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Tokyo Dome In Concert

Es ist laut! Es rockt! Und es kommt mindestens 31 Jahre zu spät. Warum 31? Weil Van Halen mit dem Album „1984“ in genau dem Jahr ihren kommerziellen Höhepunkt erreicht hatte und ein Live-Album hätte veröffentlichen müssen! Es wäre auch die vorerst letzte Chance mit Frontmann David Lee Roth gewesen. 1985 stieg „Diamond Dave“ bekanntlich aus. Und erst jetzt, drei Jahrzehnte später und schon wieder neun Jahre nach der Reunion gibt es endlich die erste offizielle Live-Aufnahme mit Roth, ein Doppel-Album.

Die wichtigste Frage: Hat sich das Warten gelohnt? Das lässt sich nach einer so langen Zeit nur schwer sagen. Klar ist aber: Eddie Van Halen ist und bleibt einer der großartigsten Gitarristen, die es jemals gegeben hat. Allein der Einstieg mit dem krachenden „Unchained“ muss jeden echten Hardrock-Fan elektrifizieren. „Running With The Devil“ stampft wie eh und je. Auch neues Material wie „She’s The Woman“ überzeugt. Zumindest instrumental.

Der Gesang ist ein Thema für sich. David Lee Roth ist nach wie vor die alte Rampensau und ein exzellenter Entertainer. Doch seine Stimme hat mit dem Alter ein bisschen nachgelassen, zumindest in Tokyo. Zwar werden einige unterstellen, dass Roth ohnehin nie singen konnte, aber das stimmt nicht. Mit seiner Mischung aus Gesang und Geschrei war er der kongeniale Klangpartner für Eddie und seine Gitarre. Inzwischen wirkt Dave manchmal etwas bemüht. Hart gesagt: Rivale Sammy Hagar klingt kräftiger.

Hagar veröffentlicht übrigens rein zufällig im Mai ein Live-Album mit seiner Band The Circle, in der Ex-Van Halen-Bassist Michael Anthony spielt. Und dieser „Mad Mike“ fehlt bei „Tokyo Dome In Concert“. Nicht etwa, weil sein Nachfolger Wolfgang Van Halen, Eddies Sohn, nicht hervorragend Bass spielen würde. Nein, es ist Anthonys Stimme, die vermisst wird. Schließlich ist er einer der markantesten Background-Sänger der Rockgeschichte. Diese Lücke ist deutlich hörbar.

Noch mehr stört aber die Abmischung des Albums mit etwas zu viel Hall. Zwar betrifft das in gewisser Weise auch Gitarre, Bass und Schlagzeug. Aber vor allem Dave wirkt ein wenig zu weit weg. Gefühlt steht man als Hörer eher auf dem Oberrang als vorn vor der Bühne. Das trübt die musikalisch makellose Klanggewalt leicht, denn es gibt Van Halen-Bootlegs, die genauso gut klingen.

Hingegen lässt die Setlist für Fans der Roth-Ära kaum Wünsche offen – mit der frühen Extase von „Ice Cream Man“ oder „Somebody Get Me A Doctor“, mit den Videohits der MTV-Zeit „Panama“ oder „Hot For Teacher“, mit Fan-Favoriten wie „Romeo Delight“ oder „And The Cradle Will Rock …“ und mit neuen Songs. Es ist alles da. Und wenn die Band mit Eddies Megasolo „Eruption“ ins Finale startet und schließlich „Ain’t Talkin‘ ‚Bout Love“ und „Jump“ raushaut, dann steht fest: Van Halen sind live immer noch unschlagbar.

Ihre Fans sind inzwischen leidensfähig und lange Phasen der Unsicherheit und Unklarheit gewohnt. „Tokyo Dome In Concert“ kam praktisch aus dem Nichts, nachdem man mal wieder lange nichts gehört hat. Insofern wird jeder Van Halen-Fan dafür dankbar sein. Und bei aller Kritik lässt sich auch nicht leugnen, dass das Doppel-Album ein großes Vergnügen ist. Wie gesagt: Es ist laut! Es rockt! Es kommt nur mindestens 31 Jahre zu spät.

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