Vor nicht einmal zwei Jahren hat der britische Tausendsassa Kavus Torabi mit seiner neuen Band Knifeworld bei Inside Out das erste Album veröffentlicht. An der Grundrezeptur des immens ungewöhnlichen Sounds irgendwo zwischen Progressive Rock und Psychedlic Pop inklusive Bläsern hat sich nichts geändert. Im Detail schon. Denn in der relativ kurzen Zeit ist viel passiert. Wir haben mit dem im Iran geborenen Workaholic über Verlust, Erfolg und den Stellenwert von Gitarren auf dem neuen Album "Bottled Out Of Eden" gesprochen.

Whiskey-Soda (WS): Hallo Kavus, wir haben dich im Juli 2014 schon einmal interviewt zur Veröffentlichung eures damaligen Albums. Ihr habt für „The Unraveling“ einiges an positiven Rückmeldungen bekommen, aber die Charts habt ihr damit sicher nicht gestürmt. Wie hat sich dein persönliches und künstlerisches Leben denn seit dem letzten Album verändert?
WS: Ich wette, die knapp zwei Jahre seit dem Erscheinen von „The Unraveling“ war ganz schön was los. Ihr habt unter anderem ne Tour mit Amplifier gemacht, eine Single-Sammlung über dein eigenes Label Believers Roast herausgebracht und natürlich das neue Album aufgenommen und produziert. Hast du denn bei deinen anderen Projekten ein bisschen kürzer getreten oder hast etwas aufgegeben? Ein Tag hat schliesslich nur 24 Stunden, egal wie psychedelisch man drauf ist.
KT: Seit „The Unraveling“ habe ich ein Album mit Guapo und eines mit meiner anderen Band Gong aufgenommen und herausgebracht. Als ich mit dem neuen Knifeworld Album fertig war habe ich ein Album meines Folk-Projektes Admirals Hard abgemischt und aktuell bekommt ein neues Gong-Album von mir gerade den letzten Schliff. Dass ich zwischendrin auch noch mit all diesen Bands auf Tour war, klammere ich jetzt mal aus. Irgendwie schaffe ich es sogar noch Zeit für meine Pflichten als Vater und Ehemann zu finden und ein bisschen Geld ausserhalb der Musik zu verdienen. Die Art von Musik, die ich mache, ist leider nicht so gut bezahlt.
WS: In der Presseinformation zu „Bottled Out Of Eden“ ist die Rede davon, dass das Album ein Konzept-Zyklus aus elf Liedern ist, die um die Themen Verlust und Hoffnung kreisen. Das klingt so, als wärst du mit persönlichen Verlusten konfrontiert gewesen. Sieht der Prozess des Trauerns bei einem Komponisten anders aus als bei „normalen Leuten“?
KT: Ich hab im letzten Jahr vier sehr gute Freunde verloren. Vier! Ich kann es manchmal immer noch nicht glauben. Der erste war mein Bandkollege Daevid Allen, dem Bandleader von Gong. Kurz danach folgte Nick Marsh von Flesh For Lulu. Beide hatten Krebs. Danach starb ein lieber alter Freund von mir an MS. Er war jünger als ich und Soundingenieur und wir hatten in der Vergangenheit nicht nur zusammen gearbeitet sondern auch gewohnt. Der letzte Fall war nur wenige Tage nach dem letzten Verlust hat mich am stärksten beschäftigt. Es war der Suizid eines unglaublich begabten Musiker und absolut einzigartigen Menschen, dem ich seit meinen Teenager-Jahren nahe stand. Ich erwähne das alles, weil Knifeworld für mich schon immer das intimste meiner verschiedenen Projekte war und ich habe mich immer bemüht, die Texte schonungslos ehrlich zu halten.
WS: Ihr seid ja ein Oktett – das ist in der Rockmusik sehr ungewöhnlich und wahrscheinlich in der einen oder anderen Hinsicht eine ganz schöne Herausforderung. Was hast du als Bandleader diesbezüglich denn bisher Neues gelernt?
KT: Nur, dass ich die Herausforderung liebe. Vor „The Unraveling“ hatte ich noch nie für ein Oktett komponiert. Als jetzt „Bottled Out Of Eden“ anstand, konnte ich ganz spezifisch für diese Gruppe von Musikern schreiben. Jeder ist auf seine Weise ein wundervoll eigenständiger Musiker, was es mir wohl ermöglicht hat, auf eine Art und Weise zu komponieren wie ich es ansonsten nicht gekonnt hätte. Ich fühle mich privilegiert meine Musik mit ihnen zusammen zu machen, es ist eine Freude und Ehre.
WS: Was sagst du zu folgendem Zitat aus einer fiktiven Albumkritik: „Wenn anstelle der Blasinstrumente mehr Gitarren zu hören wären, wäre das Album noch besser geworden. Schliesslich ist Rockmusik Gitarrenmusik.“
WS: Eine letzte Frage, nochmal ein hypothetisches Zitat: „Bestimmte Kunstformen sind ohne den Gebrauch psychedelischer Drogen gar nicht möglich.“ Eine provokative Frage vielleicht, aber wie würdest du antworten?
KT: Ich würde nicht unbedingt zustimmen. Frank Zappa und David Lynch haben es geschafft, absolut psychedelische Kunst ohne den Gebrauch solcher Drogen zu erschaffen. Für mich selbst waren sie in einer bestimmten Phase meines Lebens unverzichtbar. Ich würde das nicht jedem empfehlen, aber auf meine Psyche haben Psychedelika ehrlich einen positiven Einfluss gehabt! Sie haben mir absolut neue Wege und ein neues Verständnis für Kunst eröffnet, von denen ich noch heute zehre. Sie hatten einen tiefgreifenden Effekt auf meine Weltsicht, die Art und Weise wie ich Musik erschaffe und meine Innenwelt. Zudem haben sie mir geholfen, meinen Frieden mit dem Gedanken an die eigene Sterblichkeit und unschönen Erlebnissen in meiner Kindheit zu machen.