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Irgendwie war es dann doch auch gut… – Dominiks Highlights 2020

Schaut mich gerne schief an, aber 2020 war ein gutes Jahr – zumindest musikalisch! Sicher, das Fehlen der Konzerte und des Live-Erlebnisses hat eine riesige Wunde in das Herz der Musikfans gerissen, die schmerzt und aus der das Blut nur so fließt. Doch angesichts all des Leids ist sie es wert. Erfahrungsgemäß wird auch diese Wunde heilen und nur die Narben werden uns daran erinnern. Denn das Musikjahr 2020 hat ebenso sehr viel Positives und Schönes gebracht. Natürlich gab es dazu Enttäuschungen. Ganz persönlich gesehen wären dies die neuen Alben von Pearl Jam, Brian Fallon und Saltatio Mortis. Damit will ich mich jedoch nicht länger aufhalten, sondern vielmehr über das Sprechen, was viel Freude bereitet hat.

 

5. Männer, die ihre Mitte gefunden haben – Tim Vantol und Nathan Gray

Wir mögen Musik, weil sie uns emotional berührt. Da ist es nur normal, dass man sich den Menschen, die die Musik hervorbringen, auch irgendwie Nahe fühlt. Deswegen war es schön zu sehen, wie der Singer-/Songwriter Tim Vantol und der auf Solopfaden wandelnde boysetsfire-Sänger Nathan Gray auf ihren Alben „Better Days“ beziehungsweise „Working Title“ ihre Vergangenheit aufarbeiten und ihre eigene Mitte gefunden haben. Den Blick richten sie positiv nach vorne. So locker und ausgeglichen waren die beiden wohl noch nie zuhören. Besonders spannend war in diesem Zusammenhang wie Tim Vantol bei uns im Interview sehr offen über die Bewältigung seiner Depression gesprochen hat.

 

4. Wehmut und Spaß – Die Musikvideos von Parkway Drive und Eskimo Callboy

Die großen Zeiten des Musikfernsehens gehören durch den Erfolg von Youtube und Streaming-Diensten längst der Vergangenheit an. Dennoch bin ich ein Freund von Musikvideos, da sie einen Song noch einmal ganz anders darstellen können. Dieses Jahr haben es mir zwei Videos angetan. Das jedoch aus völlig unterschiedlichen Gründen. Parkway Drive haben zu ihrem Song „The Void“ ein Live-Video vom Wacken Open Air 2019 veröffentlicht. Es fängt die Stimmung und das Live-Erlebnis einfach hervorragend ein! Es kann gespürt werden, wieviel die Musik den Menschen bedeutet. In einem Jahr, in dem es fast gar keine Konzerte geben konnte, zerreißen einen die Nahaufnahmen der Gesichtsausdrücke der Menschen am Ende schier. Die Wunde der fehlenden Konzerte reißt auf und wird gleichzeitig geschlossen. Denn das, was wir vermissen, wird wiederkommen und wir werden genauso wieder dastehen!
Ganz anders sieht es dagegen bei Eskimo Callboy und „Hypa Hypa“ aus. Zugegebenermaßen bin ich eigentlich kein Hörer der Band. Aber was ist das denn bitte?!? Song und Video sind so dermaßen in allem drüber und die Perfektion aus Metalcore, Scooter und Backstreet Boys, dass der Kopf nur ungläubig geschüttelt werden kann. Stumpf abfeiern und gute Laune empfiehlt sich da wohl. Heimlich hoffe ich ja, dass die Rockdiscos dieser Welt bald öffnen und die Metalcore-Fans die Choreografie vom Ende des Clips auf die Tanzflächen dieser Welt tragen werden. Noch besser sind fast nur die Reaction-Videos amerikanischer Youtuber. Denn die Eskimo-Callboy-Fans haben mächtig Werbung bei diesen gemacht, sodass sich auf den gängigen Videoplattformen sehr viele Reaction-Videos mit Menschen, die auf die verrückten Deutschen nicht klarkommen, tummeln. Schwer unterhaltsam und eine gute sinnlose Zeitverschwendung oder Ablenkung vom HomeOffice!

 

3. Einmal die Frustration herauslassen – 100 Kilo Herz

„Ich will kein Teil von eurem Leben sein // Ich schenk euch maximal den Schierlingsbecher ein // und wenn ihr irgendwann an eurer Selbstsucht erstickt // wisch‘ ich vielleicht eure Kotzereste weg“

Vielen Dank für diese Zeilen aus „Drei Jahre ausgebrannt“ von 100 Kilo Herz. Da kann einfach mal all der aufgestaute Frust über Verschwörungstheoretiker und Corona-Leugner rausgeschrien werden! Übrigens ist das dazugehörige Album „Stadt, Land, Flucht“ wirklich ein bockstarkes Zweitwerk der Punkrocker. Eine Band die sich nach einem Muff-Potter-Song benennt kann ja eigentlich auch gar nicht schlecht sein 😉

https://www.youtube.com/watch?v=QWRUQ7Ue0zQ

 

2. Progressive strikes back

Nachdem im Jahr 2019 der Progressive-Metal sehr stark auf das neue Tool-Album „Fear Inoculum“ und Dream Theaters „Distance Over Time“ reduziert worden ist, konnte dieses Jahr der Fokus wieder auf den kleineren Bands liegen. Besonders angetan haben es mir dabei mit seiner leichten Verrücktheit „Fluid Existential Inversions“ von Intronaut sowie „Endless Twilight of Codependent Love“ von Sólstafir mit seiner für die Isländer typischen packenden Atmosphäre.
Dass richtig guter Progressive auch aus deutschen Landen kommen kann, haben Long Distance Calling mit „How Do We Want to Live?“ gezeigt. Überraschen dürfte das wohl niemanden mehr. Durch ihren dystopischen Ansatz samt elektronischer Einflüsse ist ihnen diesmal wieder eine starke Scheibe gelungen, deren Titel gerade in diesen Zeiten immer mehr Bedeutung erhält. Ihren Status als beste deutsche Instrumentalband haben sie abermals untermauert. Ein bisschen aus dem Nichts kam dagegen für mich die aus Kaiserslautern und Berlin stammende Formation Chaosbay. Mit „Asylum“ haben sie ein zweites Album rausgehauen, dass bei mir regelmäßig auf dem Plattenteller landet. Gerade der im Verlgeich zum Debüt deutlich härtere Sound mit seinen leichten Djent-Einflüssen und eingängigen Refrains weiß voll zu überzeugen.

 

1. So viele gute Alben…

Jetzt ist schon so viel gute Musik genannt worden. Jedoch war dies bei weitem noch nicht alles. Für mich gab es dieses Jahr zwar nicht das „Über“-Album schlechthin, aber viele gute Scheiben. Der Vollständigkeit halber sollen zu den bereits erwähnten in diesem Jahresrückblick deswegen noch folgende Bands aufgeführt werden:

Apocalyptica – „Cell-0“…bestes Album seit 17 Jahren!
Biffy Clyro – „A Celebration of Endings“…endlich wieder etwas mutiger, rockiger und verquerer.
Bodycount – „Carnivore“…Ice-Motherfunking-T hat es einfach raus!
Cold Years – „Paradise“…schönes Debüt und ebsser als die letzten The-Gaslight-Anthem-Sachen.
In Extremo – „Kompass zur Sonne“…das erste InEx-Album, dass ich seit 2003 ohne zu skippen anhören kann
Killer Be Killed – „Reluctant Hero“…eine Supergroup, die endlich mal Qualität liefert
Red City Radio – „Paradise“…gereifte Platte der Punkrocker mit super Melodien.
Sepultura – „Quadra“…Stark!
Skeleton Pit – „Lust to Lynch“…Yeah! Schöner moderner Old-School-Thrash
Testament – „Titans of Creation“…könnte ein moderner Klassiker der alten Haudegen werden!
Touché Amoré – „Lament“…ein würdiger Nachfolger für das alles überragende „Stage Four“ und mit „Come Heroine“ ein super starker Opener sowie einer meiner persönlichen Lieblingssongs 2020.

 

Auf ein musikalisch noch besseres 2021 mit viel Gesundheit und endlich wieder Live-Konzerten!

 

Fotoabbildung: Long Distance Calling
Fotocredit: Andre Stephan

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