2222
Im Jahr 2020 gehörten die aus Berlin stammenden Chaosbay zu den positiven Überraschungen des Jahres. Ihr Zweitlingswerk „Asylum“ war ein beachtenswertes Album aus dem Progressive-Metal-Bereich. Mit „2222“ (Circular Wave) steht nun der Nachfolger in den Startlöchern.
Nach den ersten Riffs warten Chaosbay gleich mit einer kurzen Überraschung auf: folkloristische indische Sounds im Metal-Gewand, die einen kurz daran erinnern lassen, dass Bloodywood dieses Jahr ihr Debüt herausgebracht haben. Die Klänge verschwinden aber schnell und tauchen im Verlauf der Platte nur noch einmal kurz auf. Stattdessen werfen Chaosbay in „Passenger“ direkt mit elektronischen Sounds umher, die teilweise in die Dubsteb-Richtung gehen.
Diese kleinen Experimente sind wohl dosiert und blitzen ab und an auf, ohne jedoch „2222“ zu dominieren. Chaosbay setzen also wie schon beim Vorgänger auf ihre Mischung aus Metalcore, Modern Metal, Progressive und ein bisschen Djent. Die bandeigene Beschreibung Progressive Metalcore trifft es sehr gut.
Auffällig ist, dass das Quartett noch stärker auf Melodien setzt als bisher. Teilweise ist dies vielleicht sogar etwas zu viel des Guten wie bei den Ahhh-und-wohooo-Chören in Songs wie „All This Can’t Be Real“ bzw. „How Long“ oder dem etwas zu arg an Thirty Seconds to Mars erinnernden Refrain in „What is War“.
Trotzdem sind Chaosbay auf keinen Fall vergleichbar mit den Emo-Rockern. Sie schaffen es trotz aller eingängigen Momente immer wieder den Schalter auf heftige Riffs und Growls umzulegen. Wirre und verquere Progressive-Phasen sind dabei inkludiert. Trotz allem überdrehen sie dieses Momentum nicht. Ihre Songs wirken deutlich strukturierter als beispielsweise bei genreverwandten Kollegen wie Interloper. Zu den Highlights von „2222“ gehören „2 Billion“, „“All This Beauty Can’t Be Real“ oder „Eternal Eyes“, die die typischen Trademarks des Quartetts aufweisen. Allerdings sind sie auf dem Longplayer nicht immer nur zu viert zu hören. Mit ONI, Siamese und Eyes Set to Kill haben sie sich veritable Gäste aus der Progressive- und Metalcore-Szene zur Unterstützung geholt. Vor allem die Stimme von Alexia Rodriguez von Eyes Set to Kill verleiht der Band in „Home“ noch einmal einen ganz neuen und anmutigen Touch.
Inhaltlich wird „2222“ durch ein Konzept zusammengehalten. Die Band glaubt an das gute Menschen und entwirft deswegen einen positiven Blick auf das Jahr 2222, in dem viele der heutigen Probleme gelöst sind. In dieser schwierigen und verrückten Zeit ist ein derartiger Hoffnungsschimmer mal eine schöne Abwechslung.
Chaosbay scheinen mit „2222“ endgültig ihren Sound gefunden zu haben. Ein deutlicher Wiederkennungseffekt ist zu vernehmen. Vielleicht ist das Songwriting an der ein oder anderen Stelle etwas zu glatt, sodass der Longplayer nicht ganz an den Vorgänger heranreicht. Schöne und überraschende Momente sind für Freunde des modernen Progressive-Metals dennoch in Hülle und Fülle vorhanden. Mehrfach hören sollte man die Platte auf jeden Fall!