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Thank Your Lucky Stars

Anderthalb Monate ist es her, da erschien ‚Depression Cherry‘. Ein gelinde gesagt streitbares Album, dem wir – trotz (oder gerade wegen?) bewährter Zusammensetzung – seinerzeit (sagt man das schon so nach sechs Wochen?) kaum mehr als seine Farbe und seinen Samt abgewinnen konnten. Im Anschluss daran schien das Wildkirschbonbon gelutscht und das übliche mehrjährige Warten auf Besserung eingeläutet.

Doch was haben wir uns getäuscht! Alex Scally und Victoria Legrand, diesen Füchsen, ist es gelungen, ein zweites Album an der Weltöffentlichkeit vorbeizuschmuggeln und für den Release zu präparieren – ohne Promo-Kampagne oder sonstigen Wirbel. Nun bringen sie es einfach heraus. Einfach so! 2015! Das soll ihnen erst mal jemand nachmachen.

Wer mag, kann ‚Depression Cherry‘ nun mit anderen Augen sehen. Als die Fassung des wahren Juwels – denn ‚Thank Your Lucky Stars‘ ist eines – etwa, als Köder, den der böse Markt zerfleischen, an dem er sich satt essen sollte, oder als Testballon, um die Einflugschneise dieses so bald schon kommenden nächsten große Wurfes zu bestimmen. So oder so: Mit dieser LP-Nachgeburt auf dem Teller lässt sich eigentlich nur gewinnen.

Das Beste an dem ganzen Manöver aber ist der unmittelbare Effekt: Wenn dann im festen Griff der Ernüchterung doch noch die Wendung eintritt – ach, was schreibe ich! – aufmarschiert, nein, galoppiert, auf Pferden und in goldenen Rüstungen und nichts mehr so ist, wie es schien, dafür aber alles wie durch ein Wunder gerettet, gerade als man sich mühevoll dazu durchgerungen hatte, sich den Umständen geschlagen zu geben. Oh, Beach House, ihr Lichtgestalten der Leaklosigkeit, wie fett sind die Props, die ihr allein schon dafür verdient, in den 10er Jahren des ersten Jahrhunderts im neuen Jahrtausend, diesen Jahren der prä-totalen Vernetzung, ein Album zu veröffentlichen, von dem wirklich keine Sau zuvor gewusst hat! Antwort: exorbitant fett.

Doch Marketing hin oder her: Was am Ende zählt in, ist der musikalische Verdienst. Und der stimmt sowas von: ‚Thank Your Lucky Stars‘ schüttet den Löwenanteil des Lohns aus, den sich das dunstige Dreampop-Duo für seine letzte Studio-Session verdient hat – und steigert sich noch dazu mit jedem seiner neun Stücke – wunderliche Pop-Songs mit verhangen-hypnotischen Harmonien, wie wohl nur Beach House sie zubereiten können. Hier liegen die Trauerklöße dampfend und in Sauce auf dem Teller, wickeln einen die leierigen Riff-Schleifen wieder ein, schaukelt einen Legrands Gesang in lange vermisste Traumphasen. Doch Moment mal, was war das? Der Schleifpunkt zur Distortion? Ein Sandkörnchen auf dem Tonabnehmer? Songtitel wie ‚Elegy To The Void‘ zeigen an, was Sache ist; die meiste Bitterkeit aber sickert wieder so verlockend in die Ritzen wie zu Zeiten eigentlich gar nicht so alter Großtaten. Und so ist letztlich doch noch alles gut, der Leumund wiederhergestellt, 2015 gerettet. Den Sternen sei Dank.

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