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Night Of The Prog Festival 2016 – Samstag und Sonntag im Prog-Rausch


Seit dem Jubiläums-Fest im Jahre 2015 findet die Night Of The Prog nunmehr nicht mehr nur an zwei, sondern gleich an drei Tagen Mitte Juli statt. Nachdem der Freitag durch den wunderbaren Auftritt von Spock’s Beard gemeinsam mit Neal Morse und Nick D’Virgilio gekrönt worden ist, sind die Besucher natürlich gespannt, ob der Rest des langen Wochenendes da mithalten kann. Aber wir sind guter Dinge, denn auch für Samstag und Sonntag stehen noch einige progressive Leckerbissen auf dem Programm. Bei leicht bedecktem Himmel geht es dann auch pünktlich zur Mittagsstunde weiter mit der deutschen Band Seven Steps To The Green Door. Zwölf Jahre und vier Alben haben die Crossover-Progger schon auf ihrem Zettel, sind also erfahrene Musiker. Das Sextett erscheint in schwarzen T-Shirts mit lustigen „Zähl“-Sprüchen, wie zum Beispiel „Ich hasse Zählulitis“ oder „Ich zähle bis Sieben“. Die Vocals teilen sich Anne Trautmann und Lars Köhler, wobei sich die Sängerin zwischendurch noch moralische Unterstützung durch eine im Arm gehaltene Puppe holt.

Frequency_Drift.jpg „Die Jungs und Mädels von Frequency Drift aus Bayreuth sind ebenfalls alte Hasen im Geschäft, haben im Februar ihr siebtes (und hoffentlich nicht letztes) Album Last veröffentlicht und präsentieren damit schwerpunktmäßig auch Songs von dieser Platte. Live übernimmt Nadja Jaye jetzt die Vocals und zaubert zudem am Theremin elektronische Klangspielereien hervor. Das berührungslos gespielte Instrument erzeugt über die elektrische Aufladung des menschlichen Körpers ein elektromagnetisches Feld, wobei die Position der Hände über einer Art Antenne die Stärke der Veränderung eines Klanges beeinflussen. Danebensteht auch eine elektrische Harfe auf der Bühne und sorgt für Abwechslung und sphärische Klänge.

Die nächste Band wird als etwas Besonderes angekündigt, weil die Franzosen um Sänger und Mastermind Francis Décamps außerhalb ihrer Heimat nur selten zu sehen und zu hören sei. Die Menge ist also gespannt, als die Gens De La Lune nach etwas überzogener Umbaupause endlich die Bühne betreten. Was folgt, sind 75 Minuten, die es mehr als in sich haben. Wenn der Merch-Stand schon während des Auftritts „Ausverkauf“ der aktuellen CD einer Band meldet, die bislang im Publikum kaum bekannt gewesen sein dürfte, spricht das ganz eindeutig für diese Band. Keyboarder Francis Décamps, der charismatische Sänger Jean Phillipe Suzan und seine Kollegen überraschen wohl jeden im Amphitheater mit einer unglaublichen Mischung aus kreativ geschriebenem klassisch-französischem Prog mit Texten in Landessprache und einer exzentrischen Darbietung mit wechselnden Bühnenoutfits und einer abwechslungsreichen Instrumentierung. Da kommen Xylofon, Akkordeon, regelrechte Synthie-Burgen inklusive dem durch Jordan Rudess bekannt gewordenen Continuum und schließlich auch ein klassisches Waldhorn zum Einsatz.

Gens_De_La_Lune.jpg „Die Mischung kommt beim Publikum hervorragend an, und immer wieder sieht man Fans spontan zum Merchandise-Stand pilgern, um das aktuelle Album „Epitaphe“ käuflich zu erwerben, das dann auch noch vor dem Ende des Auftritts ausverkauft ist. Den Gens De La Lune haben verdienterweise heute definitiv eine Menge Fans dazu gewonnen.

RPWL haben es nach diesem Highlight natürlich schwer, die Hochstimmung im Areal zu halten, aber sie schaffen es naturgemäß und mit viel Erfahrung, die Progger erneut zu begeistern, zumal sich die Musik ja auch erheblich vom Auftritt der Franzosen unterscheidet. Das Programm mit eigenen sowie Coversongs weiß zu gefallen, es wird King Crimson und Pink Floyd die Ehre erwiesen, und Band und Publikum genießen den Nachmittag. So soll es sein.

Focus.jpg „Die niederländische Band Focus ist eine der ganz großen Nummern der Prog-Szene und auch vielen Fans außerhalb der Szene durch den Hit „Hocus Pocus“ aus dem Jahre 1971 bekannt. Entsprechend ist die Stimmung am Siedepunkt, als Bandgründer Thijs van Leer und seine Kollegen mit dem Konzert beginnen. Und niemand wird enttäuscht. Focus bleiben ihrem Konzept treu und bieten überwiegend Instrumentalstücke. Zwischendurch gibt’s ein furioses Schlagzeug-Solo. Beim Konzert überzeugt Thijs von Leer nach wie vor mit vollem Einsatz an der Hammond-Orgel oder seiner Querflöte. Die Band erntet verdient lauten und anhaltenden Applaus.

Weiter geht es direkt mit „Peter Panka’s Jane“. Manch einer hat sich vermutlich die Frage gestellt, wer denn Peter Panka und / oder dessen „Jane“ ist. Ganz einfach: Peter Panka, der im Jahre 2007 an den Folgen eines Krebsleidens verstorben ist, war Sänger und später auch Schlagzeuger der 1970 gegründeten Band „Jane“ und hatte mit ihr in den 70ern große Erfolge. Nach einem Streit um die Rechte existieren nun drei (!) verschiedene Formationen, die sich „Jane“ nennen dürfen, eben mit entsprechenden Namenszusätzen. Peter Panka’s Jane sind eher dem Hardrock als wirklich dem Prog zuzuordnen, aber haben ihre Wurzeln in der deutschen Krautrock-Szene der 70er Jahre, die auch den Prog in Deutschland maßgeblich beeinflusst hat. Und Spaß macht die Show allemal. Kernige Gitarren und ausufernde Synthiesequenzen vermischen sich in einer soliden Hardrock-Show.

Hawkwind.jpg „Nach den deutschen Urgesteinen folgen zum Abschluss des zweiten Festivaltages die britischen Space-Rocker von Hawkwind. Die legendäre Londoner Band ist seit 1969 im Geschäft und wurde unter anderem dadurch bekannt, dass Lemmy Kilmister von 1971 bis 1975 Bandmitglied war. Frontmann Dave Brock, aktuell einiges Überbleibsel der Originalbesetzung, stellt das neue Album „The Machine Stops“ vor. Die Band ist Mitbegründer des Sub-Genres „Psychedelic Space Rock“, und wahrlich könnte man die Musik wunderbar für die Vertonung einer (klassischen) „Raumschiff Enterprise“-Folge verwenden. Jaulende Synthies, elektronische Soundeffekte und auch hier, wie schon früher am Tag bei Frequency Drift, wieder der prägnante Einsatz des Theremins.

Die im Dunkeln natürlich perfekt zur Wirkung kommenden Lichteffekte und die psychedelischen Projektionen im Hintergrund sorgen für Atmosphäre und bescheren den Fans ein weiteres Highlight des an Höhepunkten wahrlich nicht armen Festivals, wobei der spacige Sound der Briten sicher nicht den Geschmack eines jeden Besuchers trifft, denn ein paar Leute haben das Gelände schon frühzeitig verlassen. Die restlichen erfreuen sich aber an einer nicht nur optisch reizvollen Darbietung der Extraklasse.

Auch zum zweiten Festivaltag gibt es eine Fotostrecke auf unserer Facebook-Seite

Hier geht’s weiter mit dem dritten Festivaltag.
Knifeworld.jpg „Und schon ist es Sonntag, der letzte Tag der Night Of The Prog ist angebrochen. Der Wettergott ist übrigens Prog-Fan, denn wieder einmal bleibt der Regen alle drei Tage aus. Nach einigen Wolken am Samstag ist es heute richtig heiß, und die Sonne lacht hoch über der Loreley. Beste Voraussetzungen also für Knifeworld, die mit ihrem grandiosen Album Bottled Out Of Eden den heutigen Konzertreigen eröffnen. Sänger und Gitarrist Kavus Torabi läuft und springt aufgedreht über die Bühne und lädt die Besucher zu einer avantgardistischen Odyssee ein, bei der Pop, Rock, Folk und experimenteller mehrstimmiger Gesang zu einem faszinierenden Mix verschmelzen. Knifeworld liefern mit massivem Bläsereinsatz (Saxophone und Fagott!) eine wohlbekömmliche Alternative zur üblichen Gitarren- und Keyboarddominanz.

Anima Mundi kommen aus dem fernen Kuba und verbreiten kein karibisches Flair, sondern bombastischen Rock mit spacigen Gitarren und sphärischen Elektro-Sounds. Anima Mundi sind schon Stammgäste auf dem Festival und haben eine große Fangemeinde, die den Auftritt auch heute wieder lautstark feiert. Die Kubaner beenden mit dem Loreley-Gig ihre aktuelle Europatour und erklären immer wieder, dass es für das Ende der Tour doch gar keine schönere Gelegenheit als dieses Festival hätte geben können. Man glaubt es ihnen gerne.

Als nächstes steht die britische Band Lifesigns auf dem Programm, die 2008 von John Young gegründet wurde. Der runde Auftritt überzeugt mit eingängiger Musik und ein wenig Saitenakrobatik.

Magic_Pie.jpgMagic Pie aus Norwegen folgen mit modernem Hardrock mit progressiven Elementen und beenden ihren Gig mit dem epischen Longtrack ‚King For A Day‘ vom gleichnamigen aktuellen Album. Da heißt es: Zurücklehnen und genießen.

Carl_Palmer.jpg „Was wäre ein Prog-Festival ohne einen der Urväter des Genres? Das haben sich wohl auch die Veranstalter gedacht und einen der legendärsten Drummer der Prog-Szene an den Rhein geladen: Carl Palmer. Der Mann, der mit Emerson, Lake & Palmer Musikgeschichte geschrieben hat, tritt heute mit zwei Gastmusikern an Gitarre und Bass auf und präsentiert seine „Carl Palmer’s ELP Legacy“ Show im Andenken an den verstorbenen Keith Emerson. Und Mr. Palmer erweist seinem Bandkollegen wahrlich die letzte Ehre. Er trommelt sich die Seele aus dem Leib, überrascht mit ELP-Classics wie ‚Jerusalem‘ und der epischen Version der „Bilder einer Ausstellung“, wobei Emersons Keyboard-Parts für Gitarre und insbesondere den 12-saitigen Chapman Stick um arrangiert wurden, der vom Bassisten Simon Fitzpatrick gespielt wird. Dieser brilliert zwischendurch während einer Verschnaufpause des Schlagzeugers auch mit einer lässigen und nur auf dem Bass intonierten Version der ‚Bohemian Rhapsody‘. Nach fast zwei Stunden verabschiedet sich Carl Palmer mit Copelands ‚Fanfare For The Common Man‘ und Tschaikowskys ‚Nussknacker‘ in der rockigen ELP-Version.

The_Musical_Box.jpg „Den Schlusspunkt setzt heute eine Coverband. Ja, eine Tribute-Band als Headliner. Das macht in diesem Fall durchaus Sinn, da es sich um die Kanadier von The Musical Box handelt, die mit ihrer Show die frühen Jahre der Prog-Legende Genesis zu neuem Leben erwecken. Mit originalgetreuen Kostümen, Instrumenten und Verstärkern zelebrieren die Kanadier die Musik der Kultband aus der Schaffensperiode 1972 bis 1976. The Musical Box ist die einzige Band, die hierfür von Peter Gabriel und Genesis eine offizielle Lizenz erhalten hat. Der Auftritt lebt nicht nur von den ständig wechselnden Kostümen des Leadsängers Denis Gagné in seiner Rolle als Peter Gabriel, sondern natürlich auch von der authentisch vorgetragenen Musik. Eine Premiere gibt es auch noch: Der Song ‚Timetable‘ wird live gespielt. Weder The Musical Box noch Genesis selbst (!) haben dies jemals getan. So ist es, als ob Genesis selbst rund 40 Jahre nach ihrem Konzert auf der Loreley zum Mittelrhein zurückgekehrt wären, um der diesjährigen Night Of The Prog ein würdiges Finale zu spendieren. Mit knallenden Pyrofunken und stilechter Glitzerkugel geht das letzte Konzert um 23.15 Uhr dem Ende zu. Das Night Of The Prog Festival hat wieder einmal gezeigt, dass es nicht nur eine feste Institution der europäischen Prog-Szene ist, sondern auch ein ganz wunderbar entspanntes Festival in familiärer Atmosphäre. 2016 gab es am Mittelrhein wieder viele Höhepunkte, wobei der Freitag mit der unsagbar guten Spock’s Beard Show dann doch noch einen Tick spektakulärer als der Rest des Wochenendes ausgefallen ist. Wie schon erwähnt, ist das letztjährige Festival bei den Prog-Awards 2016 in der Kategorie „Bestes Live Event“ nominiert. Wir drücken die Daumen, denn verdient hat es die Veranstaltung auf jeden Fall. Und vielleicht darf auch 2016 als rundum gelungenes Fest auf eine Nominierung hoffen? Wie auch immer, ein Besuch der Loreley ist jedes Mal eine Reise wert, und so freuen wir uns schon heute auf die Night Of The Prog 2017.

Auf unserer Facebook-Seite gibt es natürlich auch zum Festival-Sonntag wieder ein paar Fotos.

Bericht und Fotos von Michael Buch

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