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Hammer Of The Witches

Was, wenn der Malleus Maleficarum kein läppisches Traktat, sondern wirklich ein Hammer gewesen wäre? Und wenn die Hexen ihn eines Tages gepackt und gegen ihre Peiniger gerichtet hätten? Nur eines von vielen Sujets, über die Dani Filth, das selbsternannte Mouthpiece of Hell, auf seinem elften Werk mit Cradle Of Filth lebhaft fantasiert. Mit reichlich Geifer um den Schlund herum, versteht sich. Schließlich soll es nicht heißen, bei den Ober-Amtswaltern des überkandidelten Extrem-Vampir-Blackmichdoch-Metals sei eine neue Biederkeit eingekehrt.

Einher ging der kreative Prozess mit einer notgedrungenen Frischzellenkur den Gitarren. Cradle-Urgestein Paul Allender haben private „Issues“ im Griff, Wingman James McIlroy hat mit seiner Halswirbelsäule genug zwischen den Ohren. Also ging Herbergsvater Dani anschaffen und zog Richard Shaw und Marek „Ashok“ Šmerda an den Löffeln und Hörnern in die Dreckswiege. Es zeigt sich nun, dass die beiden Saitenflitzer nicht nur tempotechnisch mithalten, sondern auch das Cradle Of Filth-Grundrezept astrein nachbrauen und nach Art des Hauses verfeinern können. Auch wenn man sich in den ewigen Stromschnellen des Blastbeat – sehr zum Vorteil der Dramaturgie – inselweise Zeit für ungemein ausführliche Soli nimmt: Der den Briten beständig anhaftende Begriff der Raserei kann weiterhin guten Gewissens auch wörtlich genommen werden.

Mögen auch die Hexen entgegen dem Titel keine Hauptrolle auf Cradle Of Filths Elftling ergattert haben – das Thema Rache begegnet dem Hörer ein weiteres Mal, als man sich im pompös aufgezogenen ‚Deflowering The Maidenhead, Displeasuring The Goddess‘ – dem klaren Platzhirsch der Tracklist – ausmalt, wie Mutter Natur am Ende oben liegt:

‚Now maniacal, now maniacal / She moves against us all / To destroy, recreate anew / To dance amok amidst annihilation / … / This judgment has come from on high / Suffer this kiss as she whispers goodbye‘

. Gut gebellt, Zerberus! Doch sind es in erster Linie Stücke wie ‚Blackest Magick In Practice‘ oder ‚Onward Christian Soldiers‘, die sich den Hörer dank breitbeiniger Midtempo-Riffs und hymnischer Unterfütterung anfänglich vor den Bug schnallen.

Die halsbrecherischen Speed-Passagen gehören wie üblich zur zweiten Zündstufe, peitschen aber umso nachhaltiger auf, sobald man einmal in der Lage ist, mitzuhalten – und die Belustigung, die sich bei der hin und wieder übertriebenen Gutturalgurgelei einstellen mag, ausgeblendet hat. Die Hochachtung vor Versmaß, Reimschema und Stilistik (beziehungsweise deren stoischer Aufrechterhaltung) wallt ohnehin erst beim Mitlesen richtig auf.

Scharf an der streicher- und keyboardgespickten Grenze zum Kitsch – Lindsay Schoolcrafts theatralischer Damengesang hilft gut mit – kloppt Dani Filth schnell noch die eine oder andere archaische Vokabel rein, die auch den einen oder anderen Muttersprachler in den Exkurs zwingen dürften, und verleiht seine Stimme dabei wie so oft gleich mehrfach: Mal sind es spitze Schreie, wie sie auch den Hexen auf dem Scheiterhaufen entfahren sein müssen, dann wieder zischt und züngelt sich der Zeremonienmeister wie ein Reptil durch die Strophen oder tanzt feixend wie Rumpelstilzchen um die eigens entfachten Brandherde und Einschlagskrater. Das mag am Ende alles Mögliche sein, auch wieder der viel beanstandete „Kommerz-Metal“, banal aber ganz gewiss nicht.

‚Blooding The Hounds Of Hell‘ inszeniert mit pseudo-liturgisch dröhnender Orgel den segenlosen Auszug aus der wohl überzeugendsten Soundkathedrale dieses Jahrzents. Zugegeben: Den blässlichen Vorgänger ‚The Manticore And Other Horrors‘ in den Schatten zu stellen, war wahrlich kein Hexenwerk. Eine Wuchtbrumme diesen Schlages wäre gleichwohl nicht zu erwarten gewesen. Orchestral-Intro, -Outro und -Interlude – und nicht zuletzt ein stimmungsvolles Artwork – binden den vulgären Geschichtenband zum epischen Schinken. Fun Fact: Filths Tochter ist mittlerweile 16. Beim nächsten Album wäre sie alt genug für Papas Märchen.

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