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Before The World Was Big

Teenagerrebellion, der neue Feminismus, sogar von einer Riot-Grrrl-Nachfolge wurde bereits gesprochen. Die Protagonistinnen im Scheinwerferlicht sind die zwei blutjungen Mädels von Girlpool. Noch nicht einmal ganz zwanzig Jahre alt, umrahmen Cleo Tucker und Harmonie Tividad ihre bissigen Texte mit einem soliden Gerüst aus derben Gitarren- und Bassläufen. Sie sprechen von der Angst, der Unsicherheit, tischen unverblümt ihre Meinung auf. Nun ist das Debüt der beiden Mädels aber doch noch ein ganzes Stück entfernt vom vorauseilenden Hype. Auf ‚Before The World Was Big‘ sind die Amerikanerinnen zwar offenherzig und hauen gut auf den Putz, an den großen Haustüren klopfen sie wohlwissend aber lieber etwas zaghafter an.

‚I just miss how it felt standing next to you / wearing matching dresses / before the world was big‘

(‚Before The World Was Big‘). Aufgewachsen im sonnigen L.A. zog es die beiden in den Kreativkochtopf Philadelphia. Zwischen Erwachsensein und junger Naivität bewegen sich Girlpool: ihre Heimat L.A. weckt Erinnerungen, Sehnsucht und lässt Platz für ein wenig Teenieklamauk. Da ist aber noch die andere Seite. Das Gefühl vor der großen Unsicherheit im Leben, das Vorankommen ohne zu wissen, wohin man geht. Sie machen sich verletzlich, zeigen sich sogar fast nackt. Ihr punk-poppiger Sound lebt lediglich von Gitarre, Bass und dem speziellen Harmoniegesang der Mädels, der nirgends glattproduziert oder geleckt klingt. So roh und verspielt das Duo auch klingen mag, die Melodien funktionieren und ihre Botschaften sind geradeheraus; mal mit kesser Attitüde wie auf dem Titeltrack oder dem sehr kurzen ‚Magnifying Glass‘ versehen, dann wieder mit großem Sanftmut und ungeahnter Zerbrechlichkeit (‚Dear Nora‘, ‚Emily‘). Komplett ohne weitere Musiker schaffen Girlpool genug Abwechslung, um ein solides Fundament für ihre starken Lyrics zu formen.

Girlpools Debüt ist zwar noch ein Stück von Kathleen Hanna und Co. entfernt. Die Aufregung, die sie mit ihrer ersten EP und Lyrics über Gender, Sexualität und Aufstand anstießen, lassen sie wohlwissend etwas ruhen. ‚Before The World Was Big‘ ist dafür aber nicht minder wichtig. Das hier ist Musik einer ganzen Generation. Für die Rastlosen, die Reisenden, die neuen Kapitel im Leben. Keine Rebellion, aber pure Ehrlichkeit. Trotzdem kocht der Ärger über die Tücken der Ungewissheit weiter:

‚My mind is almost nineteen / and I still feel angry / I’m searching for the reason‘

(‚I Like That You Can See It‘). Girlpool haben noch eine Menge Zeit zum Erwachsenwerden. Und die werden sie mit Sicherheit auch nutzen.

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