Live For The Moment
Zum ersten Mal hatte ich dieses Gefühl letztes Jahr beim Wolf Alice-Konzert. Ein Flashback, dass sich mir der Magen zusammenzog. Alles klang, sah aus und fühlte sich an wie im London Mitte der Neunziger, als Popkultur und Lebensgefühl mit dem Label Cool Britannia bedacht wurden. Das Gefühl schlug mit voller Breitseite wieder zu, als ich zum ersten Mal das Video zu ‚Chasing Shadows‘ von The Sherlocks sah. Ich weiß, dass das Musik von Teenagern für Teenager ist. Aber was soll man tun als sich ergeben, wenn die Nostalgie ihren Tribut zollt?
Zumal wenn sich jemand so possierlich verkauft, wie The Sherlocks. Ist euch der trotzig-abgeklärte Blick von Sänger Kiaran Crook im Video aufgefallen? Als ob ihn das alles gar nichts angeht. Baby face mit einem Habitus, als hätte er 30 Jahre auf dem Bau geackert. In Interviews ziehen die Jungs vom Leder, wie sie sich in vielen Jahren unermüdlichen Musizierens hochgearbeitet haben. (Man beachte, dass ‚Live For The Moment‘ ihr Debütalbum ist.) Wann haben sie angefangen, mit Zehn? Das ist das gesunde und unendlich unterhaltsame Selbstvertrauen, wie es nur in der englischen Arbeiterklasse zu finden ist (siehe die Gebrüder Gallagher). Keine Ahnung, wie alt die Vier aus Sheffield tatsächlich sind, aber ich hoffe, sie schließen neben ihrer Karriere noch ordentlich ihre Schule ab.
Ok, über 1.000 gespielte Konzerte, bevor überhaupt das Debüt-Album erscheint, sind ein beeindruckendes Register, fair enough. Dass darunter ein Support-Engagement für Kings Of Leon war, überrascht an dieser Stelle niemanden mehr. Denn die Songs von The Sherlocks haben unleugbar eine hohe Qualität – dank ihrer Reminiszenzen. Ein bisschen Oasis, ein bisschen The Cast, ein bisschen Bluetones. Große Geste, die Welt kann uns mal. We’re never growing old. Emotionalisierter Gitarrenrock mit Macker-Image, weiche Schale und harter Kern. (Britrock eben.) Wie sonst Rock’n’Roll angehen, wenn nicht so!?
‚Live For The Moment‘ ist so gelungen, dass man getrost die Maschinerie hinter The Sherlocks vergessen darf. Die lebensweise Texte ignorieren, die man den Jungs ohne Bartwuchs gar nicht abnehmen KANN, und die dicke Produktion, die keinen Zweifel daran lässt, wie sie von einer großen Firma gepusht werden. Das war bei Blur und Oasis damals genau so. Was macht man also als Fourty-Something mit all diesen starken Gefühlen, die auf einmal wieder da sind? Das Album einfach nochmal hören. Und dann Oasis‚ ‚Definitely Maybe‘. Und dann Pulp’s ‚Different Class‘. Und sich über The Sherlocks freuen und ihr ungetrübtes Ego und all das, was noch vor ihnen liegt.