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The Oblivion Particle

Im Gegensatz zu vielen anderen Progressive Rock- oder Metalbands halten sich Spock’s Beard ja immer noch relativ zurück, was das allzu exzessive Instrumentengefrickel oder ausufernde Songstrukturen angeht, für deren Verständnis man doch mal lieber höhere Mathematik studiert haben sollte. Nicht, dass so etwas nicht auch mal spannend sein kann, aber das zwölfte Studioalbum der Amerikaner ist erwartungsgemäß dann doch wieder ein überwiegend harmonisch-melodiöses Album geworden, das zwar für den gemeinen Mainstream-Hörer wohl doch etwas zu sperrig und verschachtelt ist, aber vom geneigten Progger ohne größere Konzentration auch mal nebenbei genossen werden kann. Ja – genossen! Denn selbst wenn Spock’s Beard hier das Rad nicht neu erfinden und nur zwei verhältnismäßig unsperrige Longtracks im Gepäck haben, überzeugt „The Oblivion Particle“ doch durch mitreissendes Songwriting und einen perfekten Vortrag. Progressive Rock für Einsteiger, sozusagen.

Das geht schon mit ‚Tides Of Time‘ los, in dessen Intro Ryo Okumotos Keyboard dominiert und schließlich von Alan Morses Gitarrenzauberei abgelöst wird. Die Arrangements nicht nur dieses Songs sind üppig und abwechslungsreich, und eingestreute nie zu lange Keyboard- und Gitarrensoli lockern auch die dickeren Brocken immer wieder auf. Zwischendurch gibt es auch ein paar Hooklines und sogar wiederkehrende Refrains (!), was ja gar nicht mehr so wirklich progressiv ist, aber dennoch viel Spaß macht. So bietet der wohl eingängigste Song des Albums, ‚Bennett Built A Time Machine‘, zum Beispiel eine wunderbare Melodie, die sich sofort in den Gehörgang setzt und von dort so schnell nicht wieder verschwindet. Hier darf auch Drummer Jimmy Keegan den Hauptgesangspart übernehmen, und er macht seine Sache wirklich hervorragend! Ansonsten übernimmt Ted Leonard (Enchant) natürlich wieder die Vocals und führt routiniert durch das Programm.

Und das überzeugt nicht nur bei den bereits angesprochenen Songs. Von an Toto und Kansas erinnernde Gitarrenparts in ‚Minion‘ über irischen Flair in ‚Hell’s Not Enough‘ bis zu den fast unheimlichen perkussiven Effekten bei ‚Get Out While You Can‘ bieten Spock’s Beard eine wahres Füllhorn an Ideen und ausgefallenen Instrumentierungen. ‚A Better Way To Fly‘ begeistert als erster von zwei spannenden Longtracks insbesondere durch seine wechselnden Stimmungen, ohne je die klare Songstruktur zu vernachlässigen. Im wunderschönen Schlußtrack ‚Disappear‘ gibt es zudem mit David Ragsdale (Kansas) an der Violine einen musikalischen Gast.

„The Oblivion Particle“ ist ein spannendes und äußerst abwechslungsreiches Album geworden, das insbesondere durch starke Melodien zu punkten vermag. ‚We could disappear / you and me / we could be anyplace else not here‘ heißt es im Finale des Longplayers. Der „Oblivion Particle“ – versinken in der vollständigen Vergessenheit. Nein, bitte nicht. Bleibt noch eine Weile und versüßt unser Leben mit weiteren Alben dieser Klasse.

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