The Purple Tour
Selbst manch harter Fan wird sich fragen, ob schon wieder ein neues Whitesnake-Livealbum sein muss. Wie der Titel der Scheibe aber bereits verkündet, handelt es sich um einen Mitschnitt der 2015er Tour zum „Purple Album“, auf der Coverdale Songs seiner Vergangenheit bei Deep Purple coverte. Somit finden sich neben den „üblichen Verdächtigen“ auch eine Reihe selten gespielter Purple-Oldies im Set, die das Ganze dann zumindest für Fans doch interessant und relevant machen.
Soundtechnisch gibt es erwartungsgemäß nicht viel zu meckern. Das knallt, kracht und ballert, zugegebenermaßen auch dann, wenn Dynamik und Subtilität angesagt wäre. Wieviel von „The Purple Tour“ nun wirklich live ist, bleibt allerdings offen zur Diskussion. Im Gegensatz zu den größtenteils unerträglichen Bootlegs klingt Coverdale nämlich hier durchweg souverän, auch wenn die Klasse von „Live In The Heart Of The City“ freilich schon seit Anfang der 1990er nicht mehr erreicht wird. Einen großen Anteil am Gelingen des Ganzen haben Michael Devin (bass), Reb Beach (gtr) und vor allem Keyboarder Michelle Luppi, im „echten Leben“ Sänger bei Secret Sphere, die den Frontmann durchweg bei allen Songs stimmlich unterstützen und ihm fast alle höheren Passagen abnehmen. Kann man natürlich doof finden und als Beschiss werten, wenn’s das Endergebnis aber hörbarer macht, soll’s mir recht sein. Und in den tiefen und mittleren Lagen hat Coverdale ja fraglos immer noch jede Menge Feeling und Charisma. Dazu kommt, daß zum Beispiel ‚Fool For Your Loving‘ und ‚Ain’t No Love In The Heart Of The City‘ endlich wieder (fast) in ihren Originalfassungen mit ordentlich Hammond-Orgel und gefühlvolleren Gitarrenarrangements gespielt werden. Das sind aber auch die einzigen Songs der prä-AOR-Whitesnake, ansonsten gibt es die drölfzigsten Livetakes von ‚Still Of The Night‘, ‚Is This Love‘, ‚Bad Boys‘ und ‚Love Ain’t No Stranger‘. Klar, die machen auch immer Spaß, aber es tut sich schon eine enorme musikalische Kluft zwischen dem krachenden, intensiven ‚You Fool No One‘ und der braven Achtziger-Radiofassung von ‚Here I Go Again‘ auf. Ja, und ‚Still Of The Night’… das wird so langsam zu David Coverdales ‚Painkiller‘. Der Song wurde mittlerweile so tief transponiert, daß das berühmte Riff schlicht und einfach überhaupt nicht mehr wirkt, müde und flach schleppt sich der Song sieben Minuten lang vor sich hin und beendet die ansonsten durchaus launige Livescheibe mit dem einzigen echten Downer. Da hätte man vielleicht besser einen der drei Purple-Oldies, die ins Audio-Only-Bonusmaterial der BluRay verbannt wurden , auf die CD gepresst: speziell ‚You Keep On Moving‘ und ‚Lay Down Stay Down‘ (fette Version!) wären da ein weit größerer Zugewinn gewesen.
Unterm Strich also eine durchaus coole Kombination, auch, weil der Gig auch noch auf BluRay beiliegt. Die ist qualitativ zwar nichts Spektakuläres, auch das Bonusmaterial nicht – ein Videoclip, ein Interview mit der Gitarrenfraktion, geführt von Basser Michael und die erwähnten Bonus-Audiotracks plus Solo – aber eben auch aufgrund Coverdales nach wie vor ungebrochener Ausstrahlung und seinen Entertainer-Qualitäten eine nette Dreingabe. Fans greifen auch ohne Aufforderung zu, der Rest eher zu den Essentials „Live In The Heart Of The City“ und „Live In The Shadow Of The Blues“.