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The Vintage Caravan – ‚Es gibt keinen Plan B!‘


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sland, das Land der Geysire und Vulkane, Heimat von Bands wie Sigur Ros, Solstafir und natürlich Björk: Gerade einmal zwölf Jahre alt waren die beiden Jungs Óskar Logi Ágústsson(Gesang und Gitarre) und Guðjón Reynisson(Schlagzeug), als sie 2006 eine Band gründeten. Nach einigen Jahren kam das Projekt Anfang 2012 so richtig ins Rollen, nachdem Bassist Alexander Örn Númason mit eingestiegen und das selbstbetitelte Debütalbum veröffentlicht worden war. Im gleiche Jahr spielte die junge Band den Nachfolger „Voyage“ ein. Nach dem Vertrag mit Nuclear Blast im letzten Jahr folgte der Durchbruch in Europa mit Auftritten beim Roadburn Festival und auf dem Wacken Open Air. Eine ausgedehnte Tour zusammen mit den Blues Pills schloss sich an. Wir wollten von Óskar Ágústsson wissen, ob der Titel des
neuen Albums „Arrival“
denn nun Programm sei und die „Voyage“ des Vorgängers damit abgeschlossen sei.

„Nein nein, die Reise hat gerade erst begonnen“

, erklärt uns der Musiker.

„Wir fanden die Idee mit ‚Voyage‘ und dann ‚Arrival‘ aber irgendwie lustig. Es ist, als ob wir nach der Reise auf einem psychedelischen Planeten gelandet wären. Aber das soll nicht heißen, dass etwas vorbei wäre. Wir bewegen uns weiter. Wir sind mit dem neuen Album sehr zufrieden, und für uns bedeutet der Albumtitel auch, dass wir auf einem neuen Level angekommen sind, weil die Platte progressiver und auch komplexer als ‚Voyage‘ geworden ist.“

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Wenn die Band diese Namensgebung ihrer Alben fortsetzt, wird die nächste Scheibe dann vielleicht „Departure“ heißen?

„Das könnte sein“

, lacht Ágústsson. „Ich weiß nicht, wie lange wir damit weiter machen, das wird man dann sehen.“ Die Reise wird The Vintage Caravan auf jeden Fall weiter führen, so dass wir jetzt schon auf den nächsten Albumtitel gespannt sein dürfen. Aber zunächst einmal beginnt jede Reise bekanntlich mit dem ersten Schritt. Daher ließen wir uns berichten, wie es mit The Vintage Caravan angefangen hat:

„Es heißt immer, dass ich zwölf gewesen sei, als ich die Band gegründet habe. Eigentlich war ich sogar erst elf. Mein Interesse für Musik hat noch früher angefangen, da war ich ungefähr neun. Ich habe schon immer Old-School-Rock gemocht, weißt Du? Mit dreizehn oder vierzehn haben wir in allen möglichen Bars und Pubs in Island gespielt, und unsere Eltern mussten ja immer mitkommen. Es ist meine erste und einzige Band. Nachdem wir den Vertrag mit Nuclear Blast abgeschlossen hatten, waren wir so fleißig wie nur irgendwie möglich. Wir haben so viel gespielt, wie wir konnten. Es gibt für mich im Leben keinen Plan B. Musiker zu sein und live zu spielen ist für mich genau das, was ich machen möchte in meinem Leben, es gibt keine Alternative!“

Der Isländer hat sich schon als Kind für Musik interessiert. Auslöser war damals erstaunlicherweise keine Platte oder CD, sondern ein Film.

„Ich habe damals den Film ‚Detroit Rock City‘ gesehen, und dann bin ich los und habe mir meine erste eigene Platte gekauft – natürlich von Kiss! Das war dann der Anfang vom Ende!“

Ágústsson lacht. Der Film macht aber auch wirklich Lust auf Rock’n’Roll mit seiner witzigen Coming-Of-Age-Story über vier Teenager auf dem Weg zu einem Kiss-Konzert. Außerdem war Cameron Crowes hervorragender autobiographischer Film ‚Almost Famous‘ prägend für den jungen Musiker.

„Dazu kommt natürlich, dass mein Vater immer viel Musik auf Vinyl gehört hat. Eric Clapton, Mike Oldfield und solche Sachen. Ich habe dann irgendwann eine Gitarre gegriffen, die hier im Abstellraum stand und angefangen, auf ihr Musik zu machen. Mein Elternhaus war schon immer sehr musikalisch.“

Daher waren Ágústssons Eltern auch überhaupt nicht geschockt, als ihr Sohn ein Rockstar werden wollte.

„Nein, sie haben mich immer absolut unterstützt“

, erinnert sich der Gitarrist und Sänger.

„Sie haben uns zu den Gigs gefahren und begleitet, als wir noch minderjährig waren. Auch danach kamen sie zu jeder einzelnen Show, die wir in Island gespielt haben. Mein Dad war eine Zeitlang mein Roadie! Manchen Leuten wäre es vielleicht peinlich, wenn ihre Eltern immer mit dabei sind, aber ich finde, dass so etwas nicht peinlich sein sollte. Sie haben uns als Band wirklich sehr unterstützt, und ich bin sehr dankbar dafür.“

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Wie schwierig war es denn für eine junge Band, in Island Fuß zu fassen? Ágústsson erklärt uns, dass es zunächst schon schwierig war, überhaupt Locations für Konzerte zu finden.

„Zwischen 2007 und 2012 war es für uns nicht einfach. Wir waren jung, wir waren eine Rockband, und wir lebten in Island, das ist eine schlechte Mischung hier oben. Aktuell hat sich das zum Glück gebessert mit der gesamten Musikszene in Island. Letztes Jahr gab es drei oder vier Metalbands, die bei uns Platz eins der Charts erreichen konnten. Die Musikszene in Island war wirklich klein. Sie war sogar so klein, dass man als Musiker hier einfach kein Geld verdienen konnte. Das Gute daran war aber, dass isländische Bands im Prinzip alle das gemacht haben, was sie wirklich wollten. Sie haben keine Rücksicht auf den Mainstream nehmen müssen, weil sie in ihrer Heimat ohnehin kaum Geld mit ihrer Musik verdienen konnten. Sie haben daher im Prinzip nur für sich selbst gespielt. Darum haben isländische Musiker wie Björk oder auch Sigur Ros oder Solstafir alle ihren ganz eigenen speziellen Sound entwickelt.“

Wir wollten wissen, wie das Songwriting für „Arrival“ abgelaufen ist. Der Gitarrist und Sänger erklärt, dass er die ersten beiden Alben der Band komplett alleine geschrieben hat. Er arbeitet gern für sich zu Hause an den Songs, entwickelt das Material auf der Gitarre und jammt dann mit dem Rest der Band im Probenraum. Für „Arrival“ wurde er beim Songwriting von Alexander Örn Númason (Bass) unterstützt.

„Wir haben uns diesmal die Ideen gegenseitig zugeworfen und uns gegenseitig inspiriert. Der Rest ist dann beim gemeinsamen Jammen entstanden.“

In der Regel entsteht die Musik bei The Vintage Caravan zuerst, die Texte folgen dann später.

„Alexander hat viele Texte für uns geschrieben. Er steht auf Science Fiction und hatte viele gute Ideen!“

Der Bandname The Vintage Caravan war übrigens Gegenstand langer Diskussionen, als es um die Namensfindung der Gruppe ging. Zunächst war als Name nur „The Vintage“ festgelegt, und die ersten zwei oder drei Jahre traten die Musiker sogar in ihrer Heimat unter diesem Namen auf.

„Aber es ist nun einmal so: Wenn du ‚The Vintage‘ googlest, ist das letzte, was man da findet, eine Rockband aus Island. Daher wollten wir unseren Namen noch irgendwie ergänzen. Meine Idee war eben ‚Caravan‘, was den anderen in der Band gar nicht so gefallen hat. Ihnen schwebte mehr so etwas wie ‚The Vintage Era‘ vor, was ziemlich albern klingt. Das war das einzige Mal, dass wir in der Band eine wirkliche Auseinandersetzung hatten. Schließlich haben wir die Vorschläge auf Zettel geschrieben und ausgelost. Ich hatte Glück mit meinem!“

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So schwer, wie es für die Band war, sich auf einen Namen zu einigen, so schwierig ist es für die Fans (und Kritiker), die Musik einem bestimmten Genre zuzuordnen. The Vintage Caravan klingen wie eine bluesig-psychedelische Mischung aus Cream, Black Sabbath, King Crimson, Led Zeppelin und vielen anderen. Und auch Óskar Ágústsson möchte die Musik in keine spezifizierte Schublade stecken:

„Ich denke beim Songwriting nicht in Genres. Man wird natürlich immer inspiriert von Bands, die man gerne hört. Wir haben definitiv einige Prog-Rock-Einflüsse, aber auch von Metalbands wie Pantera oder Mastodon. Wir haben zudem auch Bluesrock-Elemente in unserem Sound, Stadionrock…es sind eine Menge verschiedener Stile. Ich würde uns als ‚Prog-Blues-Psych-Rockband‘ bezeichnen. Wir wollten auf jeden Fall das Feeling der 70er Jahre haben in unserem Sound, aber auch die Aggressivität und den Punch der 80er.“

Das ist den Isländern auf jeden Fall auch gelungen. Nach den Aufnahmen zu „Arrival“ gab es einen Wechsel im Line-Up. Schlagzeuger und Mitbegründer Guðjón Reynisson verließ die Band und wurde durch Stefán Ari ersetzt. Wie ist es dazu gekommen? Óskar Logi Ágústsson berichtet, dass sein alter Freund Guðjón nach dem vielen Touren und den Aufnahmen für das Album das Interesse an der Musik verloren hat.

„Das ganze Touren und unser Lifestyle war zuviel für ihn. Es war ihm schon lange zuviel geworden, aber er hatte es uns nie verraten. So etwas kann passieren. Wir wollten nur, dass er wirklich glücklich ist mit dem, was er tut. Er hat jetzt ein Studium begonnen. Stefán ist ein ganz phantastischer Drummer, wir sind sehr froh, dass er jetzt bei uns mit an Bord ist. Er hatte im Prinzip nur zwei Monate Zeit, die Songs zu lernen und ein Teil unserer Band zu werden. Das hat hervorragend funktioniert.“

Und so werden The Vintage Caravan dann mit dem neuen Drummer auf Tour kommen.

„Wir freuen uns immer, wenn wir live spielen können. Das ist es, was wir am meisten mögen. Und so etwas wie Nervosität vor unseren Auftritten ist uns tatsächlich fremd. Und ich denke, wenn die Leute uns live spielen sehen, merken sie auch, dass wir viel Spaß dabei haben. Für uns ist das ein wahr gewordener Traum, und es fühlt sich manchmal immer nur surreal an. Wir werden dieses Jahr wieder nach Dänemark kommen und dort unser Lager aufschlagen, weil wir von dort näher an Europa dran sind und besser touren können. Es wird 2015 definitiv wieder viele Liveshows überall in Europa mit uns geben, natürlich auch in Deutschland. Deutschland gefällt uns sehr gut, und die Leute hier sind echt gut drauf. Außerdem ist das Catering in Deutschland wirklich toll!“

Neben seiner Band ist Óskar Logi Ágústsson bei filmisch interessierten Musikfans auch durch seinen Auftritt im hervorragenden isländischen Filmdrama „Metalhead“ in Erinnerung geblieben. Der Film dreht sich um die junge rebellische Teenagerin Hera, die in Island auf einer Farm lebt. Ihr älterer Bruder verstirbt vor den Augen des Mädchens bei einem tragischen Unfall. Die schwer traumatisierte Hera übernimmt daraufhin die Persona ihres Bruders, hört und spielt seine Musik (eben klassischen Metal) und verleiht ihrer Trauer mit eigener Musik Ausdruck. Das sehenswerte Coming-Of-Age-Drama, bei dem allerdings weniger der Metal als die starken Charaktere und einfühlsames Storytelling im Vordergrund stehen, ist durch die Bank weg perfekt besetzt. Die kleine aber für den Film immens wichtige Rolle des verunglückten Bruders, der nur am Anfang und später in kurzen Visionen Heras zu sehen ist, wird von Óskar Logi Ágústsson gespielt. Der Filmregisseur Ragnar Bragason hatte The Vintage Caravan zuvor bei einer Show live gesehen und den jungen Musiker als perfekt für die Filmrolle erachtet.

„Er lud mich ein zu einem Casting. Ich war ziemlich überrascht, weil ich ja noch nie zuvor geschauspielert hatte. Er sagte zu mir ‚Du hast einen Führerschein, du kannst Gitarre spielen, und du hast lange Haare, damit hast du die Rolle!‘ Ja, so einfach war das. Es war ja nur eine kleine Rolle, ich sollte einfach nur cool aussehen.“

Der Musiker erklärt, dass viele Leute über den Film auf die Band aufmerksam wurden, obwohl The Vintage Caravan keinen Song zum Soundtrack beigesteuert haben. Eine größere Rolle hätte Ágústsson auch gar nicht haben wollen, wie er uns erklärt.

„Im Grunde spiele ich lieber Musik.“

Aber wie sieht er seine Rolle im Film? Der Charakter ist für die Handlung von immenser Wichtigkeit und wird nach seinem Tod zu einer großen Inspiration für die Hauptfigur des Dramas. Kann sich Ágústsson vorstellen, durch seine Musik und seine Band ebenfalls zu einem Vorbild für seine Fans zu werden?

„Ich weiß nicht, aber wenn ich mit meiner Musik junge Leute inspirieren kann, sich für Musik zu interessieren oder sogar selbst ein Instrument zu erlernen, dann ist das eine tolle Sache. Ich habe mich nie als Vorbild für jemanden gesehen, aber ich denke, es wäre ok. Ich nehme ja keine Drogen und bin ein anständiger Bursche, von daher könnte ich durchaus ein Vorbild sein.“

Er lacht.

„Ich arbeite hin und wieder in Island in einem Kindergarten. Sechs oder sieben Kinder haben dort wegen mir angefangen, die Gitarren zu lernen. Das ist schon eine tolle Sache.“

Zum Schluss möchten wir noch wissen, ob der junge Musiker noch etwas an seine deutschen Fans und die Leser von Whiskey-Soda loswerden möchte.

„Ich möchte mich einfach bei allen bedanken, die bei unseren Konzerten waren, Ihr habt uns alle so viel unterstützt, das wissen wir wirklich sehr zu schätzen. Lots of love and kisses from The Vintage Caravan to Germany!“

Wir danken Óskar Logi Ágústsson für das nette Gespräch und freuen uns jetzt schon darauf, The Vintage Caravan bald wieder live auf Tour erleben zu dürfen. Bis es soweit ist, verkürzt uns „Arrival“ die Wartezeit mit groovigem Vintage-Rock. Ach nein, bei den Isländern heißt es ja Prog-Blues-Psych.

Interview und Übersetzung: Michael Buch
Fotos: „Nicholas and Einar“ / Offizielle Facebookseite
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