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Vektor – Sci-Fi or Die!

Whiskey-Soda: Hallo David und danke, daß du dir ein bißchen Zeit für unsere Leser nimmst. Es ist ja eure erste Tour in Europa überhaupt und ihr kommt gerade aus Italien und Frankreich. Was gehen denn für Gedanken und Gefühle in euch vor, der Terroranschlag auf das Bataclan ist ja gerade erst drei Wochen her. Fühlt ihr euch wohl, fühlt ihr euch sicher?

David DiSanto: Wir hatten einen ganz kurzen Austausch darüber: „Sollen wir das wirklich immer noch machen? Ja, absolut! Scheiß auf den Anschlag!“ Natürlich ist es sehr traurig, was passiert ist. Aber wir möchten uns dadurch nicht von unseren Live-Auftritten abhalten lassen. Schließlich hatten sich ja auch eine ganze Menge Leute schon drauf gefreut, daß wir kommen. Nach so einem Ereignis sind natürlich die Grenzkontrollen und ganz allgemein die Sicherheitsvorkehrungen sehr viel strenger. In der einen Nacht lagen uns allerdings schon die Nerven etwas blank. Das war der Abend unseres Auftritts in Paris und direkt vor dem Eingang zum Club, in dem wir spielten, war eine mobile Polizeistation aufgebaut. Der Club war fast voll – und als wir zu spielen anfingen, gingen alle voll ab. Von da an fühlte es sich dann gut an.

WS: Man könnte Vektor ja als Thrash-Metal-Band bezeichnen. Was erwiderst du denn auf folgende Aussage: „Thrash Metal ist auch heute musikalisch noch relevant?“ Stimmst du zu oder eher nicht? Wenn ich mich so umsehe, dann hört man doch fast nur von den Veteranen wie Slayer, Anthrax, Exodus, Testament und so weiter.

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DD: Im Kern sind wir eine Thrash-Metal-Band, das kann man so sagen. Es gibt sehr viele neue Bands, die sind da. Aber die meisten von denen fahren eben selber auf das alte Zeug ab. Ich bin da keine Ausnahme, im Gegenteil. Meine liebsten Trash-Bands sind die alten, auch wenn es ein paar neuere gibt, die auch gern mag. „Forbidden World“ von Antichrist war zum Beispiel ein klasse Album. Aber es gibt keine grossen Bands. Man könnte zwar vielleicht von einem Rivival sprechen, aber das Genre ist nicht ansatzweise so populär wie es einmal war.

WS: Ja, die alten Bands sind immer noch, oder teilweise wieder populär. Vielleicht, weil im Thrash noch „alte Werte“ einen hohen Stellenwert haben: Roh, echt und voll auf die Zwölf. Ganz anders als die vielen überproduzierten Metalbands, die alle irgenwie gleich klingen und ruckzuck todlangweilig werden. Warum gibt es also keine jungen Thrash-Bands, die dem Erfolg ein bisschen näher kommen? Selbst Death-Metal ist inzwischen salonfähig geworden und landet in den Charts. Und wenn es stimmt, dass Thrash ehrlich und geradlinig ist, warum klappt das dann bei denen nicht?

DD: Ich glaube, das liegt an ganz unterschiedlichen Faktoren. Für die Kids heutzutage ist es wegen dem Internet viel einfacher geworden, andere Bands zu kopieren. Man kann sich ja heute bis zum Erbrechen einen Youtube-Kanal nach dem anderen reinziehen. Als ich noch jünger war, gab’s nicht tonnenweise Bands. Neue Bands habe ich kennengelernt, indem ich die Danksagungen in den Alben gelesen habe. Als ich mich selber entschieden habe, eine Band zu gründen, kannte ich gar nicht so viele Thrash-Bands, ich habe alle möglichen Arten von Musik gehört. Das Ergebnis ist, dass man die unterschiedlichsten Einflüsse auch auf den Vektor-Alben hört. Heutzutage gibt’s so viel Thrash, dass die Versuchung für die Kids gross ist, einfach ihre Lieblingsband zu kopieren. Und es ist klar, dass das dann nicht so originell klingt, im Gegensatz zu den älteren Bands. Egal welche man nennt, jede klingt anders: Exodus, Nuclear Assault, Kreator, Destruction, Slayer, Violence, Forbidden. Klar sind das alles Thrash-Bands, aber man kann sie total einfach auseinander halten. Heute geht so was gar nicht mehr.

WS: Vielleicht gibt es heute auch schlicht ein Überangebot? Um heute ein Album zu machen, braucht man keinen Plattenvertrag mehr. Man kann eine Crowdfunding-Kampagne starten und im Internet die Werbetrommel rühren. Ein teures Studio braucht man auch nicht mehr unbedingt. Wenn man die Musik also erstmal geschrieben hat, ist das also keine so grosse Sache mehr.

DD: Wahrscheinlich gab es früher auch schon viele Bands, aber es kannte sie eben keine Sau. Man wurde nicht von Bands überflutet, weil nur die wirklich Guten sich einen entsprechenden Ruf erarbeiteten und dann „nach oben gespült“ wurden.

WS: Ihr seid ja selber teil des Untergrunds, zumindest in eurer Heimat an der US-Ostküste? Was geht denn bei euch in der Region gerade spannendes ab? Irgendwelche coolen Bands, die du unseren Lesern empfehlen kannst?

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DD: Eine der coolsten jüngeren Bands aus unserer Gegend sind Noisem. Sie kommen aus Baltimore und sind schlicht grossartig. Sie haben erst vor ein, zwei Jahren ihr erstes Album rausgebracht und das haut alles kurz und klein. Und das obwohl sie noch Teenager sind. Sie muss man auf jeden Fall erwähnen. Mit Black Fast verbindet uns eine enge Freundschaft. Sie kommen zwar nicht von der Ostküste, aber sie starten gerade ziemlich durch. Sie werden uns auf einem Teil unserer US-Tour mit Voivod begleiten. Black Fast sind sehr progressiv, für Fans von Bands wie Cynic oder die späten Sachen von Death. So in die Richtung.

WS: Ihr seid ja eigentlich selber noch eine Art Geheimtipp in der internationalen Metalszene. Warum sollte sich irgendein Metal-Fan eure Musik überhaupt anhören? Kannst jetzt hier schamlos Werbung machen!

DD: Wenn du mich so fragst, dann mächte ich das Thrash-Etikett ausklammern. Weil unserer Musik so viele unterschiedliche Elemente hat, es ist nicht einfach nur Thrash. Es gibt ein bisschen Black Metal, dann gibt es sehr atmosphärische Abschnitte, die an Pink Floyd erinnern. Sie ist auch sehr dynanmisch, so dass viele Prog-Fans uns auch mögen, wegen der Taktwechsel und unserem technischen Niveau. Die Thrash-Kids mögen unsere Thrash-Riffs, die Black-Metal-Kids mögen uns wegen der Blastbeats und dem Gesang.

WS: Lass uns über eure kommendes Album „Terminal Redux“ reden. Unterscheidet es sich denn sehr von seinem Vorgänger? Was ist dir wichtig zu erwähnen?

DD: Ein bisschen anders klingt es schon. Wir sind eine Band, die sich ständig entwickelt und den Sound nach vorne bringen will. Ganz ohne Abweichungen, das habe ich früher schon echt Scheisse gefunden bei den Bands, die ich gehört habe. Wenn sie aber etwas total anderes machen, dann kann ich das auch nicht leiden. Ich mag es, wenn es sich natürlich weiterentwickelt. Manche Bands kommen heute wieder da an, wo sie früher angefangen haben. Nimm zum Beispiel das neue Voivod Album. Das erinnert sehr stark an ihre frühen Sachen. Aber zurück zu unserer Musik: „Terminal Redux“ hat alles, was ein Vektor-Album ausmacht. Viele heavy Thrash-Riffs, aber auch schöne ruhige Abschnitte. Ich finde, es klingt wieder etwas mehr wie „Black Future“ (Debüt-Album von 2009), vom Gefühl her. Ich hab aber auch ein paar neue Sachen ausprobiert. Auf den zwei letzten Stücken habe ich viel Klargesang reingebracht. Und wir haben zwei Soul-Sängerinnen aus Phildalphia mit verrücktem, mächtig souligem Gesang bei einigen Songs. Als ich sie gehört habe, bekam ich Tränen in den Augen.

WS: Soul-Sängerinnen auf einem Metal-Album? Wie bist du denn da drauf gekommen? Wolltest du dich einer besonderen Herausforderung stellen oder kanntest du die Damen?

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DD: Wenn ich Musik schreibe, fange ich mit der Gitarre an. Ich schreib zuerst alles für die Gitarre. Wenn ich es spiele und mir dann anhöre, kommen mir neue Ideen. Der erste Song auf dem Album hat dieses eine Riff, das wechselt von Moll zu Dur – hin und her, ähnlich wie bei den Taktarten. Es klingt richtig grandios. Dann habe ich angefangen, eine Melodie dazu zu schreiben und mir vorgestellt, wie es klingt, wenn die Jungs es singen. In diesem Stadium ging mir der Gedanke durch den Kopf: Ich brauche dafür Soul-Sänger. Keine Ahnung wie, es ist einfach passiert. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass ich schon immer ein grosser Fan von Pink Floyd war.

WS: Viele Metal Bands schmeissen ja mit Monstern, Schädeln und Pentagrammen um sich. Du hast dir dagegen ein fiktives Universum ausgedacht, in dem die Geschichte handelt. Warum passen Metal und Science-Fiction so gut zusammen? Und warum Science-Fiction und nicht Fantasy?

DD: Die Antwort ist einfach: Weil wir alle Nerds sind (lacht). Nein, im Ernst. Ich denke, es passt einfach gut zu unserer sehr technischen Musik. Und Leute die technische Musik mögen, mögen meiner Erfahrung nach auch Wissenschaft und Philosophie. Gedankenzusammenhänge, die tiefer gehen. Das richtig brutale Zeug gefällt mir selten, ich mag herausfordernde Musik, die mich bewegt. Was nicht heisst, dass es nicht trotzdem Thrash-Metal sein kann, Slayer mag ich zum Beispiel sehr.

WS: Das ist also der Grund? Weil Science-Fiction viel besser zu deiner Musik passt als der ganze pathetische Fantasy-Kram?

DD: Genau. Fantasy und Einhörner passen viel besser zu Prog. Und die Drachen sind für Powermetal reserviert (lacht).

WS: Gibt es denn andere Bands mit einem Sci-Fi-Ansatz, die dich faszinieren?

DD: Voivod natürlich, die sind schon sehr lange einer meiner absoluten Favoriten. Algebra aus der Schweiz sind klasse und Aspid aus Russland. Das eine Album von ihnen, „Extravasation“ von 1992. Wow.

WS: Das erzählerische Thema von „Terminal Redux“ handelt vom Protagonisten, der mittels eines Putschs die Armee von Cygnus übernimmt. Letztlich erkennt er aber, dass Macht nur eine Illusion ist. Klingt ja sehr philosophisch und politisch. Wie kamst du gerade auf diesen Ausgang?

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DD: Macht ist eine Illusion. Im Endeffekt sind wir doch alle nur Menschen. Wir leben in einer Welt, einem Universum, das wir noch immer nur zu Bruchteilen verstehen. Diesen Grundgedanken kann man auf ganz unterschiedlichste Themenbereiche oder Lebensentwürfe ausweiten. Ich habe da sehr viel über mein eigenes Leben und meine Gedanken reflektiert. Über das, was ich im Leben erreichen wollte, wie mein Leben bisher verlaufen ist, meine Ziele und ob und wie ich sie erreicht habe. Was wäre, wenn ich alles hätte, was ich mir wünsche? Wäre ich dann glücklich? Es ist ein Art Kampf, weil wir immer davon abgehalten werden. Ich hab auch in die Texte recht viel bedeutungsvolles hineingelegt. Cygnus steht symbolisch für den Vogel, der den Fluss der Seelen kontrolliert und über den Sternen steht. Ich halte eigentlich nicht viel von solchen astrologischen Dingen, aber der Gedanke gefiel mir. Es gibt auch einen Stern mit dem Namen „Unsere Schande“, der explodiert. Es geht doch letztlich oft um Balance, und wenn man Menschen Macht über Leben und Tod gibt, was passiert dann? Darum geht es doch überall. In unseren Städten, in unseren Häusern und Beziehungen – wir versuchen Faktoren zu kontrollieren, die eigentlich gar nicht kontrolliert werden sollten.

WS: In Science-Fiction geht es ja unter andem auch um Technik und du hast ja vorhin selber eingeräumt, ein Nerd zu sein. Wie sieht das bei dir aus, wenn es um technische Spielereien geht? Macht dir das auch Spass oder ist Technik für dich in erster Linie das Mittel zum Zweck?

DD: Auf der Bühne hab ich’s gerne einfach. Ich hab immer noch nur ein Kabel von meiner Gitarre zum Verstärker. Irgendwelche tollen Effekte benutze ich auch nicht. Interessantes und Neues kommt aus meinem Kopf und nicht durch technische Spielereien. Dafür brauch ich nicht viel, die Technik die ich benutze, existiert schon seit den Siebzigern. Gitarre. Verzerrung an oder aus. Das war’s.

WS: Wir haben ja vorhin auch über philosophische Fragen, Sinnfragen gesprochen. Es gibt ja auch christliche Metal-Bands. Kennst du denn welche und was hältst du davon?

DD: Es gab da diese eine bestimmte Band. Believer. Die waren absoluter Wahnsinn. Ich mag ihre Musik wirklich sehr. Aber für mich sind die Texte ein solch wichtiger Teil der Musik, dass ich die nicht einfach ausblenden kann. Und wenn die Texte zu simpel oder kitschig sind, dann bringt mich das eher zum Lachen. Das erinnert mich immer an South Park (Imitiert einen pathetischen-überzogenen Song aus der Serie). Meiner Meinung nach leben wir doch in einer gebildeten Gesellschaft, da sollte man sowas nicht machen. Ich mag Wissenschaft und Vernunft. Meiner Meinung nach hat das Christentum oder auch alle anderen Religionen in einer aufgeklären Gesellschaft heutzutage nichts zu suchen. Da ist mir dann egal, ob es was mit Metal zu tun hat oder nicht. Ich verstehe natürlich, was es für manche Menschen für eine Bedeutung hat. Ich komme aus Philadelphia, dort gibt es viele Arme und Ungebildete Menschen, weil das Schulsystem Schrott ist. Kein Wunder, dass die Leute nicht selbstständig denken lernen. Ich versteh es also, aber es nervt mich trotzdem.

WS: Euer Bandname Vektor hat ja eine mathematische Bedeutung und beinhaltet eine Position und eine Richtung, stimmt’s?

DD: Ja und Nein. Er bezieht sich auf dei biologische Definition, wo er die Bedeutung „Krankheitsüberträger“ bedeutet. Das sind wir mit unserer Musik auch.

WS: Hmmmm. Klingt passender für eine Metalband, allerdings passt das nicht zu meiner letzten Frage (beide lachen). Die lautet nämlich: An was für einem Punkt steht Vektor aktuell und in welchem Richtung bewegt ihr Euch?

DD: Na hoffentlich immer schön aufwärts. Wir werden uns einfach selber treu bleiben und sehen, wohin uns die Reise trägt. Wenn uns das nicht mehr glücklich macht, dann denken wir uns was anderes aus.

WS: Das erinnert mich an eure Begeisterten Kommentare auf Facebook im Ausblick auf die jetzige Tour. Das klangt so begeistert und echt. Das fand ich sehr sympathisch. Viel Spass und Erfolg beim Rest der Tour und nochmals „Danke“ für deine Zeit!

Alle Fotos mit freundlicher Unterstützung von Carin Vinzens von Bodypics.ch.

„Terminal Redux“ erscheint am 6. Mai beim Label Earache und kann hier vorbestellt werden.

This Interview is also available in an english Version. Click here.

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