A Brief Inquiry Into Online Relationships
„The UK’s most exciting band“
Diesen Titel tragen The 1975 seit einigen Monaten, geht es nach dem Q-Magazin. Was steckt dahinter? Wieso sollen andere britische Gruppen wie Bastille oder Mumford And Sons weniger exciting sein? Und was meinen die überhaupt mit diesem Adjektiv?
exciting = erstaunlich, interessant
Selten wurden so ernste Themen angesprochen wie diesmal. „Love It If We Made It“ rechnet mit zahlreichen gesellschaftlichen Problemen wie dem Umgang mit Flüchtlingen auf politisch-nationaler Ebene, dem Verdrängen von religiösem Glauben durch die Moderne, Mediengeilheit oder dem Umgangston des aktuellen US-Präsidenten ab. Matthew Healy schreit dabei auf einem konstanten Rhythmus und Ton mit solch einer Inbrunst und Wut seine Passagen, dass es wohl nur bei ihm so fesselnd klingen kann, wo doch die Melodie quasi nichts hat. Etwas später erzählt in „The Man Who Married A Robot“ eine Art Computerstimme zu ruhiger Backgroundmusik, wie die Beziehung zwischen dem einsamen Ich und dem Internet immer stärker wird, bis man sich vollkommen öffnet und alles preisgibt. Ein Weckruf gegen Plattformen wie Facebook, WhatsApp und Co.
exciting = aufregend, spannend
Aufregend ist tatsächlich der Anfang von „A Brief Inquiry Into Online Relationships“. Selten wollte ich so früh beim Rezensieren abschalten wie hier: nach dem Intro ertönt mit „Give Yourself A Try“ der nervigste Song des Jahres. Healys Stimme klingt unnatürlich hoch, schmal und dünn. Der Elektro-Pop scheint uninspiriert und dahingeklatscht. Und das schlimmste ist das Synthie-Motiv. Es handelt sich hierbei um einen penetranten Wechsel zweier Töne. Alles übertönend. Ohne Pause. Über drei Minuten. Gott sei Dank bleibt es bei diesem einzigen negativen Aufreger, denn ansonsten bleiben sich The 1975 ihrem Sound treu, auch wenn immer wieder Ausflüge in andere Genre wie Soul, Jazz oder Latin gewagt werden.
exciting = erregend
Dass Matty zahlreichen Mädchen und jungen Frauen den Kopf verdreht, ist nicht unbekannt. Dies passiert nicht bloß auf Konzerten mit seinem häufig shirtlosen Auftreten, sondern auch mit dem Gesang. Markant sexy kann er tiefe Lagen genauso ins Ohr des Hörers Flüstern wie emotional in die Höhe ausbrechen. Das war bei „Robbers“ und „Woman“ vor fünf Jahren so, das war bei „UGH!“ und „If I Believe“ vor zwei Jahren so. Und das hört man auch hier erneut mit Songs wie dem souligen „Sincrety Is Scary“ oder bei „Inside Your Mind“ mit Slow-Mo-Gesang. In „Mine“ trauen sie sich erfolgreich an weichen Lounge-Jazz, welcher den Hörer vor einen brutzelnden Kamin mit einem Glas Rotwein in der Hand versetzt.
Tatsächlich kann man dem Q-Magazin Recht geben mit ihrer Behauptung. The 1975 sind reifer geworden, haben letztlich das gesamte Album selber produziert und sich künstlerisch noch stärker ausgetobt als beim Vorgänger. Und im Mai soll schon der vierte Streich folgen. Wir sind ebenfalls excited.