|

Found In Far Away Places

Ein neuer Stil, ein neues Label? Dass diese scheinbare Faustregel nicht immer eindeutig zutreffen muss, beweist die neue Platte der Genreveteranen von August Burns Red. Die schon länger recht experimentierfreudige Band spendiert sich auf ihrem mittlerweile siebten Studioalbum eine bunte Mischung aus den gewohnt brettharten Metalcorezutaten und diversen Musikstilen, die man hier nicht unbedingt vermuten würde.

Mindestens ein Song wird die Fangemeinde vermutlich spalten. Zunächst kommt aber erst mal eine Menge solider und bewährter Stoff, wie man es gewohnt ist. Man wird hin und wieder an das vorletzte Album „Leveler“ erinnert, doch spätestens in der dritten Minute von ‚Separating The Seas‘ kommt die erste Überraschung. Die Leadgitarre zupft eine beschwingte Melodie, zu der sich bald Streicher und Klarinette gesellen. Aber nein, das wird kein orchestraler Symphonic Metal, sondern eine ausgewachsene Klezmer-Melodie, zu der man auch ganz gut Polka tanzen könnte. Bevor man sich fragen kann, ob jemand zwischendrin heimlich das Album ausgetauscht hat, kommt der geradezu nahtlose Übergang zu den härteren Tönen. Was für ein Spagat. Wer macht denn sowas?

Der nächste Titel ‚Ghosts‘ beginnt dann erstmal wieder angenehm heftig, doch das letzte Drittel hält die vermutlich größte Überraschung der Bandgeschichte bereite: klaren Gesang über brutalstem Geschredder. Das klingt wie As I Lay Dying zu deren besten Zeiten, ist wenig Takte später aber schon wieder eindeutig ABR. Puristen wird es nerven, andere werden den Schritt vielleicht grade aufgrund der hervorragenden Umsetzung begrüßen. Noch vor wenigen Alben beteuerten die fünf Musiker, dass derartige Melodielinien eher nicht zu ihrer Musik passen, doch man scheint sich’s nochmal überlegt zu haben. Ob es nun ein Verkaufsargument oder ein neues Experimentierfeld ist – es steht der Band nicht schlecht. Während einem aufgrund dieser neuen Klänge doch der Mund offen steht, wippt der Fuß selbstständig zu einer lockeren Countrymusik mit, die sich zusammen mit ein paar Bläsern im nächsten Titel breitmacht.

Darüber hinaus gibt es natürlich weiterhin jede Menge abgefahrene und fast schon übliche Drum-Fill-Ins von Meistertrommler Matt Greiner und auch an den Rhythmusgitarren wird man nicht müde, neue Riffs zu erfinden. So einzigartig einige Songs auch sind, so bekannt kommt einem manches eventuell vor. Richtig schlechte Songs gibt es eigentlich nicht, aber da die Band ihre Hörer regelmäßig mit dem vielleicht technisch anspruchsvollsten Metarial ihrer Sparte verwöhnt, kann man schonmal auf hohem Niveau meckern. Trotzdem bleibt ein Album, das man ohne Probleme immer wieder hören kann, auch wenn man vielleicht nicht jeden neuen Schritt nachvollziehen kann.

geschrieben von Michael Seiler

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar