
Das Bremer Aladin ist wieder gut gefüllt, wenngleich auch nicht ganz ausverkauft. Immerhin ist heute Dienstag. Ist zunächst tatsächlich noch etwas Luft auf der Fläche vor der Bühne – spätestens zum Beginn des Konzertes stehen die Rockfans dicht gedrängt. Wieder einmal ist das Durschnittsalter erkennbar Ü40, von einigen Ausnahmen in den vorderen Reihen einmal abgesehen. Die Leute sind an diesem verregneten Novemberabend in den Club gepilgert, um bodenständigen harten Rock und Power-Balladen zu erleben. Das 1977 eröffnete Aladin sorgt dafür mit seiner gemütlich-rustikalen und leicht orientalisch angehauchten Kulisse und den glitzernden Kronleuchtern für perfekte Umgebung und Stimmung.
„The next song is about alcohol!“ erklärt Jocke Berg dem Publikum und lässt sich vom Tourmanager eine große Falsche Hochprozentiges reichen. „Say hello to our Tourmanager ‚Rick the Dick‘! Hardcore Superstar salutes Bremen!“ Es folgt in der Tat der eingängige ‚Last Call For Alcohol‘. Die letzte Getränkerunde für diesen Abend ist im Aladin damit aber noch lange nicht bestellt worden. Und auch Hardcore Superstar brauchen nicht lange zu fragen, ob sie noch einen Song spielen sollen. Die Schweden rocken sich sofort ins Herz des Publikums, und so wird lautstark ein Song nach dem nächsten gefordert. Die gute Stimmung im Publikum schlägt sich sichtlich auf die Band nieder, und so stimulieren sich Zuschauer und Band nicht zum letzten Mal an diesem Abend gegenseitig zu Höchstleistungen.
Also ob die Texte noch nicht unmoralisch genug gewesen sind, wird es jetzt gänzlich ungesetzlich. „Give me a big ‚Fuck You‘!“ fordert Jocke Berg das Publikum auf, ihm die Mittelfinger zu zeigen. „Because it’s time to fuck the law!“
Echter Hard Rock steht eben über dem Gesetz, wie der nächste Song ‚Above The Law‘ zeigen möchte. Zumindest muss aber kein uniformierter Ordnungshüter einschreiten. Aber so ist der Rock’n’Roll eben – spaßig, laut, aber letztentlich doch harmlos. Zwischendurch wird das Publikum pflichtgemäß zum Johlen und Schreien animiert: „We’ve played in Berlin yesterday, they were loud. You guys can be louder!“ Können die Bremer das? Zumindest nach Jocke Bergs Urteil war das kollektive Schreien laut genug: „That was easy.“
Hier geht’s weiter mit Seite 2 und Gotthard
Etwa zwanzig Minuten dauert die Umbaupause, die den Bremer mit AC/DC und Whitesnake vom Band versüßt wird. Dann passiert eine Weile nichts mehr auf der Bühne. Die Spannung steigt, bis es um zwanzig nach neun soweit ist und Gotthard die Bühne entern. Diese ist im Design des aktuellen Albums „Bang!“ gehalten mit der wuchtigen Front eines amerikanischen Straßenkreuzers als zentrale Dekoration und Fundament des erhöhten Schlagzeug-Sets. Und „gebangt“ hat es offenbar auch schon vielfach auf dieser Bühne, denn Bassdrum und die aufgetürmten Bass- und Gitarrenverstärker sind stilecht mit Einschusslöchern und gelber Polizeiabsperrung dekoriert. Etwa doch ‚Above The Law‘?
Passend wird das Konzert dann auch mit dem Titeltrack vom aktuellen Longplayer eröffnet: ‚Bang!‘.
Nachfolger am Mikrofon wurde 2011 der Schweiz-Australier Nic Maeder, der erstmals 2012 auf dem Album „Firebirth“ zu hören war. Und Nic Maeder macht seine Sache mehr als zufriedenstellend, nämlich gut. Er bringt sofort eine starke Präsenz auf die Bühne und nimmt die Bremer mit auf eine wunderbare Reise.
„Are you ready Bremen?“ fragt Gitarrist Leo Leoni über einen Stimmverzerrer das Publikum. Ja, natürlich! Und so kann sie beginnen, eine technisch perfekte zweistündige Rockshow. Der Sound ist generell druckvoll und gut ausbalaciert, die Bässe grooven ohne zu wummern, die Vocals sind klar und präzise zu verstehen. Hut ab vor dem Mann am Mischpult! Das überaus textsichere Publikum überrascht Nic Maeder immer wieder durch kräftiges Mitsingen. „I love to hear you guys sing. You’re great singers, by the way.“ Und das sind nicht die üblichen Floskeln, sondern entspricht tatsächlich einmal der Wahrheit. Die Bremer Rockfans singen begeistert mit, wobei die meisten artig auf ihrem Platz stehen. Wildes Tanzen oder Headbangen sieht man – im Vergleich zum Auftritt von Hardcore Superstar – jetzt nur noch selten, aber das mag auch an der eher balladenorientierten Musik Gotthards liegen. Die Bremer habe ja im ersten Teil des Abends schon bewiesen, dass sie auch anders können.
Nicolò Fragile, der Mann an den schwarzen und weißen Tasten, überrascht mit einem kleinen Keyboard-Solo. Neben den typischen Gotthard-Pianoklängen werden auch ein paar exotische Sounds und leicht psychedelische 70er-Jahre-Hammond-Klänge präsentiert. Es folgt mit ‚Starlight‘ ein weiterer Bandklassiker. Und hierfür holen sich die sympathischen Schweizer Unterstützung aus dem Publikum. Sieben junge Damen und Herren aus der ersten Reihe dürfen auf die Bühne, ein wenig die Arme schwenken und „Aahh Aahh“ und „Düdüdüdü“ singen.
Ein im Hardrock eher untypisches Instrument kommt als nächstes zum Einsatz: Das Akkordeon. Aber auch darauf kann man mal eben kurz das weltbekannte Riff aus ‚Smoke On The Water‘ anspielen und dann eine weitere Rock-Ballade präsentieren. Die Vorstellung der Band erfolgt im Rahmen einer kleinen Jam-Session im Song ‚Hush‘. „Hey Leo, what are you gonna do with that guitar in your hand?“
Setlist Hardcore Superstar:
Moonshine
My Good Reputation
Dreaming
Wild Boys
Last Call For Alcohol
Above The Law
Run To Your Mama
Glue
We Don’t Celebrate Sundays
Setlist Gotthard:
Bang!
Get Up And Move
Sister Moon
Right On
Master Of Illusion
Fist In Your Face
The Call
Heaven
Remember It’s Me
What You Get
Starlight
The Train
C’est La Vie
One Life, One Soul
Mountain Mama
Hush
Lift U Up
—
Thank You
Anytime Anywhere
Fotos: Michael Buch
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