The Slow Rust Of Forgotten Machinery
Andy Tillison hat einen Hals. Nach dem launigen, luftigen Vorgänger gibt’s auf dem neuen The Tangent-Werk „The Slow Rust Of Forgotten Machinery“ vornehmlich düster-melancholischen Stoff mit klar politischen, angepissten und bisweilen schwarzhumorigen Texten, die relativ klar machen, was Andy von der derzeitigen politischen Entwicklung speziell in seinem Heimatland hält.
Musikalisch bewegen sich The Tangent natürlich weiterhin im Spannungsfeld zwischen eklektischem Prog und – wohl auch dank Bassist Jonas Reingold (The Flower Kings, Karmakanic) – jazzigem Canterbury-Feeling, also, irgendwo zwischen Yes, Van Der Graaf Generator, Roger Waters, Caravan und Soft Machine, abgeschmeckt mit allem, was Andy zwischen die Finger kommt. Das wären diesmal beispielsweise waschechte Metal-Shreddingsoli von Luke Maschin, weibliche Gesangsharmonien, Punk-Riffs, DJing, Spoken Word-Passagen und Zappaeske Brüche. Der Opener ‚Two Rope Swings‘ ist dabei mit sechseinhalb Minuten Spielzeit der einzige „kurze“ Song – der zweitkürzeste ist bereits das zwölfminütige Instrumental ‚Doctor Livingstone (I Presume)‘. Der Quasi-Titelsong ‚Slow Rust‘ läuft 22:32 Minuten, ‚The Sad Story Of Lead and Astatine‘ exakt 16 und das vorab veröffentlichte ‚A Few Steps Down The Wrong Road‘ 17:31 Minuten – also definitiv keine leichte Kost. Im Gegensatz zu manch‘ anderer Band, die kürzlich ein politisch motiviertes Album voller Longtracks veröffentlicht hat, wirkt aber hier nichts erzwungen oder gar predigerisch. Dank Tillisons engagierten, unverklausulierten Lyrics und seiner sympathischen Nicht-Stimme, beides irgendwo zwischen Roger Waters, Bob Geldof und einer Prise frühem Dylan behält die Scheibe auch in den abgefahrensten Momenten noch eine angenehme Bodenhaftung und kommt durchaus mit einer Prise Humor und enormem Spielwitz um die Ecke. Der Höhepunkt dabei ist ‚A Few Steps Down The Wrong Road‘, bei dem die Musik und der vor Sarkasmus triefende Text eine perfekte Einheit abgeben und sogar – trotz der Komplexität der Komposition – so etwas wie Eingängigkeit entwickeln – auch wenn zartbesaitete Gemüter ob dieser Behauptung ungläubig den Kopf schütteln werden.
Konnte man „A Spark In The Aether“ durchaus zu Recht vorwerfen, etwas zu entspannt zu klingen, begeben sich The Tangent mit ihrem aktuellen Album eher wieder in die experimentierfreudigen Gefilde des Bandhighlights „Not As Good As The Book“, wenn auch, wie erwähnt, deutlich jazziger. Eines der bisherigen Jahreshighlights im Progrock und mit ‚A Few Steps Down The Wrong Road‘ liefern Andy und Co. den bisherigen Longtrack des Jahres ab. Abgerundet von einem gewohnt eigenwilligen und sehenswerten Comic-Artwork kann man also absolute Kaufempfehlung aussprechen.