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Royal Albert Hall

Mark Oliver Everett alias „E“, der einzigartige, kauzig-sympathische Kopf hinter den Eels, blickt auf eine ereignisreiche, einzigartige Karriere zurück. Nach insgesamt zehn Studioalben seit dem Debüt „Beautiful Freak“ (1996) und dem hervorragenden „The Cautionary Tales of Mark Oliver Everett“ vom letzten Jahr verkündet Everett nun eine ganz besondere Veröffentlichung. Während der Welttournee, die im Mai 2014 startete und aus ganzen 53 Termine weltweit bestand (hier Whiskey-Soda Live Review vom Konzert in Zürich lesen) , suchte sich die Band den Auftritt in der legendären Royal Albert Hall London aus, um nicht nur ein neues Live-Album aufzunehmen und das komplette Konzert zu filmen, sondern um einmal mehr eine Neuerfindung der Band für die Ewigkeit zu konservieren. Beim letzten Auftritt in der Albert Hall 2005 waren die Eels von einem Streicher-Ensemble begleitet worden. Dieses Mal übernahmen die insgesamt nur fünf Musiker in Anzug, Krawatte und gegeltem Haar das gesamte, beeindruckende Instrumentarium: Gitarre, Klavier, Kontra- und E-Bass, Pedal-Steel-Gitarre, Trompete, Melodica, Vibraphon, Pauke, Schlagzeug und Glockenspiel. Mit atemberaubender Überzeugungskraft und dem inzwischen gewohnten, aber immer wieder zu Überraschungen führenden Grundgedanken, den eigenen Back-Katalog immer wieder im neuem Stil zu interpretieren.

Dieser zeichnet sich bei der „Cautionary Tour“ durch die die fast orchestrale Instrumentierung und eine besonders behutsame Umsetzung der bekannten Songs aus. Kein Rock’n’Roll, was Everett während des Auftritt immer wieder ironisch selbst beklagte, sondern „echte Langweiler“. Als das kann man die wunderschönen Eels-Songs aber wirklich nur bezeichnen, wenn man die volle Rock-Breitseite wesentlich bevorzugt, in der man die Eels auch schon posieren und spielen sah. Besonders harte Kerle mögen diese Tour dann möglicherweise die schlechteste finden, die die Eels je gemacht haben, denn als Rockmusik kann man das ehrlicherweise kaum noch bezeichnen. Doch letztlich passt die gediegen-ruhige Gentlemen’s Version sehr gut zu den immer schon schrullig-melancholischen Songs der Eels. Und das einmal ganz abgesehen von der riesigen, sehr stimmungsvoll beleuchteten Royal Albert Hall, die überdies bis zum letzten Plätzchen irgendwo auf den Logenrängen gefüllt scheint.

Nach dem Auftakt mit ‚Where I’m At‘ und weiteren Songs begrüßt Mr. E nach ‚Parallels‘ das Publikum in der ehrwürdigen Royal Albert Hall und küsst die Bühne an der Stelle, an der John Lennon einst stand und spielte. ‚Mansion Of Los Feliz‘ adressiert Everett an seine Wahlheimat in Los Angeles, um mit den Geistern seiner verstorbenen Eltern und Schwester auf dem Sofa Platz zu nehmen und trotz tragischer Biografie der schönen Momente seiner Kindheit mit ‚Where I’m From‘ zu gedenken, von Trompete und Glockenspiel umrahmt. ‚Daisy Through Concrete‘ darf nicht fehlen, mit ‚Fresh Feeling‘ und ‚I Like Birds‘ wird es dann tatsächlich etwas rockig und das durch den Shrek-Film zu später Berühmtheit gelangte ‚My Beloved Monster‘ singt E mehrstimmig mit Bassist Al, Schlagzeuger Knuckles und Gitarrist Pee-Boo.

Während nach dem Ende des offiziellen Sets mit ‚Where I’m Going‘ Mr. E’s Begleitmusiker auf der Bühne stehen, sich verbeugen und den Applaus genießen, zeigt der sonst eher scheue Everett einmal mehr eine neue Seite. Eine, die sich schon mit dem deutlich versöhnteren letzten Album irgendwie andeutete: Der Musiker läuft ins Publikum und verteilt Umarmungen! Die ungewohnte Nahbarkeit des bärtigen Kauzes wird begeistert aufgenommen. Aus allen Richtungen kommen Fans gelaufen, die den Meister für seine wundervollen Songs drücken wollen. Was für ein Moment, den der Mittelpunkt des Abends nach mehreren Minuten im Publikum auf die Bühne zurückgekehrt mit einem „Puh, das war toll – aber auch ganz schön furchteinflößend“ und dem augenzwinkernden ‚I Like The Way This Is Going‘ beendet. Weitere Zugaben sind ‚Blinking Lights‘ und das zum Weinen schöne ‚Last Stop This Town‘. Auch Cover-Songs sind integraler Bestandteil jeder Eels-Show. Dieses Mal das berühmte ‚Can’t Help Falling In Love‘ (Elvis Presley) und ‚Turn On The Radio‘ von den Bay City Rollers. Die Krönung des Konzerts ist zweifelsohne die Zugabe-Songs ‚Flyswatter‘ und ‚Sound Of Fear‘ auf der gigantischen Orgel der Royal Albert Hall, die Everett als ominös verkleidetes „Phantom“ mit Umhang und Melodie „illegal“ entert. Nach den zwei schaurig-kribbeligen Songs auf dem monströsen Instrument endet das rund 90-minütige Konzert mit triumphal-höhnischem Gelächter. Perfektes Entertainment, großartige Musik und ein kauziges Genie, das die Fans mehr und mehr ins Herz schließen, weil es sich vom Kauz zum netten Typ von nebenan wandelt.

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