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Thin Walls

Seit 2010 sind Balthazar nun schon Belgiens Vorzeige-Band. Im stillen Kämmerlein schreiben sie ihre Songs in der Heimat, produzieren alles selbst und geben sich seit Anfang ihrer Karriere als Geheimtipp mit kleinen Festivalbühnen zufrieden. Dabei weiß man doch spätestens seit ‚Rats‘, dass sie jedem Indie-Kollegen locker die Stirn bieten können. Schluss mit lustig! Auch Balthazar scheinen eine Eingebung gehabt zu haben:

‚But guess we’ve been rats just long enough‘

. Eben weil es doch langsam mal an der Zeit ist, den ewigen Geheimtipp auf die Mainstage zu befördern und ein bisschen weiter zu gehen.

‚Thin Walls‘ könnte so ein Schritt in diese Richtung sein. Mit Album Nummer drei entspannen sie sich vom selbstauferlegten Druck im Kopf und greifen zu zwei altbewährten Hausmittelchen, die ihnen sonst so sträubten. Sie lassen die Zügel mal los. Zum Produktionsprozess verschlug es sie das erste Mal in die englischen Yellow Fish Studios. Dem Do-it-yourself-Wahn wich die Produktionshilfe von Ben Hillier (Blur, Depeche Mode, Elbow) und Jason Cox (Massive Attack, Gorillaz). Sie trotzen der Perfektion. Wer hat nach zwei Jahren on the road auch wirklich die Zeit für mehr als ein paar schmissige alkoholdurchtränkte Hits? Selbst aus den feinsten Kerlen macht der Touralltag gelegentlich eine kopflose Truppe, die auf ihren Songs gerne mal mit staubigen Akkorden dazwischenfunkt und Gedanken lieber woanders als beim Songwriting lässt. Und doch muss man Streicher, Harmoniegesänge und scharfsinnige Rhythmen – zum Glück! – nicht missen. So ganz hätten wir Balthazar den kompletten Imagewandel dann doch nicht abgekauft.

Balthazar klingen auf ‚Thin Walls‘ also zu großen Teilen wie die Fortsetzung ihres liebreizenden Gespenstermärchens nur packen sie eine Prise Rock’n’Roll obendrauf. Ihr Sound bleibt unverkennbar. Schon wenn im Opener ‚Decency‘ oder im feinen ‚So Easy‘ Patricia Vannestes Streichinstrument schaurig-schön zwischen den Refrain quietscht und der gemeinsame Gesang des Quintetts erklingt, verortet man sich schnell in bekannten Gefilden. Dazwischen schleichen sich verzerrte Gitarren, klassisch verrucht und mit einer gehörigen Portion Dreck. Jinte Deprez und Maarten Devoldere lallen ihren Text auf bluesiges Liedgerüst (‚Nightclub‘, ‚I Looked For You‘) und katapultieren den Höhrer zurück in die 60er. Auch auf ‚Wait any longer‘ sieht man sie förmlich Arm in Arm im Tourbus mit dem Whiskey anstoßen und ihren Herzschmerz begießen:

‚Where have all the women gone this time / I need to find the right direction or a sign‘

. Scheint als hätten sie beim kurzen Genre-Intermezzo den perfekten Kanal für ihre Kurzgeschichten über gescheiterte und betörende Liebe gefunden. Aber auch hier sind sie sich sicher:

‚We will get over her‘

.

Der dritte Streich unserer liebsten Nachbarlandsband ist durchaus wieder eine Punktlandung. ‚Thin Walls‘ klingt nicht unbedingt so aufregend und tiefgründig wie ‚Rats‘ und hat nicht den gleichen Überraschungseffekt wie ‚Applause‘. Dennoch kann man sich über den Sinneswandel der wohlerzogenen Kombo hin zu bis dato verborgen gebliebener Leichtigkeit freuen – und mit Sicherheit über eine Handvoll neuer Festivalkracher. Für die Mainstage.

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