II
Urgewaltig rasen Dikloud von der ersten Sekunde an los und fallen mit der Tür ins Haus. Es wird sofort klar, Banalität oder gar Langeweile haben auf ‚II‘ von Dikloud keinen Platz. Die Gitarre fiept, der Bass dröhnt, das Schlagzeug drischt. Achtung! Hergehört! Es wird wichtig! Die Stimme von Sänger Leo Leopoldowitzsch überschlägt sich dabei vor Heiserkeit. Dikloud haben keine Blumen zum Kaffeeklatsch mitgebracht, sondern Wut. Es wird angeprangert, was angeprangert werden muss: Sozialkritik, fehlendes Rückgrat, der Generationenkonflikt und Fremdenhass.
Das Gespür der Band aus Dresden für das Zeitgeschehen nimmt dabei beinah hellseherische Züge an. ‚II‘ wurde bereits vor mehr als einem Jahr aufgenommen, also zu einer Zeit, in der die Pegida-Bewegung oder die Schandtaten aus Freital oder Heidenau nur zu erahnen waren. So heißt es in der Danksagung der Band ausdrücklich, dass der Ausländerbehörde in Dresden keinen Dank für irgendetwas gezollt wird.
Ein Titel wie ‚Mittelmeer‘ lässt angesichts seiner Aktualität jeden empathisch denken Menschen erschaudern: ‚before the sun came / we’re shipping in the rain / to the border / we are black in black / 10 brothers in my neck / we can’t order some snacks / the ocean deep an cold / the ship I guess too old / when we’re dying / I think of you‘
Das leise beginnende Lied endet in einem brachialen Klanggewitter, das vor Verzweiflung und Hilflosigkeit strotzt. Überhaupt gelingt es Dikloud eindringlich, den Laut-Leise-Effekt zu nutzen. Auf energetische Parts folgen teilweise fast schon quälend stille Sequenzen, die oft nur von einer einzelnen Gitarre getragen werden.
Diese introvertierte Zurücknahme wird unerbittlich zerrissen, wenn plötzlich wieder die gesamte Band um Schlagzeiger Stefan Schönbach und Bassist Dan Wilson einsetzt. In den Grundzügen erinnert das an die amerikanische Krachszene der frühen 90er bzw an die jungen Krawallmacher von Tocotronic.
Diklouds ‚II‘ wirbelt und scheuert so atemlos glühend, dass es nahezu unmöglich ist, sich davon nicht in den Bann reißen zu lassen. Über all dem Willen zu Botschaft steht eine unbändige Kraft, die sich jedoch in den richtigen, wichtigen Momenten zurücknimmt und somit die Luft zum Atmen lässt. Die Kälte des Zorns erfährt in diesen Momenten eine wärmende Zusammengehörigkeit, die durch aufreizende Musik und kluge Texte zum Nachdenken animiert. Das simple und gute Konzept dieses Prinzips: Pop!