Living The Dream

Eigentlich hatte Slashs Post-GN’R-Karriere ja relativ wenig vielversprechend angefangen. Zwischen den – durchaus gelungenen – Alben des Snakepit-Projektes lag eine gefühlte Ewigkeit, und auch Velvet Revolver fielen nach einem Traumstart eher durch Scott Weilands Exzesse als durch regelmäßige Präsenz auf. Aber seit sich Slash mit Myles Kennedy zusammengetan hat, kann man vorm Arbeitsethos des Briten nur den Hut ziehen. Auch wenn es diesmal vier Jahre gedauert hat, bis ein neues Album nachgeschoben wurde, hat Slash seine Fans ja vorbildlich mit Zuckerstückchen wie der „Roxy“-DVD und dem „Nothing Left To Fear“-Soundtrack-Album gefüttert. Nicht zu vergessen, dazwischen gab’s ja auch noch ne Reunion mit Guns N’Roses.

„Living The Dream“ setzt, wenig verwunderlich, genau dort an, wo „World On Fire“ geendet hatte. Natürlich dürfen und werden die Zyniker Slash vorwerfen, mit „Living The Dream“ ausschließlich auf Nummer Sicher zu spielen. Und zugegeben, den ganz großen Überhit wie ‚Slither‘ oder gar ‚Paradise City‘ bleibt auch das dritte Conspirators-Album schuldig. Aber, unter uns Pfarrerstöchtern: den lieferten auch gehypte Neu-Altrock-Truppen wie Greta Van Fleet und Co. bislang noch nicht. Wie man’s dreht und wendet, der kompletten Konkurrenz ist Slash aber natürlich immer noch mindestens um eine Geheimwaffe überlegen – und die heißt Wiedererkennungswert. Denn sowohl der musikalische Mix aus groovigem Siebziger-Hardrock, knochigem Bluesrock, Neunziger-Alternative-Sounds und frechem Sleaze-Rock als auch der Gitarrensound sind vollkommen unverkennbar – ebenso wie Myles Kennedys leicht quäkige Stimme, die perfekt zu den Songs passt. Und die kommen natürlich auch ohne irgendwelche Ausfälle. Ob treibende Abgehnummern wie ‚Call Of The Wild‘ oder das schon vorab veröffentlichte ‚Mind Your Manners‘, Radiofutter wie ‚Driving Rain‘ und ‚My Antidote‘, das bluesige ‚The Great Pretender‘, bei dem Slash hörbar Gary Moore huldigt oder das Aerosmith-meets-Extreme-mäßige, angefunkte ‚Sugar Cane‘, alles auf hohem Niveau und ohne eine Sekunde Langeweile. Nur das Country-lastige ‚The One You Loved Is Gone‘ schielt mit seinen Streichern ein wenig zu arg in Richtung Mainstream-Radio, das exzellente, urtypisch singende Gitarrensolo am Ende des Songs (Les Paul forever!) macht das aber für Fans schon wieder wett. Und ja, Slash – Dreck, Rotz, Feeling, Blues, alles ohne in langatmiges Gedudel zu verfallen. Hat der tiefenentspannte Mr. Hudson gar nicht nötig, sagt er doch in zwölf Takten meist mehr als manche komplette Instrumentalscheibe.

Kurz und knackig gesagt: Slash hat erneut ein überraschungsfreies, aber absolut gelungenes Rock’n’Roll-Album veröffentlicht, das sich jeder Fan ohne Nachdenken ins Regal stellen kann. Nachdem in den letzten zehn Jahren viele der verläßlichen Immer-Gut-Legenden wie Motörhead, Dio, Gary Moore oder Aerosmith die Rente beantragt oder sich ins nächste Leben aufgemacht haben, ist es doch schön, dass man mit Slash wenigstens noch eine Rock-Ikone hat, die durchgehend Qualität mit einer ganz ureigenen und nicht klonbaren Handschrift abliefert. Zusammen mit der neuen, amüsanterweise ebenfalls „Living The Dream“ betitelten Uriah Heep-Scheibe ganz klar ein unumgängliches Highlight für alle qualitätsbewussten Hardrocker.

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