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KARIN RABHANSL – Von mies bis geil

Mit der nötigen Portion niederbayerischem Sturschädel, wie sie selbst sagt, hat sich Karin Rabhansl mittlerweile als Musikerin etabliert. Neben der Karin Rabhansl Band und Solo-Auftritten gibt es noch die Pets oder Fischer und Rabe und das kreative Spektrum reicht entsprechend von Rock, Punk und Leadgitarrentum bis hin zu Singer-Songwriter-Sound. Oder anders: Ein riesiges musikalisches Herz eben. Den Anstoß, um selbst Musik zu machen gab damals der Typ aus dem Nachbardorf. Wenn der es schafft, seine eigene Musik zu machen, kann das Karin Rabhansl erst recht.

Es ist mitunter ein schmaler Grat, um sich als Musiker zu positionieren. Sozialkritisch zu sein ist etwas, was der Sängerin leicht fällt, ebenso für Feminismus zu kämpfen. Aber mit politischer Positionierung tut sie sich nach wie vor schwer, aus dem Gefühl heraus, diesbezüglich nicht gebildet genug zu sein, wie sie erklärt: „Ich will hundertprozentig wissen, wovon ich rede.“ Da schimmert er also schon durch, der Perfektionsanspruch an sich selbst. Etwas, das Frauen scheinbar in ganz besonderer Art und Weise ansozialisiert wird. Auch wenn sich das bei der nächsten Generation zu bessern scheint. „Die sind einfach cool. Wobei es schon von der Sozialisation her so ist, dass die Jungs sich einfach hinstellen und machen – auch wenn sie nur 1,5 Akkorde können und die Mädels oft der Meinung sind, dass sie noch nicht gut genug sind.“ Als diplomierte Musikerin, die ja Gitarre unterrichtet, versucht sie bei ihren Schüler*innen schon auf ein Gleichgewicht zu achten, auch wenn es ihr selber nicht anders geht: „Ich hatte immer so männliche Gitarrenhelden in meinen Bands, da habe ich mich selber nie an Soli getraut, bis mich Julia [Anm. d. Red.: von Fischer & Rabe] dazu gezwungen hat.“
Moment, wo ist jetzt eigentlich nochmal der rote Fragen-Faden? Spoiler: Der kommt zusammen mit de wie war noch die Frage-Momenten öfter abhanden, lief eben von allein total gut, das Gespräch.

Also politisch war es. Karin Rabhansl erzählt gerade lachend, warum man beim Konzertflyer-Verteilen mit CSUlern aneinandergeraten kann, sozusagen als klassische Milieustudie: Er: „Das sieht schon wieder so linksgrünversifft aus!“ worauf sie entgegnet, er solle sich das Konzert ansehen und dann urteilen. „Ich vermisse die Grautöne. Alles ist nur noch schwarz oder weiß, es gibt kein Miteinander mehr.“ Es ist eben mittlerweile so, dass andere Meinungen offenbar nur noch schwer auszuhalten sind.

Um noch einmal auf das zentrale Thema des Albums, das Leben, zurückzukommen: Es ist ja oft eine bunte Mischung aus real erlebten und fiktiven Situationen, die in die Songs einfließen. Dass aber gerade die, bei denen man sich ganz sicher ist, dass es sich um Fiktion handeln muss, die Realität widerspiegeln, findet man im Song „Anett“. „Ich habe bei einem Songwriter-Wettbewerb gespielt, der war in so einem Schickimicki-Hotel, ganz schrecklich. Danach bin ich mit dem Schlagzeuger einer anderen Band in eine Bar gegangen. Und da kam Sie: Zuerst leicht angetrunken und hat mir ein Ohr abgekaut mit ihrer Lebensgeschichte und hat dann angefangen, meine Brüste zu begrapschen. Selbst der Wirt ist immer dazwischen gegangen. Für den Song war mir der andere Blickwinkel wichtig – es gibt eben nicht nur die toxische Männlichkeit“. Was auf den ersten Blick eine witzige Anekdote ist, über die man herzhaft lachen kann, ist im zweiten Moment aber durchaus traurig. Traurig, dass ein Grenzen akzeptieren nicht selbstverständlich ist.

Auch ein weiteres Thema möchte die Musikerin, welche ihre Shows seit jeher selbständig bucht, aus der Grau- und Tabuzone holen. „Ich bin total dafür, dass man transparent über Gagen und Geld spricht. Beim Booking-Stammtisch von John Steam Jr. wurde genau das mal thematisiert, und das finde ich wahnsinnig wichtig.“ Mehr Offenheit und Lockerheit im Umgang damit bieten nämlich auch die Chance, mehr Gleichheit oder Vergleichbarkeit zu schaffen.

Mama knows it best

Zweifelsohne ist der Weg des Feminismus noch ein weiter. Manchmal sind es dann eben doch die kleinen Tipps der Mamas, welche sich in unser aller jugendliches Feier-Ich eingebrannt haben: Wenn du nach Hause gehst, setz den Kapuzenpulli auf und geh wie ein Typ. Der Satz von Mama Rabhansl als ultimative Empfehlung: „Karin, du kannst schon saufen, aber dann zieh bitte kein Kleid an!“ Auch wenn es richtig gute Typen gibt, die von sich aus darauf achten, dass Frauen, wenn sie alleine unterwegs sind, sich durch das Auftreten oder Aussehen nicht bedroht fühlen, ist es leider nicht abzustreiten, dass Übergriffe noch immer jeder zweiten Frau passieren. Deswegen sind Lieder wie „Anett“ so wichtig: „Nein heißt nein – egal für wen!“

Der zweite autobiografisch geprägte Song ist „12 Joa“, der von einem Autounfall handelt, der die junge, unbekümmerte Karin schlagartig erwachsen werden ließ. Überbordende Schuldgefühle, Einbunkern im eigenen Zuhause und sich selber alles absprechen: Spaß zu haben, zu Lachen oder überhaupt an irgendetwas teilzuhaben. Das stellt das Leben schon einmal auf den Kopf. „Vor der Veröffentlichung habe ich den Motorradfahrer, den ich damals übersehen und angefahren habe, gefragt ob er einverstanden ist. Ich muss ja auch damit umgehen, dass der Song das jetzt wieder hervorholt und thematisiert.“

Die niederbayerische Künstlerin wechselt in ihren Liedern von Anfang an munter zwischen Hochdeutsch und bayerischem Dialekt hin und her. Während dies oft mit Unverständnis betrachtet oder ein sich nicht entscheiden können interpretiert wird, liegt die Wahrheit ganz woanders. Es sind die emotionalen Lieder, die sie im Dialekt schreibt, „das ist mein Innerstes, so bin ich aufgewachsen“ und das geht nicht im neutralen Hochdeutsch.

Wie so ein nachmittag doch verfliegt. Bevor wir Karin Rabhansl aber in Stress bringen, weil sie schon zum Auftritt am Abend los muss, bedanken wir uns für das Gespräch mit der Gewissheit: Das war nicht weniger als ein Gespräch über – man ahnt es – das Leben.

Fotocredit: Bilderbube

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