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Scare Force One

Das Flugzeug des amerikanischen Präsident heißt „Air Force One“, das sollte jeder nicht erst seit dem gleichnamigen Harrison-Ford-Film wissen. Wenn eine Band also ein Album mit dem verballhornten Namen „Scare Force One“ veröffentlicht, auf dem sich zudem ein Titel namens „Sir, Mr. Presideath Sir!“ findet, sollte man dann USA-kritische Texte und Politik erwarten? Nein, natürlich nicht, denn bei der Band handelt es sich schließlich um Lordi, die finnischen Monsterrocker mit den spektakulären Bühnenoutfits, die sich auf ihrem achten Studioalbum wieder einmal zur Aufgabe gemacht haben, eingängigen Monsterrock zum Mitgröhlen unter die Leute zu bringen. Das ist das musikalische Equivalent zu einem Michael-Bay-Film: Hirn ausschalten und Spaß haben. Wer hier länger über Sinn oder Unsinn von Texten oder die doch überwiegend einfach gehaltenen Riffs und etwaigen musikalischen Anspruch nachdenkt, hat das falsche Album im Player. Lordi wollen mit ihrem Party- / Horror-Rock im Stil von Kiss oder Alice Cooper unterhalten, zum Mitgröhlen animieren und die abendliche Halloween-Party beschallen. Und das gelingt ihnen auch mit „Scare Force One“ wieder hervorragend. Dementsprechend ist die Veröffentlichung des Albums am 31. Oktober natürlich perfekt getimed: Mr. Lordi, „Amen“, „Ox“, „Hella“ und „Mana“ dürfen die Halloween-Nacht in ein buntes Gruselkabinett der Dämonen, Geister und untoten Rockstars verwandeln.

„Scare Force One“ beginnt nach dem Lordi-typischen Intro mit dem rockigen Titeltrack, und für einen Moment fragt man sich, ob das richtige Album eingelegt wurde, beginnt der Gesang doch mit aggressivem Schreien, das eher einer Deathmetal-Kapelle zu Gesicht stehen würde. Aber keine Angst, nach wenigen Sekunden setzt dann Mr. Lordis typischer Gröhlgesang ein, und vor weiteren Überraschungen ist der Fan dann auch die nächsten 50 Minuten gefeit. Das muss in diesem Fall nicht verkehrt sein. Lordi bleiben sich selbst treu: Schräge anspruchslose Texte über Dämonen-Freundinnen (‚She’s A Demon‘), das Zerstückeln bzw. Aufschlitzen gewisser Damen (‚Ten, nine, eight, seven / six, five, four / three, two, one, zero / that’s how you slice a whore‘ in ‚How To Slice A Whore‘), eingängige Rock’n’Roll- und Hardrock-Riffs mit ein paar Keyboard-Einlagen und preschenden Drums. Keine Experimente, keine innovativen Neuheiten. Aber wie gesagt, die braucht es für so ein Album auch nicht. Lordi ist keine Band für den anspruchvollen Progger oder Kulturliebhaber. Hier stehen Party und Spaß im Vordergrund, und beides bietet „Scare Force One“ zur Genüge.

Zwei kleine Instrumetalstücke lockern das ansonsten ohne wirkliche Balladen oder Softrocker auskommende Album auf, ansonsten wird von vorne bis hinten durchgerockt, gegröhlt und in die Saiten gedroschen, bis die Apokalypse vor der Tür steht und die Dämonen lautstark um Einlass bitten. Kein Song fällt besonders aus dem Rahmen, und das ist vielleicht der einzige wirkliche Kritikpunkt an Lordi und ihrem Monsterrock: Irgendwann zeichnen sich erste Abnutzungserscheinungen ab, irgendwann hat man das Gefühl, all das schon auf den vorherigen Platten genauso gehört zu haben. Aber hin und wieder möchten wir genau das haben. Wir sind als Kinder ja auch immer wieder mit der gleichen Geisterbahn gefahren. Beim Song über die unheimlichen Clowns (und mal ehrlich, wer findet Clowns [i]nicht[/i] unheimlich?) ‚Hell Sent In The Clowns‘ gibt es immer wieder kleine an den Zirkus erinnernde Keyboard-Einwürfe. Den Keys wird mit der seit dem letzten Album neuen „Hella“an den Tasten generell etwas mehr Platz eingeräumt, und so verfügt auch die eingängige Nummer ‚House Of Ghosts‘ über stimmungsvolle schaurig-schöne Keyboard-Passagen. ‚Who the hell you think you are, you fuckface?‘ fragt ‚My Name Is Monster‘, ein melodiöser Song, der nahtlos an alte Klassiker wie ‚Who’s Your Daddy‘ anschließt und sofort zum Mitsingen animiert. Fenster auf, Anlage aufdrehen und die Nachbarn wissen lassen, das Halloween ist!

Als Outtro nach dem letzten Song gibt es noch eine lustige Durchsage unseres Flugkapitäns, der uns aus gutem Grund zu Drinks einladen möchte. „Scare Force One“ beweist, dass nicht jedes Rock-Album innovativ sein muss, um Spaß zu machen. Lordi zeigen mit ihrem neuesten Streich wieder einmal, dass sie immer noch die „Erschrecker Macht Nummer Eins“ sind. Zumindest an Halloween.

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