
Die badischen Burning Nations aus Freiburger hatten die Aufgabe, das Festival im Schwabenland zu eröffnen, nicht ganz einfach am Freitag nachmittag um 18 Uhr, wenn die meisten Metalheads gerade von der Arbeit zu Hause angekommen sind. Mit ihrem soliden, melodischen Metalcore taten die vier Jungs aber ihr Bestes und agierten locker, wenn auch etwas zurückhaltend. Das noch eher spärliche Publikum im Zentral in Stuttgart-Mitte war noch nicht so richtig angekommen – aber es ist ja auch der Job einer „Anheizer-Band“, genau dafür zu sorgen.
Bereits die zweite Band des Abends sorgte aber schon für die erste Überraschung: Undawn aus den Niederlanden, vom größten holländischen Metal-Magazin „Aardschock“ als „das Beste, was derzeit an Metalcore aus Holland kommt“ bezeichnet, lieferten gleich richtig! Astreinen, melodischen Metalcore und eine Attitüde, die sympathisch, souverän und professionell zugleich war. Vor allem sind die Songs der vier Jungs (drei davon sind Brüder) aber eines: RICHTIG gut! Da ist alles dabei, was die Herzen von Genre-Fans (August Burns Red, As I Lay Dying) höher schlagen lässt. Growls, mehrstimmige Screams, stimmungsvoller Klargesang, Riffs, Riffs, Riffs, Soli und eine super-druckvolle Rhythmus-Sektion. Was für eine Qualität bereits bei der zweiten Band, wow!
Die folgenden The Buried sind in der Szene keine Unbekannten, die Death’n’Roller um die Brüder Claudio (Bass) und Gustavo Enzler (Gesang) sind oder waren gemeinsam mit Leadgitarrist Wolfgang Nillies auch auch bei Sacrificum, Thy Bleeding Skies und My Darkest Hate aktiv. Der finnische Drummer Janne Kontoniemi ist bei Deuteronomium für den richtigen Rhythmus verantwortlich. Aktiv heißt in diesem Kontext: Vollgas-Todesmetall im Stil der großen Vorbilder der 90er Jahre wie Entombed, viel Rhythmus, viel Schweiß, viel Spaß. Man merkt der Band jede Minute an, daß sie sowohl einen Heidenspaß (haha, Ironie!) am Spielen hat und daß die Chemie in der Band stimmt. So wurde vor der Bühne richtig gefeiert und der Auftritt war viel zu schnell vorbei.
Schlag auf Schlag waren die ersten Stunden in der gemütlichen Atmosphäre des kleinen Clubs vergangen, in den Umbaupausen konnte man sich im kleinen Foyer vor der Bühne oder im weiter vorne gelegenen Cafeteria-Bereich ein kühles Bierchen schnappen und über die gelungene Stimmung fachsimpeln. Im Eingangsbereich konnte in Genre-CDs gestöbert oder Festival- und Bandmerchandise erworben oder im Innenhof gequalmt und geplaudert werden. Nicht allzu lange, denn mit Death Therapy aus den USA stand bereits der Co-Headliner des Freitags in den Startlöchern.
„Hey Leute, ich bin Jason und komme aus Atlanta. Ich hab mal in einer Band namens Becoming the Archetype Bass gespielt und gesungen. Heute mache ich aber was anderes. Welcher Bassist träumt schließlich nicht davon, eine Band ganz ohne Gitarristen zu gründen? Die Erlöse aus dem Verkauf meiner CD’s und Bandmerchandise fließen übrigens direkt an arme, hungrige Kinder. An Meine!“
, begrüßte Death-Therapy-Bandleader-Bassist-Sänger-Komponist-und-Scherzkeks-in-Personalunion Jason Wisdom das gespannte Festivalpublikum.
Gespannt durfte man zu Recht sein, denn neben Wisdom war auf der Bühne „nur noch“ ein Schlagzeug und ein bißchen Technik zu sehen, im Festivalprogramm waren Death Therapy als „Avantgarde“ angekündigt. Was der bärtige Rothaarige und sein Drummer unter dieser Beschreibung aber ablieferten, sorgte für offene Mäuler, Headbangen und Tanzbewegungen gleichermaßen. Der mega-groovige Industrial-Metal sprach sowohl Nacken- als auch Beinmuskulatur an. Doch auch für die Ohren gab’s Premium-Behandlung. Growls und ruhiger Gesang, melodische Samples und eine mitreißend-authentische Performance machten aus dem begeisterten Publikum frisch bekehrte Death-Therapy-Jünger.
Als Highlight war es dem Festival-Team gelungen, niemand geringeren als die christliche Death-Thrash-Legende Living Sacrifice für ihr allererstes Konzert in Deutschland überhaupt zu gewinnen. Die Band besteht wohlgemerkt seit 1989 und war bis 2003 eine Vollzeit-Band auf Tour. Nach einer fünfjährigen Auszeit ist die Band seit 2008 wieder aktiv, hat zwei derbe, moderne Metal-Alben veröffentlicht und spielt nun überall dort, wo sie eingeladen werde, erzählte Sänger und Gitarrist Bruce Fitzhugh im Whiskey-Soda-Interview.
Zunächst ging es allerdings los mit den „unschwarzen“ Metallern von Mournful Winter. Vielleicht lag es am undankbaren Opener-Slot, vielleicht daran, daß die Band in dieser Besetzung noch nicht lange zusammen spielt oder auch einfach daran, daß zumindest der Autor dieser Zeilen mit klassischem Black-Metal im Stil von Burzum oder Darkthrone reichlich wenig anfangen kann. Jedenfalls verging der kurze Auftritt unspektakulär, wurde jedoch von allen Anwesendem mit höflichem Applaus belohnt. Ashes Emblaze aus dem schwäbischen Balingen (ja, da gibt’s jedes Jahr ein kleines, unbedeutendes Festival namens Bang Your Head) konnten da mit ihrem thrashig-melodiösen Schwermetall schon deutlich mehr Bewegung ins Publikum transferieren. Die junge Combo, die gerade ihr zweites Album veröffentlicht hat, hat als Markenzeichen männlich-weiblichen „Doppelgesang“ und den einen oder anderen progressiven Einfluß am Start und kam sympathisch und locker rüber.
Die Innentemperatur des kleinen Saals war damit ordentlich vorgewärmt für die Death-Metaller African Corpse. Wobei der Bandname keine Anspielung auf überhitzte Konzertlocations, sondern auf den Hunger in Afrika ist, der 2017 nach wie vor Bestand hat und auf den die Band mit ihrem knallharten Death-Thrash lautstark-angepisst hinweisen will. Frontmann Christopher Aldinger ließ es sich aber trotz der ernsten, politischen Message ganz im Stil klassischer Thrash-Bands mit seiner Combo nicht nehmen, DENNOCH für afrikanische Hitze und jede Menge Spaß zu sorgen! Das Publikum ging voll mit und dankte mit hemmungslosem Headbangen, Johlen und Klatschen.
Die Mannen um Ole Borud (ex-Extol) hatten erst wenige Wochen vor dem Festival ihr Debütalbum „Awaken“ vorgelegt, der Auftritt der neuen Band war erst der dritte Live-Auftritt der noch jungen Bandgeschichte. Die drei Norweger und US-Sänger und Gitarrist Elisha Mullins waren hochkonzentriert beim penibel genauen Soundcheck, da wurde am jeden Regler geschraubt, mit dem Mann am Mischpult Details ausgetauscht und nochmal nachjustiert. Dem einen oder anderen hoch gespannten Zuschauer wurde die Zeit lang, doch schließlich gab Borud den Startschuß. Nicht mit Riffs und Headbanging, sondern einer kurzen Erklärung, daß sie eben eine anspruchsvolle Band seien und einfach alles perfekt sein müsste. Dem Live-Sound merkte man dieses vergleichsweise penible justieren allerdings während dem Konzert auch zu 110% an! (Apropos Prozente: Welche Band kann schon von sich sagen, 90% des gesamten Songmaterials bei einem Auftritt gespielt zu haben?) Von den zehn Songs von „Awaken“ spielten die vier Jungs neun, lediglich ‚Secret Chamber‘ war beim Zusammenstellen der Setliste durchs Raster gefallen – warum auch immer.
So ging mit einer exzellenten Vorstellung einer aufregenden Band ein sehr gemütliches, sonniges Underground-Herbst-Festival in der Baden-Würrttembergischen Landeshauptstadt zu Ende. Die Stimmung war außergewöhnlich entspannt, die Bandauswahl absolut gelungen und das Festival aus diesem Blickwinkel ein absoluter Erfolg. Leider waren die Besucherzahlen gemessen am Aufwand zu bescheiden, was bei jedem, der die zwei Tage genossen hatte, eine kleine Sorgenfalte auf die Stirn setzen dürfte. Wie so häufig lebt der nicht-kommerzielle Untergrund am meisten vom unermüdlichen Einsatz zahlreicher ehrenamtlicher Helfer, auf die wir an dieser Stelle ausdrücklich und mit explizitem Dank hinweisen möchten. Und wir möchten einen abschließenden Apell aus purer Liebe zu unsere gemeinsamen Leidenschaft „Heavy Metal“ an euch richten: Lasst nicht zu, daß die Kleinen untergehen und die Großen immer größer werden. Besucht kleine Untergrund-Veranstaltungen ganz bewußt, bringt euch ein (und sei es nur durch den Kauf eines Aufklebers) und eure Kumpels mit und seid so aktiver Teil der Szene. Dann werden auch in Zukunft Festivals wie das Blast of Eternity stattfinden, denen man ihr Herzblut zu jeder Sekunde anmerkt.
Text: Daniel Frick
Fotos: Christian Appl
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