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Modern Modern

Es gibt Musik, die konsumieren wir, ohne über sie nachzudenken. Wir genießen ihren Rhythmus, ihre Melodie, ihre Stimmung. Desweiteren gibt es Musik, die möchte uns wachrütteln, zum Nachdenken anregen und zum Handeln motivieren. Und dann gibt es da noch die Art, die in einem imaginären Museum auf einem Marmorpodest liegt und um deren Auslegung sich Gelehrte streiten. Was sagt die Dialektik der Strophen über das Wesen der Musik aus? Ist der Versfuß ein Trochäus oder doch eher ein Jambus? Und wie fügt sich das Werk in den aktuellen Diskurs zur Postmoderne ein? So eine Art von Musik ist Leo Hört Rauschen. Das Quartett aus Dresden klingt wie eine Dokumentation über Sartres Existenzialismus auf Arte oder ein mit Musik unterlegtes Hörspiel von Arthaus. ‚Modern Modern‘ heißt ihr erstes Album und es läuft garantiert auf keiner Studentenpartie. Außer auf denen für Eingeweihte in den Kellerräumen der geisteswissenschaftlichen Fakultät.

Das Album ist eine Elegie auf die moderne Gesellschaft. Melancholisch, kalt, düster, distanziert. Das Destillat der akkumulierten Dystopien zur Post-Moderne. ‚Die Kunst ist tot, es leben die Maschinen.‘ Die Melodien sind bewusst monoton gehalten. Neben der Stimme ist der Bass das prägnanteste Instrument auf dem Album. Zusammen mit dem Schlagzeug gibt er stur und geradlinig und ohne viel Akkordwechsel die Marschrichtung an. Die Gitarre greift nur nuancierend ins Geschehen ein, ist dadurch aber das Zünglein in der Waage und erzeugt trotz Minimalismus den einen oder anderen Hook. So weisen die meisten Songs einen eher experimentellen Charakter auf, der vordringlich dem Erhalt der trostlosen Stimmung des besungenen Niedergangs dient. Am ehesten einen liedhaften Duktus weisen die Tracks ‚Komplimente‘ und ‚Turm‘ auf. Textlich geben sich Leo Hört Rauschen intentionell kryptisch: ‚Unterwegs vom alten Antrieb tropft das Salz vom alten Dach‘, ‚An der Wand das Gesicht; der Denunziant ist der Verstand.‘ Die Inhalte erschließen sich nicht auf den ersten Blick und bedürfen der Interpretation. Der gedichthafte Charakter trägt dazu noch bei.

‚Modern Modern‘ ist keine leichte Kost. Die Musik ist oft monoton, der Gesang zuweilen stocksteif und die Texte hin und wieder sehr gestelzt. Trotzdem erfüllt dies alles einen Zweck und zeichnet ein wunderbar schwermütiges Bild einer erkaltet Gesellschaft, in welcher der Mensch sich von sich selbst und seiner Umwelt entfremdet hat. ‚Das ist alles was wir sind. Utopie. Utopie.‘ Von der Stimmung her bleibt sich das Album konsequent treu und weiß emotional zu bewegen. Die Melodien sind simpel aber immersiv. Auf der anderen Seite wirken Songs wie ‚Kunst‘ oder ‚Glassplitter‘ so experimentell und abgehoben, dass der Eindruck ‚bemüht elitär‘ entsteht. Ob dieser Schopenhauer unter den Post-Punk- / Wave-Bands einem gefällt, lässt sich mit Gewissheit erst nach mehrfachem Probehören feststellen. Anspieltipps: ‚Komplimente‘ und ‚Kunst‘.

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