The Spirit Of Memphis 1962-1976
Isaac Hayes hat ohne Frage Musikgeschichte geschrieben. Ob als Songwriter, Musiker und Produzent diverser Soul-Klassiker aus den Stax-Studios in Memphis oder mit seinen ausladenden, vom Rhythm & Blues genauso wie von psychedelischen Abfahrten inspirierten Jams und Soundtracks – oder dem in butterweichen, sexgeladenen Slo-Mo-Soul verwandelten, zahlreichen Adaptionen des American Songbook. Das Box-Set „The Spirit Of Memphis 1962-1976“ widmet sich nun der Stax Records-Ära des vor zehn Jahren verstorbenen Musikers und ist, soviel vorweg, eine wahre Goldgrube für alle Soul-, Blues- und Rock’n’Roll-Fans.
Aufgeteilt ist die Box in vier CDs, die jeweils eine andere Facette von Hayes‘ Musik beleuchten. Auf der ersten CD hört man die Songs, die er für andere Künstler geschrieben und eingespielt hat. Darunter Klassiker wie ‚Hold On I’m Comin‘, ‚I Thank You‘ und ‚Soul Man‘ (alle Sam & Dave), ‚B-A-B-Y‘ (Carla Thomas) – aber auch Obskureres wie die Version von ‚When Something Is Wrong With My Baby‘ von Country-Legende Charlie Rich. Disc 2 ist eine Best Of von Hayes‘ Karriere als Solo-Sänger (inklusive einiger Instrumentals). Dabei fällt bereits auf, daß Isaac Hayes als Solokünstler keinesfalls dem ruppig-rockenden Sound zugetan war, den er als Producer mitprägte, sondern zu Beginn eher zum Jazz und Croonern wie Cole Porter tendierte. Deren Material gibt es, zusammen mit einigen eher blues-lastigen Livetakes, auf der dritten CD in den eigenwilligen Hayes-Arrangements zu begutachten. Man nehme nur das elfminütige Cover von ‚Walk On By‘, bei dem sich sanfte Streicher, verzerrte Hendrix-Gitarren, schwüle Hammond-Akkorde und die tiefe, charismatische Stimme von Hayes, kombiniert mit klanglichen Experimenten und ausgedehnten Improvisationen zu einer völlig unkategorisierbaren Mischung führen, die sowohl für die zweite Funk-Generation wie Prince als auch für eher dem Progressive Rock entsprungene Musiker wie Peter Gabriel oder Kate Bush stilprägend waren und schließlich die Brücke zu den späteren Produktionskunstwerken wie dem „Shaft“-Soundtrack schlugen. Von dem ist beispielsweise auf der passend „Jam Master“ betitelten, größtenteils instrumentalen vierten CD neben der bekannten Single-Version auch erstmals die ungekürzte, 33 Minuten lange Originalversion von ‚Do Your Thing‘ zu hören.
Für Neulinge dürfte eine konventionelle „Greatest Hits“-Zusammenstellung lohnenswerter sein, denn „The Spirit Of Memphis 1962-1976“ legt eben Wert darauf, Isaac Hayes nicht nur als Hitfabrikant, sondern auch als furchtlosen musikalischen Innovator zu präsentieren, der sich im Jazz und Funk genauso wohl fühlte wie in Blues, Rock oder der Psychedelia. Warum hingegen Künstler wie Bruce Springsteen, Ben Harper, Gov’t Mule oder Beth Hart (von fast jedem, der je Funk gespielt hat, einmal ganz abgesehen) bis heute von der Musik, die Hayes in diesen „goldenen Jahren“ kreiert hat, inspiriert und begeistert sind, ist hier klar und deutlich für jeden nachzuvollziehen.
Grundsätzlich ist das Boxset auch schön aufgemacht, kommt es doch als Hardcover-Buch im 7“-Format, mit vielen Fotos, Infos zu Chartpositionen, Erstveröffentlichungen und Sleevenotes. Das ist allerdings auch gleichzeitig das Manko. Die CDs stecken nämlich quasi zwischen den letzten, kartonierten Seiten – und um die herauszunehmen, muß man sie nicht nur mit den Fingern auf der Abspielfläche anfassen, sondern aus den ungefütterten, engen Karton-Laschen ziehen, was bei jedem Herausnehmen – und Wiedereinstecken! – für Kratzer sorgt. Noch elender ist es bei der auf der letzten Seite eingeklebten 7“-Single – auch da ist das Sleeve viel zu eng, und aufgrund des unbiegsamen Hardcovers sind auch hier schon beim ersten Entnehmen tiefe Kratzer unvermeidbar. Noch dazu waren zumindest beim Whiskey-Soda vorliegenden Rezensionsexemplar unschöne Klebereste auf dem Vinyl und auch auf einer der CDs zu finden. Die ließen sich zwar mit etwas Vorsicht entfernen, doch so etwas darf eigentlich, speziell bei einem auch preislich recht hoch angesetzten Sammlerstück, nicht passieren.
So toll die Musik ist – so unpraktisch und schlicht doof ist die Verpackung. Unfassbar, daß irgendjemand – ein Name findet sich faszinierenderweise in der ganzen Box nicht! – für das Design dieses Teils ein monatliches Gehalt bezahlt bekommt… In der Tat: he only had one job.