Ich Rette Dich
‚Sie tragen hier die Verantwortung, ist das richtig?‘
Mit Witz und ein wenig Selbstironie ist die neue EP ‚Ich Rette Dich‘ des Radiosenders Welle:Erdball eine konsequente Fortsetzung von ‚Tanzmusik für Roboter‘. Der Director’s Cut sozusagen. Während der Sound nahtlos an der zuvor ausgestrahlten Sendung anknüpft, haben sich die kritisierten Themen von Schönheitswahn und Sozialen Medien auf Medienmissbrauch und Überwachung verlagert. Natürlich passiert das Ganze. Für Welle:Erdball typisch, wieder primär auf metaphorischer Ebene und es bedarf schon eines mehrfachen Durchhörens der Sendung, um den Facettenreichtum zu entdecken.
Was tut der Mensch, wenn er mit dem Ende eines Tages oder mit seiner Zeit nichts anzufangen weiß? TV-Schauen. Im namensgebenden Stück der EP ‚Ich Rette Dich!‘ versuchen Welle:Erdball gleich mehrere negative Einflüsse durch Fernsehen zu verarbeiten. So ist der Fernseher eben gut zum Abschalten des Kopfes geeignet. Wohl wissend, dass das Fernsehprogramm, einmal eingeschaltet, manipulativ arbeitet und mit Werbung das Konsumverlangen steigert. Vor was man am Ende nun gerettet werden soll, wird in diesem sehr tanzbaren Song dann aber offen gelassen.
Im ‚Spiel mit der Welt‘ werden Menschen die ultimative Währung für Macht und Geld. Was nach einem entspannten Abend am Computer klingt wird durchzogen von kurzen Ausschnitten politischer Reden, die auch amtierende Personen der Politik umfassen. So holt einen die Realität dann schnell wieder ein.
‚FanFanFanatisch‘ ist ein etwas eigenwilliges Stück. Das ausschließlich von Honey gesungene Stück ist sehr melodisch und einprägsam, was auf die einfache Textstruktur zurückzuführen ist . Vielleicht liegt aber gerade hier der Clou, da die besungenen Idole heute lieber eine mit sexuellen Reizen überfrachtete Show liefern, als umfassende, inhaltsgefüllte Musik zu produzieren.
‚Der Türspion‘ lässt sehr viel kreativen Freiraum für Interpretationen. Das Laden pornographischer Inhalte über das TOR-Netzwerk dürfte nur eine davon sein. Dieser sehr schwungvolle Titel – gerade im Refrain – hat Ohrwurmcharakter und dürfte sich schnell in die Gehörgänge der Zuhörerschaft einbrennen.
Lied fünf behandelt wieder einmal das Lieblingsmedium der Sendestation: ‚Das Radio, das Ohr der Welt‘, ist ein recht langsamer Song, der mehr zum Anhören und Nachdenken, als zum Tanzen und Feiern geeignet ist.
Energiegeladen kommt das textlich einfach gehaltene, aber schnelle Stück ‚Ich will vergessen‘ daher. Dieser Song ist weniger technischer als menschlicher Natur und behandelt eines der tragischsten Dilemmas menschlichen Seins: Das, was man gerade nicht hat, hätte man gerne und in eben jenem Moment, wo man sein Ziel erreicht hat wünscht man dessen Gegenteil. Ich jedenfalls hab‘ mehr von diesem Lied gewollt und beim Anhören während des Autofahrens gerne die Wiederholen-Taste betätigt.
Den Abschluss der Sendung bildet dann ‚Die Wahrheit‘. Das Lied wird vom nichtmenschlichen Mitglied der Sendestation, dem Commodore 64, unterstützt. Das Stück beginnt mit einem an das Lied ’23‘ angelehnten Dialog, der langjährigen Zuhörern ein breites Grinsen ins Gesucht zaubern dürfte. Mehr wollen wir an dieser Stelle nicht verraten. Insbesondere bei diesem Titel merkt man die zeitliche Nähe zu der Veröffentlichung von Tanzmusik für Roboter, da dessen Sound gezielt aufgegriffen und verbessert wurde.
Der Autor dieses Textes empfiehlt die vollständige Ausstrahlung dieser Sendung und hält es für angemessen, dass die soeben angesprochenen Lieder ohne Zensur auf die Setlist der kommenden Konzerttour für jede Location gesetzt werden. Mehr bleibt wohl kaum zu sagen als dass der geneigte Zuhörer absolut auf seine Kosten kommt. Für eine EP mit 8 Liedern eigentlich schon auf die Länge eines vollwertigen Albums geraten, fehlt dafür allerdings die übliche Neufassung des Stücks ‚Welle:Erdball‚ und es darf einen nicht wundern, wenn das bekannte
‚Hallo, hier spricht Welle: Erdball‘
ausbleibt.
geschrieben von Daniel Stahlmann