben sich schon entschieden, mit uns den Abend zu verbringen.
Redet man dann eher mehr auf der Bühne, oder eher weniger bei so einem Stadtfest, muss man da mehr animieren?
Labörnski: Das ist das Einzige, was völlig frei ist bei uns. Da darf jeder, wie er gerne möchte. Man merkt ja, wie die Stimmung auf der Bühne ist. Ich habe zum Beispiel mit Ansagen tatsächlich so ein bisschen Probleme, das ist tagesformabhängig. Das kann grandios sein, und das kann auch: „Danke, dass du nichts gesagt hast!“ sein.
Totte: Es sind schon sehr viele geniale Momente bei Dir dabei!
Labörnski: Aber da wir ja sowieso zu sechst sind, multipliziert sich das ins Positive.
Totte: Es ist natürlich auch so, dass man auf Festivals ein viel engeres Zeitkorsett hat. Wenn wir hier heute ein paar Minuten länger machen, ist das nicht so schlimm, aber auf einem Festival stört man dann den Ablauf, und wohlmöglich klaut man den nachfolgenden Bands Zeit. Es ist aber auch schon vorgekommen, dass wir ein Lied weglassen mussten, weil eine Ansage zu lange war.
Labörnski: Wir achten sehr darauf, wirklich im Timetable zu bleiben. Da sind wir sehr, sehr gut drin. Wir rechnen dann unsere Stücke so durch, was müssen wir schaffen, wo könnte eine Ansage passen, was wird dann automatisch länger. Was das angeht, sind wir fast schon ritterlich!
Totte: Wir sind wahnsinnig gut und edel, aber auch zu bescheiden, das zu sagen! (beide lachen)
Ihr habt bislang mit „Für alle“ vor sechs Jahren eine Platte im Studio aufgenommen, danach ging es wieder zurück zu Live-Aufnahmen, so wie auch auf dieser Tour. Wie kam es zur Entscheidung für das Studio, und warum war dann nach einem „Ausreißer“ wieder Schluss damit?
Totte: Das ist heißt nicht, dass es bei einem Ausreißer bleibt! Es hat erst da stattgefunden, weil wir erst da das Gefühl hatten, wir gehen mal einen Schritt weiter. Wir wollten mal ein bisschen unsere Pfade verlassen, und einfach mal hören, wie klingt das, wenn wir arrangieren. Wir waren aber auch schon lange genug dabei, um zu wissen, wenn wir eine Platte im Studio machen, worauf wir achten müssen, und was wir wollen, damit unseren Spirit nicht verloren geht. Deswegen hat es so lange gedauert. Ich bin auch froh drum, weil das ein Album ist, das wahnsinnig charmant geworden ist, allen Kritikern zum Trotz – die es natürlich auch gibt. Aber ich bin damit sehr glücklich. Ich glaube, die ganze Band ist mit dem Album total glücklich!
Labörnski: Genau! Ich kann mir das für die Zukunft auch sehr gut vorstellen, dass wir das noch einmal machen.
Totte: Uns wurde ja vorgeworfen, wir hätten mit dem Studio-Album auf das große Geld geschielt, aber finanziell ist so eine Live-Sache natürlich günstiger. Da kommen wir her, und deswegen machen wir das gerade jetzt, in der Verbindung mit 20 Jahren Monsters und einer Geburtstagsparty. Das wollten wir uns nicht nehmen lassen. Das bedeutet aber nicht, dass kein Studioalbum mehr kommt. Vielleicht das nächste, vielleicht das übernächste? Wir verteidigen die Entscheidung total. Ich glaube aber, es war gut, dass es erst so spät gekommen ist, sonst hätten wir vielleicht irgendwelche Kompromisse gemacht, die wir jetzt nicht gemacht haben.
Lustigerweise habe ich mich die letzten 14 Tage durch alle Platten nochmal komplett durchgehört, und die Studio-Scheibe ist die Einzige, die ich mir zweimal angehört habe, weil sie eben anders ist!
Totte: Ja, genau! Die funktioniert musikalisch auf einer ganz anderen Ebene. Bei Live-Platten ist die Stimmung direkter, ich kann das alles nachvollziehen, und das ist eine eins-zu-eins-Übersetzung, aber es ist auch ein bisschen wie ein Gag, dessen Pointe man schon kennt.
Labörnski: Oder man will im Auto mal einem Kumpel was vorzuspielen von der Band, ohne selbst zusammenzucken, wenn man sich wieder versungen hat.
Auf der neuen Tour gibt es trotz Geburtstagsparty Neu-Aufnahmen. Wie viele neue Lieder wird es geben?
Totte: Geburtstagsparty heißt ja auch „Topf schlagen“, und man weiß nicht, was drunter ist! Es wird eine Überraschungsparty, ich glaube so 12 bis 14 Songs sind jetzt neu.
Wow! Als etwa die Hälfte des Programms?
Labörnski: Ja, ungefähr die Hälfte, die Zugaben mal außen vor, aber selbst da gönnen wir uns noch mal das eine oder andere neue. Aber schon sehr ausgewogen, so dass das Konzert für alle angenehm wird.
Totte: Es ist schon viel neues Zeug, aber eben gutes Zeug!
Labörnski: Das ist auch eine Besonderheit auf dieser Tour, dass wir tatsächlich vom ersten Konzert an schon überzeugt waren von uns, auch weil die die Stücke so gut geprobt waren.
Totte: Ich hatte schon ganz schön Schiss!
Labörnski: Das ja, aber auch die Crew meinte, es wäre, was die neuen Songs angeht, tatsächlich unser formidabelster Auftakt.
Totte: So wurde uns zumindest berichtet, aber versprechen wir mal nicht zu viel für heute Abend, wird bestimmt ganz ok! (beide lachen)
Und die Platte kommt dann wann?
Labörnski: Ende Juni wird das interessant, da kommen die ersten Singles, und dann im Herbst das Album!
Liebe Monsters, lieber Totte, lieber Labörnski, wir werden auf jeden Fall von der Scheibe berichten, Euch nun eine gute Vorbereitung und bis gleich beim Konzert!
Wir danken! Es hat viel Spaß gemacht und danke für Korn und Cola!
Fotocredit: Wolfgang@Whiskey-Soda