Distractions

Bock auf eine zünftige Mischung aus Humble Pie, Free, Hendrix, James Gang und einem Schuss Grand Funk Railroad? Bitteschön! Die Amerikaner Dirty Streets liefern auf ihrem fünften Album „Distractions“ ein Album mit enorm launigem Rhythm’n’Blues-infizierten späte-Sixties-bis-frühe-Seventies-Hardrock ab, der so ziemlich jeden Fan oben genannter Bands abgehen lassen dürfte wie Schmidts Katze.

Vom eher zu einer freakigen Stoner-Rock-Combo passenden Cover sollte man sich auf keinen Fall abschrecken lassen. Psychedelisch wird’s hier maximal beim Coda des ansonsten klar in Paul Rodgers Fussstapfen wandelnden ‚Dream‘, und Fuzz-Gitarren gibt’s auch nur im Opener ‚Loving Man‘ zu hören. Dirty Streets bevorzugen als klassisches Powertrio nachvollziehbares und eingängiges Songmaterial, das die tolle Stimme von Justin Toland in den Mittelpunkt stellt. Zurecht, klingt der doch wie eine Mischung aus erwähntem Rodgers, Mark Farner und dem jungen Sammy Hagar zur Montrose-Ära. Die Songs bleiben größtenteils unter der Dreieinhalb-Minuten-Grenze, irgendwelche progressiven oder exzessiven Extravaganzen gibt’s genausowenig wie musikalische Durchhänger. Die Gitarren kommen abgesehen vom unumgänglichen WahWah ohne Schnickschnack sehr direkt zum Tragen. Hier wurde auch nichts mit Gewalt auf LoFi getrimmt, man hört ’ne rustikale Klampfe über ’nen geilen, laut aufgerissenen Amp (vermutlich ein alter Fender und ’ne Les Paul) und gut iss‘! Das akustische ‚On The Way‘ erinnert mit seinem Country-Flair sogar an die ganz frühen Eagles – und, erneut, an Paul Rodgers‘ Akustiksongs auf den Free- und Bad-Company-Klassikern, Marke ‚Seagull‘ und ‚Soon I Will Be Gone‘. Das mag der Hipster-Fraktion unter den Classic-Rock-Fans vielleicht zu uncool klingen, wer aber statt Hollywood-Coolness-Faktor lieber ordentlich Schubkraft und authentische Rock’n’Roll-Vibes bevorzugt, wird in Dirty Streets einen neuen Favoriten finden. Das Album wurde in den Studios von Sun-Records-Legende Sam Phillips live eingezimmert, und so klingt das Ganze auch: laut, schwitzig, bodenständig und enorm beseelt. Und, nur mal so gesagt, eben auch uramerikanisch – das war, musikalisch gesehen, schließlich 1970 auch noch kein Schimpfwort.

Das Einzige, was dem Album noch fehlt, ist die Handvoll absoluter Killersongs, die sich so richtig in die Gehörgänge brennen und mit den Genre-Klassikern gleichziehen können. Das verzeiht man aber aufgrund der ungeachtet dessen durchweg hohen Qualität des Songwritings gerne, und außerdem hat auch die gehypte Konkurrenz immer noch keine Stücke am Start, die sich mit ‚Wishing Well‘, ‚Walk Away‘ oder ’30 Days In The Hole‘ messen lassen können. Wer die drei erwähnten Stücke nun ohne Nachdenken sofort den Interpreten zuordnen konnte, sollte sich aber „Distractions“ direkt ins heimische Regal stellen. Zu beziehen bei den Import-Spezis von Just For Kicks.

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