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In Sequence

Bereits 1997 von Gitarrist Ben Varon und Schlagzeuger Juhana Karlsson als Cover-Band im zarten Jugendalter gegründet, haben Amoral aus Helsinki spätestens seit ihrem letzten, sechsten Album „Fallen Leaves & Dead Sparrows“ eine wachsende Fangemeinde zu verzeichnen. Das vielseitige Metal-Album mit der wunderschönen Coverabbildung einer jungen und einer alten Frau wurde mit Lob geradezu überschüttet. Opus Nummer Sieben mit dem Titel „In Sequence“ erscheint nicht einmal zwei Jahren nach seinem Vorgänger und macht die Band zu einem Sextett. Der 2008 ausgestiegene und vom finnischen Casting-Show-Gewinner Ari Koivunen ersetzte Sänger Niko Kalliojärvi ist zurück. So hat die Band nun drei Gitarristen und zwei Sänger. Eine Tatsache, die den jüngsten Stilentwicklungen der Band hervorragend entgegen kommt und auf „In Sequence“ auch umgehend genutzt wird: Die Vielseitigkeit der Band hat sich tatsächlich noch einmal vergrößert – Amoral schaffen es, die einfache Schubladisierung als Metal-Band hinter sich zu lassen, so zahlreich sind Stimmungen, Idee und Einflüsse.

Der das Album eröffnende, musikalische Epilog stellt die stimmungsvolle Seite von Amoral heraus. Ambient-Post-Metal kommt einem in den Sinn, und auch der zur Hälfte des Liedes einsetzende Gesang von Koivunen mit seiner hohen Stimmlage setzt genau auf diesen wohlig-düsteren Effekt. Bei ‚Rude Awakening‘ hört man das erste Mal die gefällige Kombination von Koivunens Stimme mit den Growls von Kalliojärvi, wie man sie natürlich auch schon von anderen Bands kennt. Man muss aber neidlos anerkennen, daß die Mixtur wunderbar zum Sound von Amoral passt.

‚The Betrayal‘ bietet orientalischen Gesang und Trommeln zu Beginn, dann derbes Black-Metal-Drum-Stakkato. Die eigentümlichen Gesangslinien der beiden Sänger überlagern sich, die Gesamtwirkung ist: Das hier ist keinesfalls so leicht verdaulich wie die liebliche Stimme von Koivunen eine erwarten lässt. Im Gegenteil spielen Amoral mit den Erwartungen der Hörer und machen Lust auf mehr. ‚Sounds of Home‘ klingt wie ein folkig-düsterer Singer-Songwriter-Titel, eine wundervolle Ballade mit Saxophon. Logisch, daß nach so einem Song ordentlich Gas gegeben wird. Aber ohne Klischees bitte. So eröffnet ‚The Next One To Go‘ zwar mit einem sehr dynamischen Schlagzeug, der dann aber gerade NICHT von den erwarteten Growls potenziert wird. Das hier ist ein astreiner Progressive-Rock-Titel, mit Emotion, abgefahrenen Taktarten und einer ganz eigenen Melodik!

In eine ganz ähnliche Richtung geht auch ‚Helping Hands‘: anspruchsvolle Struktur und emotional aufgeladener Gesang stellen sich in den Dienst einer wundervollen Melodik. Mit dem 11-Minuten-Opus ‚From The Beginning‘ endet „In Sequence“ opulent und bietet nochmals das Meiste von dem komprimiert auf, was das Album als Ganzes ausmacht: Schwere Riffs werden zu verspielten Akustik-Tönen, Koivunen gibt den Hohenpriester der Melancholie, Gitarren- und Keyboardsoli werten das progressiv-melodische Meisterwerk zusätzlich auf und zum Höhepunkt wird’s gar noch symphonisch.

Amoral haben sich nochmals weiter entwickelt. „In Sequence“ ist abwechslungsreicher und vielseitiger als der direkte Vorgänger, der wiederum etwas mehr aus einem Guss aber ebenso emotional ansprechend ist. Der doppelt besetzte Sänger-Posten ist sicherlich ebenfalls eine große Neuerung, doch trotz der Growls kommt Amoral kaum je wie eine Melodic Death Band rüber. Die Schublade „Progressive Metal“ mag undankbar scheinen, dennoch passt sie am besten. Amoral scheren sich nicht um die Gesamtwirkung ihrer einzelnen Einflüsse, stattdessen werden sie zur bestmöglichen Essenz aus der Sicht der Band verdichtet: Melodischer, melancholischer Metal, der sich nicht schon nach dem zweiten Mal anhören abgenutzt hat. Für den ist Finnland ja berühmt. Auch wegen Amoral.

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