NIELS FREVERT – Pseudopoesie
Es gibt nur wenige Musiker in Deutschland, die in eigentlich allen Medien so wohlgelitten sind, wie Niels Frevert es ist. Seit mehr als 25 Jahren ist er solo unterwegs, und dabei wandelbar, wie ein Chamäleon. Begonnen als klassischer Rocker, dann zum eher akustischen Singer/Songwriter und mit dem letzten Album „Putzlicht“ zum Breitwand-Popmusiker gewandelt, was er mit dem neuesten Streich „Pseudopoesie“ auf elegante Art fortsetzt.
Warum er beim Schreiben kaum Ausschuss produziert, was er als Inhaber eines Jazz-Clubs machen würde und wieviel privater Niels in seinen Texten steckt, hat der Hamburger uns kurz vor der Veröffentlichung in einem sehr ausführlichen Interview erzählt, das Ihr hier nachlesen könnt.
Leichte Tastenklänge, ergänzt durch eine leise Hintergrundgitarre, eröffnen „Weite Landschaft“, in die sich nach knapp einer Minute Spielzeit die restliche Kapelle einbringt, und den Grundsound für die folgenden zehn Nummern klarmacht. Gut orchestrierte, weitestgehend eher ruhige Kompositionen mit gelegentlich rockigen Einschlägen. Bei „Fremd in der Welt“ steht zunächst die E-Gitarre im Vordergrund, und erinnert ein wenig an die Frühwerke von Frevert. Der Titel-Track an Position 3 ist das Highlight der Scheibe, im besten Sinne radiotauglich und mit einem leisen Querverweis an Rio Reiser („Blinder Passagier“).
Die musikalische Story zum bereits oben genannten Jazz-Keller ist „Kristallpalast“. Hier kann man den gealterten Ex-Musiker und jetzt Bar-Besitzer gedanklich auf dem Tresen stehen sehen kann, wie er seinen „Hit aus den 90ern“ singt. Ob es sich dabei um „Evelin“ oder „Himmelhochjauchzend“ handelt, ist dabei der Fantasie der alten Nationalgalerie-Fans überlassen. Nach dem Blick ins Alter gibt es im Schlusslied „Ende 17“ eine leicht verklärte Reise in die Vergangenheit, zurück auf die eigene Jugend. Beim Weg nach Hause, vorbei an der ehemaligen Szenekneipe Subito, wird zu elektronischen Klängen das Bild aufgeworfen, wie der betrunkene junge Niels mit Blixa Bargeld (Einstürzende Neubauten) und Punkrock-Legende Johnny Thunders zusammen am Tresen sitzt. Ob die Geschichte stimmt, bleibt offen, zumindest Bargeld war früher dort Stammgast. Leise und bedächtig mäandert der Longplayer so nach etwas mehr einer halben Stunde dem Ende entgegen.
Auch mit dieser CD wird Herr Frevert mit seiner Begleitband es nicht schaffen, die Kritiker*innen gegen sich aufzubringen. Im Gegenteil: Wieder einmal gelingt es dem Künstler, einen wunderbaren Harmoniebogen mit herrlich poetischen Worten und schlauen Arrangements zu verbinden. Wer in den kommenden Wochen die Gelegenheit hat, die Herren live zu sehen, sollte unbedingt hingehen.
Keine Party-Platte, nichts für Kaufhausberieselung und auch kein Anlass zum dauerhaften Mitgrölen. Nein, Pseudopoesie ist so wenig Pseudo, dass man diese zehn Songs mit Verstand anhören und genießen sollte.
Note: 1
Pseudopoesie Tour 2023
19.04.2023 Bremen, Lagerhaus
20.04.2023 Hannover, Pavillon
21.04.2023 Hamburg, Markthalle
22.04.2023 Berlin, Lido
23.04.2023 Leipzig, Moritzbastei
26.04.2023 Köln, Gloria
27.04.2023 Mainz, KUZ
28.04.2023 Schorndorf, Manufaktur
29.04.2023 München, Strom
30.04.2023 Mannheim, Alte Feuerwache
09.05.2023 Erfurt, Zentralheize
10.05.2023 CH-Zürich, Bogen F
11.05.2023 Freiburg, Waldsee
12.05.2023 Ulm, Roxy
13.05.2023 Dortmund, FZW
18.05.2023 Dresden, Scheune
19.05.2023 Magdeburg, Moritzhof
20.05.2023 Rostock, Peter Weiss Haus
Tickets gibt es hier.