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All Our Gods Have Abandoned Us

Gut zwei Jahre sind seit dem Meisterwerk „Lost Forever, Lost Together“ der britischen Vorzeige-Metalcorer Architects vergangen. Das Album hatte bei uns die seltene 1+ abgeräumt, nicht nur mit der Power-Musik, sondern vor allem wegen dem selten so gelungenen Dreiklang aus Musik, Emotionalität und tiefgründigen Texten. Da sind die Erwartungen an den Nachfolger natürlich himmelhoch und man hofft als Rezensent irgendwie, dass einem nicht eine (zumindest relative) Enttäuschung bevorsteht. Die Jungs aus Brighton schaffen den Spagat aber gut, so viel sei schon vorausgeschickt – und dabei ist schon der Albumtitel ein Statement an und für sich, das zeigt, wohin die Reise geht: Die Herren blicken nach wie vor kritisch in die Welt. Was sie sehen, scheint sie nicht gerade mit Hoffnung für die Zukunft zu erfüllen. Was angesichts dessen, was da so abläuft, nicht verwunderlich ist. Die Architects thematisieren das in ihrer Musik – sie können gar nicht anders. Intensive Erlebnisse, intensive Musik.

‚Nihilist‘ eröffnet das Album – und zwar wie eine tierisch angepisste Urgewalt. Frontmann Tom Searle scheint wohl erst einmal mit ultradeftigen Screams ein Ausrufezeichen setzen zu wollen – was ihm eindrucksvoll gelingt. Erst nach einer Minute atmet der gute Mann einmal durch – Zeit für seine Mitstreiter, Qualität in Form einer melodischen Bridge vorzulegen. Die Dualität vom Harmonie und Wut, Melodik und Härte bleibt auch auf dem neuen Album ein Markenzeichen der Band. ‚Deathwish‘ verdichtet sie genauso gelungen in Musik, die Wut und die schwere Hoffnungslosigkeit, die die Architects über die Geschehnisse um sie herum fühlen. ‚Gone With The Wind‘ ist ein Song, bei dem Searle auch cleanen Gesang einfliessen lässt. Weniger intensiv wird die Musik dadurch aber nicht – im Gegenteil. Die gequälte Stimme potenziert die Emotionalität des Albums sogar noch, eine der ganz grossen Stärken dieser Band. Sie täuscht keine Emotionen vor – die Gefühle, die Zerrissenheit, die Wut sind echt. Quälend echt. ‚The Empty Hourglass‘ kombiniert diese Stärken noch mit einer schlafwandlerischen Eingängigkeit, die sich in die Seele einbrennt. Gänsehaut garantiert, was für ein Song! ‚Gravity‘ erleichtert die Schwere mit seinen Synthesizer-Klängen etwas und auch bei ‚All Love Is Lost‘ driften die Emotionen ein wenig weg von der Wut und hin zu Schwermut und Melancholie.

Dieser Spannungsbogen steht dem Album gut zu Gesicht und ist auch glaubwürdig, macht „All Our Gods“ aber als Ganzes etwas weniger eingängig als den Vorgänger. Das ist nicht besser oder schlechter, aber der augenfälligste Unterschied zu „Lost Forever“. Beim Album-Abschluss ‚Memento Mori‘ vereinigen sich beide Pole „Wut“ und „Schwermut“ inmitten elektronischer Beats, in beide Richtungen schlagen die Nadeln der Emotionsmessers hier aus. Eruptiver Zorn wie zu Beginn – hin. Ruhige, verzweifelt-gequälte Töne – her. Das neue Architects-Album ist sehr stark geworden. Es schafft den Spagat, keine Kopie des hervorragenden Vorgängers zu sein und trotzdem die Trademarks der Band auf hohem Niveau beizubehalten. Emotionen und der reflektierte Blick in die Welt gehört bei den Jungs ohnehin dazu.

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