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Central Belters

In Mogwais schottischer Heimat ist „belters“ das Slang-Word für „Idioten“. Eine handvoll Klimazonen weiter unten, im warmen Südafrika, spricht man von „belters“, wenn einem gerade ein Gespann hübscher Mädels über den Weg schwebt. Ein sonderbar ambivalenter Titelbestandteil für eine Werkschau. Aber was war jemals nicht über alle Maßen sonderbar, wenn Mogwai es mal mit Worten probierten?

Die Postrock-Koryphäen deshalb als die großen Overthinker zu missbilligen, wäre allerdings ungerechtfertigt. Im Gegenteil: Wie Barry Burns uns letztes Jahr im Interview verriet, habe es in 20 Jahren Bandgeschichte mit nahezu keinem Liedtitel etwas auf sich gehabt. Es gehört eine Menge kruden Humors und nicht zuletzt auch eine beachtliche Sturheit dazu, über zwei Jahrzehnte Unmengen von Nonsense unerkannt in die Plattenregale dieser Welt zu schleusen – und dabei auch noch wie im Vorübergehen Maßstäbe zu setzen.

À propos 20 Jahre: Mogwai, die mehr oder minder offiziell, vor allem aber ziemlich noisig im Wohnzimmer von Stuart Braithwaites Eltern begannen, zählen zu jenen Bands, die mitunter erst einen Anlass aus dem Boden stampfen müssen, damit ihre untertourigen Instrumentalrock-Hymnen wieder ins Rollen kommen. Wer zum Henker hört schon ständig Mogwai? Doch wenn ein rundes Jubiläum keinen gebührenden Anlass darstellt, was dann? Endlich wieder suchten! Aber – nächstes Problem –: Wer hört denn nun Post-Rock-Best-Ofs?

34 Stücke auf drei CDs – beziehungsweise sechs LPs für Vinyl-Liebhaber, deren Fraktion ja in Mogwai-Fankreisen überdurchschnittlich stark vertreten ist – haben die Schotten anzubieten, ergo die volle diskographische Breitseite, von der überlegten Vocoder-Pop-Perle ‚Hunted By A Freak‘ über Pegel-Booster wie ‚Batcat‘ oder ‚We’re No Here‘ bis hin zu den elektronisch durchsetzten Floor-Fillern ihres jüngsten Streichs ‚Rave Tapes‘ von Anfang 2014. Die Soundtrack-Abstecher zu den Füßen eines langsam ergrauenden Zinédine Zidane (2006) und in die Welt der Wiedergänger nicht zu vergessen. Klingt halbwegs überschaubar, aber: Nach einer Stunde Spielzeit ist gerade mal ein Viertel geschafft. Man fühlt sich erinnert an die endlosen zwei Stunden als Sechsjähriger im Museum mit Mama und Papa.

Kann, soll, darf man so Mogwai hören? Jein, nein, vielleicht. Solange sich aber im dritten Dritteln – beziehungsweise auf den letzten zwei Sechsteln – die EP- und B-Seiten-Highlights tummeln und Stücke wie ‚Devil Rides‘ feat. Roky Erickson, ‚Hasenheide‘ oder ‚My Father My King‘, das eigentlich immer schon viel zu groß zum Verstecken gewesen ist, ihren Auftritt bekommen, lässt sich so einiges tapfer überstehen. Außerdem muss man sich bei dieser Veröffentlichung keine Sorgen machen, mit marginal abweichenden Mixen, unaufgeräumtem Demo-Salat und ramschigen Raritäten zugeschüttet zu werden. Wer es dann schafft, den ganzen Packen von vorne bis hinten laut durchzuhören, kann sich rühmen, einem bedeutenden Abschnitt Post-Rock-Geschichte endlich einmal die gebührende Aufmerksamkeit erwiesen zu haben. Wer nicht, ist vielleicht Einsteiger und lässt sich von ‚Central Belters‘ kurzerhand zu seinem Mogwai-Album durchstellen. Denn das gibt es ganz bestimmt.

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