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Love

Bereits das erste Album ‚Rest Now Weary Head You Will Get Well Soon‚ der Band Get Well Soon, das in Homerecording entstand, begeisterte Hörer und Kritiker gleichermaßen. Schon damals herrschte eine eher nachdenkliche, melancholische Grundstimmung, die das zweite, todtraurige Album dann auf den Nullpunkt brachte. ‚Vexations‘ stellte aber auch einen Bruch in mehrerer Hinsicht dar. Man wandte sich thematisch der antiken Philosophie des Stoizismus zu, man ließ den Charme der Amateuraufnahmen und das eklektische Antikonzept hinter sich und veröffentlichte eine Perle des orchestralen Pop, die eine ganze Weile brauchte, bis sie sich dem Hörer in seiner vollen Pracht erschloss. Selbiges kann über Album Nummer drei, ‚The Scarlet Beast O‘ Seven Heads‘ berichtet werden, vielleicht mit etwas mehr Soundtrackbezug.

Mit ‚Love‘ ein Konzeptalbum zu einem beliebig einfachen wie auch komplizierten Thema Liebe zu veröffentlichen, das kann eigentlich nur Bandleader Konstantin Gropper einfallen. Erklärungsversuche der Liebe sind omnipräsent, ob in offiziellen und/oder professionellen Abhandlungen kirchlicher oder philosophischer Instanzen, ob in Weisheiten, die so mancher Küchenkalender absondert oder in den sozialen Medien, unter anderem in Form legasthenischer Sprüche auf mehr oder weniger passenden Bildern. Ob Feingeist oder ausgestattet mit robusterem Gemüt und jede Nuance dazwischen: Jeder Mensch wird zu diesen vier Lettern seinen ganz eigenen Bezug haben.

‚Liebe ist für alle da‘, das wussten auch schon Rammstein. Get Well Soon mag man aber eine subtilere Herangehensweise an das Thema zutrauen und wird auch nicht enttäuscht. Gropper stellt auf ‚Love‘ unter anderem seinen Bezug zur Liebe dar, erzählt aber auch Geschichten. Da hat die hemmungslose Romantik der Romane von Rosamunde Pilcher und deren zahllosen Verfilmungen ebenso einen Platz wie die Einsamkeit einer 33-jährigen, die demütigende Urinspiele über sich ergehen lässt. Love Is An Awful Enemy, My Dear!

Auch wenn es musikalisch etwas leichtfüssiger zugeht als zuletzt, ‚Love‘ ist in erster Linie gehaltvoller Orchester-Pop, wenngleich nicht immer klar ist, welche Instrumente denn nun echt sind. Da schwingt etwas Soul mit wie in ‚It’s A Catalogue‘, bei funky schnalzendem Bass, und Am Ende des süffigen Indiepops von ‚Marienbad‘ verschafft sich der Song mit einem kurzen Gitarrengewitter Luft. ’33‘ ist weitgehend auf die Stimme Groppers und eine akustische Gitarre heruntergebrochen. Flirrendes Keyboardlametta, speckige Gitarrenapplikationen und eine patzige Synthie-Posaune geben ‚Young Count Falls For Nurse‘ den nötigen Kitsch. ‚It’s A Fog‘, ein langsamer, elektronischer Walzer bekommt zum Ende hin eine Krautrock-Kante.

Ob Küchenkalender oder Philosoph, Papst oder Musikredakteur, die Liebe – respektive ‚Love‘ – wird wohl niemand hinreichend erklären können. Lässt man die auf ‚Love‘ gesammelten Informationen die dafür zuständigen Gehirnareale durchwandern, entsteht ein sehr heterogenes, ebenso herzerwärmendes wie auch kitschiges oder gar abgründig-verstörendes Bild. Klüger ist man hinterher vielleicht nicht, war dabei aber bestens unterhalten – Gropper, Du alter Fuchs!

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