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HELLOWEEN – „Irgendwie ist der Song bei Ariana Grande gelandet“

Mit der Rückkehr von Kai Hansen und Michael Kiske zu Helloween ging für viele Fans ein Traum in Erfüllung. Die dazugehörige „Pumpkins United“-Tour wurde zu einer Erfolgsgeschichte. Dass es nun mit dem neuen Album „Helloween“ sogar neue Musik gibt, lässt die Fanherzen höherschlagen. Im Interview spricht Bandleader und Gitarrist Michael Weikath über die Platte, den Aufnahmeprozess und was ihn mit Ariana Grande verbindet. Außerdem wirft er einen Blick zurück auf seine musikalischen Einflüsse und die Hamburger Szene der 1970er und 80er Jahre.

Von Beginn an zeigte sich Michael Weikath sehr gesprächig und war bester Laune. So dauerte es etwas, bis über das aktuelle Album „Helloween“ gesprochen werden konnte, da er neugierig war, was der Skype-Avatar des Autors bedeutet. Dieser ist nämlich eine Kassette. Der Gitarrist vermutete ein Fan-Dasein vom Film „Guardians of the Galaxy“. Tatsächlich ist der Avatar jedoch deutlich älter als der Kino-Kassenschlager mit dem legendären Kassetten-Soundtrack. Trotzdem outete sich der auf Teneriffa lebende Musiker als Anhänger der Filme. Besonders das Pflanzenwesen Groot hat es ihm angetan.

Nach dem sympathischen Einstieg stand die Musik im Mittelpunkt. Angesprochen darauf, dass es etwas verwunderlich sei, erst das 16. Album nach dem Namen der Band zu betiteln, erklärte Michael Weikath, dass sie das Gefühl hatten, nicht mehr nur ein Live-Reunion-Projekt, sondern wieder eine echte Band zu sein. Die Gruppe diskutierte gemeinsam:

„Wollen wir das mit dem Pumpkins United nicht lassen? Das ist eine Bezeichnung für ein Konstrukt. Wir haben uns gefragt, ob wir nicht einfach so Helloween bleiben wollen. Dann brauchen wir ‚Pumpkins United‘ nicht mehr. Das ist dann einfach Helloween.“

Der Titel der neuen Platte ist also auf die Einigkeit des Septetts zurückzuführen. Ausschlaggebend dafür, dass es überhaupt neue Musik gibt, sind die positiven Reaktionen auf die Live-Auftritte:

„Wir hatten alle unsere Bedenken. Aber dann lief alles furchtbar schnell furchtbar gut. Wir hatten so tolle Erlebnisse mit den ersten Reihen. Da haben Leute geweint. Und uns ging es teilweise auch so. Das nahm nicht geahnte Formen an. Irgendwas an dem, was wir hier machen, ist richtig und wichtig. Du weißt nicht, wie weit es geht und welche Bedeutung es haben könnte. Aber du hast eine Vermutung und fragst dich, wie du da hingekommen bist.“

Waren die Bedenken für die Konzerte also noch groß, waren sie für den neuen Longplayer relativ klein. Nachdem Helloween gemeinsam schon den Track „Pumpkins United“ geschrieben und ihn bei der zweiten Tourhälfte der gleichnamigen Konzertreihe in die Setlist aufgenommen hatten, war ihnen klar, dass sie es noch können. Wenn sie sich alle Mühe geben,

„müsste alles super laufen. Jeder kann etwas und jeder hat eine bestimmte Eigenschaft, die er besonders gut kann. Wenn du das kombinierst, kommt etwas bei raus. Wie so ein Heavy-Metal-Kombinat.“

Froh waren die Hamburger darüber, dass sie ihren langjährigen Weggefährten Charlie Bauernfeind als Produzenten gewinnen konnten. Für Michael Weikath war es keineswegs selbstverständlich, dass er dieses Wagnis mit auf sich nimmt. Statt zu arbeiten hätte er sagen können,

„nöö, ich empfehle euch lieber jemanden, mit dem ihr das Schaffen könnt. Ich fahre in den Urlaub.“

Positiv bewertet der Bandleader, dass sie nun drei Gitarren haben. Denn jetzt können sie

„locker zweistimmig spielen und haben noch eine Rhythmusgitarre darunter. Zum Glück passen wir drei Gitarristen zusammen. Du kannst nicht einfach drei Gitarristen zusammenpacken und das klingt dann oder harmoniert. Meistens geht es sogar schief. Wir sind froh, dass es bei uns so gut passt. Das ist einfach nicht selbstverständlich.“

Weikath erzählt weiter, dass ihm dies besonders wichtig ist. Als Sascha Gerstner 2002 zur Band gestoßen sei, hätten sie sich auf Teneriffa getroffen und geschaut, ob sie beide als Musiker überhaupt gemeinsam funktionieren würden. Doch relativ schnell stellten sich die ersten Magic Moments ein und einer Zusammenarbeit stand nichts im Wege.

Etwas überraschend ist, dass es auf „Helloween“ keine Ballade gibt. Das lag einfach am schlechten Timing, wie Weikath berichtet. Sänger Andi Deris kam mit seiner Song Idee einfach zu spät:

„Zu dem Zeitpunkt war das rum. Die Titel waren schon ausgewählt. Mit sehr viel ‚ach‘ und ‚äh‘ und ‚scheiße“ ist das Lied nicht draufgekommen. Allerdings werden wir es nicht als B-Seite oder Bonus-Track verballern. Ich bedauere es sehr, dass der Song nicht mehr auf die Platte gepasst hat. Wir werden noch mehr dran gehen, dann wird er noch gewaltiger.“

Dagegen klingen Lieder wie „Mass Pollution“ oder „Robot King“ an manchen Stellen ein bisschen wie Judas Priest. Teilweise war dies sogar Absicht und ein kleiner Insider Gag, da ihr Manager ihnen erklärt hat, dass sie unbedingt einen Sound wie die aktuelle Judas-Priest-Platte „Firepower“ haben sollen. Die Band sagte zu ihm:

„Du, wir machen einfach noch ein weiteres Judas-Priest-Album.“

Tatsächlich hat Michael Weikath dies etwas im Hinterkopf behalten:

„Zum Beispiel bei ‚Robot King‘ habe ich versucht wie KK Downing zu spielen. Das sollte etwas britischer klingen. Dann legst du eine zweite Stimme drauf und dann hast du Scorpions. Und bei ‚Down in the Dumbs‘, da denke ich an Michael Schenker.“

Grundsätzlich findet der Gitarrist Anleihen in Ordnung. Direktes abkupfern ist für ihn jedoch das Schlimmste:

„Das ist das letzte was ich möchte. Ich predige anderen immer, seid original und macht euren eigenen Kram. Es ist mir allerdings schon passiert, dass ich einen Track nicht kannte und ausversehen denselben Refrain geschrieben habe. Da hat Markus Grosskopf gesagt, dass es das schon von Stratovarius gibt. Und ich dann antwortete nur: ‚Nein! Scheiße!‘‘“

Allerdings kam es mal einen kuriosen Zufall mit einem Lied von Ariana Grande:

„Ich hatte einen Titel mit Namen ‚Nothing to Fear‘ geschrieben. Der Song schaffte es aber nicht auf die ‚7 Sinners‘. Irgendwie ist der dann bei Ariana Grande gelandet“,

lacht Michael Weikath.

„Das ist fast exakt dieselbe Melodie. Der Song von ihr heißt ‚Sweetener‘. Ich habe keine Ahnung wie soetwas passieren kann, dass in so kurzer Zeit zweimal dasselbe Lied entsteht.“

Mit „Skyfall“ war die erste Single ungefähr sieben Minuten lang. Auf „Helloween“ misst er jedoch über zwölf Minuten, was Metal-Fans erfreut, die Kürzungen teilweise ablehnen. Michael Weikath findet die kurze Version jedoch nicht schlimm und antwortet auf diese Feststellung verschmitzt:

„Das ist Hansens Lied. Letztlich war das mit dem Titel ‚Halloween‘ damals das Gleiche. Da kann man sich streiten, welche Version die bessere ist.“

Generell waren die Aufnahmen zum neuen Longplayer sehr anstrengend. Das erste Mal seit langer Zeit hatte die Band eine Pre-Produktion. Dies war der Wunsch von Kai Hansen, da sie zu Zeiten von „Keeper of the Seven Keys“ bereits so gearbeitet hatten. Dabei hat sich

„jeder mit jedem Titel vertraut gemacht. Uns hat am Ende des Tages gut der Kopf gebrummt. Immerhin kann man sich danach nicht vorwerfen, nicht alle Möglichkeiten in Betracht gezogen zu haben. Aber du stirbst jedes Mal einen Tod: Privatleben oder zwei Monate nur Arbeit. Du kommst kaum zum Schlafen und nur zwischendrin zum Essen.“

Die Produktion fand übrigens in denselben Studios statt, in denen Helloween ihr experimentierfreudiges und bei Fans umstrittenes Album „Chameleon“ aufgenommen haben. Etwas amüsiert blickt Weikath auf damals zurück:

„Während wir mit Chameleon in dem Studio waren, nahmen dort ebenfalls Depeche Mode auf. Als wir im Gebäude waren, standen draußen ein paar begeisterte Fräuleins und warteten auf Dave Gahan und co. Wenn wir rauskamen sagten sie dann, ‚Scheiße, da sind ja Langhaarige!‘“

Auf die frühen Jahre von Helloween und vor allem auf seine Jugend in Hamburg blickt Weikath aber sehr positiv zurück. So waren auf seiner Schule unter anderem auch spätere Produzenten von Helene Fischer und Roger Cicero oder der Keyboarder von Lake. Die damalige lokale Szene war für ihn ein Ort der Kreativität:

„Zu der Zeit war das eine sehr spezialisierte Szene. Es gab ja auch Bands wie Atlantis und da kamen so einige Leute, die auch später im Studio spielten, zum Beispiel bei Udo Lindenberg im Panik Orchester. Das waren Spitzenmusiker, denen ich nicht das Wasser reichen konnte.“

Ein weiterer großer Einfluss des Gitarristen war in Hamburg die Progressive-Band Lucifer’s Friend, deren Sänger John Lawton später bei Uriah Hepp und den Les Humphries Singers war. Michael Weikath versteht bis heute nicht, warum die Band so wenig Erfolg hatte. Etwas überraschend erklärt er anschließend, dass auch DDR-Rockbands wie Magdeburg oder Keks ihn sehr geprägt haben. Bei erstgenannten holte er sich übrigens die Inspirationen für einen der ganz großen Helloween-Klassiker: „Eagle Fly Free“.

Wer noch mehr Lust auf das äußerst unterhaltsame Gespräche mit Michael Weikath bekommen hat, kann sich dieses mit vielen weiteren Themen in unserem Podcast anhören:
Whiskey-soda Podcast Episode 2 – Interview mit Michael Weikath von Helloween

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Foto: Martin Haeusler

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